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3. Das Leuchtfeuer

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Eine Woche später bot sich die Gelegenheit, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen. Wir befanden uns mitten im Winter, die Schneestürme hatten aufgehört, und ein harter Frost ließ die Oberfläche des Schnees gefrieren und machte sie begehbar. Wir hatten von den Mönchen erfahren, dass avis poli und andere Dickhornschafe um diese Zeit aus den Bergen herabkamen, um in bestimmten Tälern Schutz zu suchen und Futter unter dem Schnee hervorzukratzen und so verkündeten wir, dass wir auf die Jagd gehen wollten. Wir gaben vor, nach dem langen Herumsitzen unbedingt etwas Bewegung zu brauchen.

Unsere Gastgeber wandten ein, dass so ein Ausflug sehr gefährlich sei, da das Wetter von einer Stunde zur anderen Umschlagen könne. Sie wiesen uns jedoch auch darauf hin, dass sich am Hang des Berges, den wir ersteigen wollten, eine große, natürliche Höhle befände, in der wir nötigenfalls Schutz finden würden, und einer der Mönche, etwas jünger und aktiver als die anderen, erbot sich, uns zu dieser Höhle zu führen. Nachdem wir uns also eine Art Zelt aus Fellen zusammengestückelt und unser altes Yak mit Nahrungsmitteln und warmer Kleidung beladen hatten, brachen wir eines Morgens, kurz nach Sonnenaufgang auf. Unter der Führung des Mönchs, der ungeachtet seiner Jahre noch recht gut zu Fuß war, erreichten wir den Nordhang des Berges kurz vor Mittag. Und hier fanden wir, wie er uns gesagt hatte, eine ausgedehnte Höhle, deren Eingang durch eine überhängende Felsplatte geschützt wurde. Die Höhle war offensichtlich zu gewissen Jahreszeiten ein beliebter Unterschlupf für Wildtiere, wie eine dicke, über Jahrhunderte angesammelte Kotschicht bewies, durch die unser Brennstoffproblem gelöst wurde.

Den Rest dieses kurzen Wintertages verbrachten wir damit, unser Zelt in der Höhle zu errichten, vor deren Eingang wir ein großes Feuer entfachten, und einer ersten Untersuchung der Berghänge, die wir dem Mönch damit erklärten, dass wir nach Spuren wilder Schafe suchten. Der Zufall wollte es, dass wir bei unserer Rückkehr auf eine kleine Herde stießen, die an einer geschützten Stelle Moos äste. Wir konnten zwei der Schafe erlegen, da niemals Jäger in diese Gegend kamen und die armen Tiere keine Angst vor Menschen hatten. Da sich Fleisch bei diesen Kältegraden praktisch ewig hält, hatten wir genügend Nahrung für vierzehn Tage. Wir schleiften die Tiere den Hang hinab zur Höhle und häuteten sie ab, kurz bevor es dunkel wurde.

An dem Abend aßen wir frisches Hammelfleisch, ein großer Luxus, den der Mönch genauso genoss wie wir, denn wenn er auch aus religiösen Gründen gegen das Töten war, mochte er doch Hammelfleisch. Dann krochen wir ins Zelt und rückten eng zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen, weil es während der Nacht noch um einige Grade kälter wurde. Der alte Mönch schlief tief und fest, doch weder Leo noch ich fanden Ruhe; die Ungewissheit, was wir vom Gipfel dieses Berges aus sehen mochten, verdrängte den Schlaf.

Am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang, kehrte unser Führer zum Kloster zurück, nachdem wir ihm versprochen hatten, ihm am nächsten oder übernächsten Tag zu folgen.

Endlich allein, begannen wir sofort mit dem Anstieg zum Gipfel. Der Berg war mehrere tausend Fuß hoch und stellenweise sehr steil, doch der gefrorene, tiefe Schnee erleichterte den Aufstieg, so dass wir gegen Mittag den Gipfel erreichten. Der Ausblick von dort aus war unbeschreiblich. Unter uns erstreckte sich die verschneite Wüste, hinter ihr erhob sich ein Gewirr von phantastisch geformten, schneebedeckten Bergen, Hunderte und Aberhunderte von Bergen, so weit das Auge reichte.

»Genauso habe ich sie in meinem Traum vor vielen, vielen Jahren gesehen«, murmelte Leo, »genauso.«

»Und wo war das helle Licht?«, fragte ich.

»Dort drüben, glaube ich.« Er deutete nach Nordosten.

»Jetzt ist es jedenfalls nicht da«, stellte ich fest, »und es ist verdammt kalt hier oben.«

Es war gefährlich, länger auf dem Gipfel zu bleiben, da wir beim Abstieg von der Nacht überrascht werden konnten, und so machten wir uns auf den Rückweg zur Höhle, die wir gegen Sonnenuntergang erreichten. Die nächsten vier Tage verbrachten wir auf dieselbe Weise. Jeden Morgen kletterten wir über die Schneebänke zum Gipfel empor, und am Nachmittag glitten und rutschten wir sie wieder hinab, bis ich diesen Sport gründlich über hatte.

In der vierten Nacht kam Leo nicht ins Zelt, sondern saß vor dem Eingang der Höhle. Als ich ihn fragte, warum er in der Kälte bliebe, gab er mir eine ungeduldige Antwort - ein Zeichen, dass er allein sein wollte. Ich hatte schon seit einiger Zeit bemerkt, dass er in einer seltsamen und bedrückten Stimmung war, weil er unter dem Fehlschlag unserer Suche litt. Außerdem wusste er, genau wie ich, dass wir nicht mehr lange hier draußen bleiben konnten, da das Wetter zu jeder Stunde Umschlagen und jeden weiteren Aufstieg unmöglich machen konnte.

Mitten in der Nacht rüttelte Leo mich aus dem Schlaf. »Komm, Horace!«, sagte er. »Ich muss dir etwas zeigen.«

Widerwillig kroch ich unter den warmen Felldecken hervor und verließ das Zelt. Anzuziehen brauchte ich mich nicht, da wir bei der Kälte völlig bekleidet schliefen.

Er führte mich zum Ausgang der Höhle und deutete nach Norden. Die Nacht war stockdunkel, doch weit, weit entfernt entdeckte ich einen rötlichen Schimmer am Himmel, der aussah, wie der Widerschein eines Feuers.

»Was hältst du davon?«, fragte er gespannt.

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Es könnte alles Mögliche sein. Der Mond - nein, wir haben keinen - Dämmerung - nein, dazu ist es zu weit nördlich, und es wird erst in drei Stunden hell. Ein Feuer vielleicht, ein brennendes Haus oder eine Totenverbrennung. Aber wie kann es so etwas in dieser Gegend geben? Ich gebe auf.«

»Ich denke, es ist ein Widerschein«, sagte Leo langsam, »und wenn wir jetzt auf dem Gipfel wären, könnten wir feststellen, was für ein Licht es ist, das sich an den Wolken spiegelt.«

»Ja, aber wir sind nicht auf dem Gipfel, und wir können in der Dunkelheit auch nicht hinaufsteigen.«

»Dann müssen wir eben eine Nacht oben verbringen, Horace.«

»Das wäre unsere letzte Nacht in dieser Inkarnation«, sagte ich mit einem trockenen Lachen, »falls es wieder schneien sollte.«

»Wir müssen es riskieren. Ich jedenfalls werde es riskieren. Sieh! Das Licht ist erloschen.« Und damit hatte er recht. Die Nacht war wieder so schwarz wie Pech.

»Wir wollen uns morgen darüber unterhalten«, sagte ich und ging zum Zelt zurück, denn ich war müde und ungläubig; doch Leo blieb im Höhleneingang sitzen.

Als ich beim Morgengrauen erwachte, hatte er bereits das Frühstück zubereitet.

»Ich muss früh aufbrechen«, erklärte er.

»Bist du verrückt?«, fragte ich. »Wie können wir da oben die Nacht verbringen, ohne zu erfrieren?«

»Ich weiß es nicht, aber ich werde gehen. Ich muss, Horace.«

»Das bedeutet, dass wir beide gehen müssen. Aber was ist mit dem Yak?«

»Wo wir klettern können, kann es folgen.«

Also schnallten wir das Zelt und unsere anderen Sachen, und einen ausreichenden Vorrat an gekochtem Hammelfleisch auf den breiten Rücken des Tieres und brachen auf. Der Anstieg dauerte dieses Mal etwas länger, da wir mehrere Umwege machen mussten, um Steilstellen aus gefrorenem Schnee zu vermeiden, die das beladene Tier niemals geschafft hätte. Als wir endlich den Gipfel erreichten, schaufelten wir eine tiefe Grube in den Schnee, in der wir unser Zelt aufrichteten, und traten den ausgehobenen Schnee an seinen Seiten fest. Als wir damit fertig waren, begann es zu dunkeln, und nachdem wir - einschließlich des Yak - ins Zelt gekrochen waren, aßen wir und warteten.

Es war entsetzlich kalt! Und in dieser Höhe wehte ein Wind, dessen eisiger Atem durch alle Hüllen drang. Unser Fleisch brannte wie ein heißes Eisen. Es war ein Glück für uns, dass wir das Yak mit herauf gebracht hatten, denn ohne seine Körperwärme wären wir erfroren, selbst in unserem Zelt. Mehrere Stunden lang saßen wir wach und starrten nach Nordosten, doch sahen wir nichts außer ein paar einsamen Sternen, und hörten nichts in dieser absoluten Stille, denn hier war selbst der Wind lautlos, wenn er über die eisigen Schneeflächen wehte. Da ich an solche Strapazen gewöhnt war, begann ich schläfrig zu werden. Doch als sich meine Augen schlossen, rief Leo plötzlich: »Horace! Sieh doch! Unter dem roten Stern!«

Ich blickte in die Richtung, und am Himmel war wieder das Glühen, das wir in der vergangenen Nacht beobachtet hatten. Doch vom Gipfel aus sahen wir noch mehr: unterhalb der Reflexion an den Wolken, etwa auf gleicher Höhe mit uns und dicht oberhalb der Gipfel der Fernen Berge, war ein unregelmäßig pulsierendes Licht, wie der Schein zuckender Flammen, und davor war etwas Dunkles, ein undeutlicher Schatten. Während wir gebannt hinüberstarrten, wurde das Feuer heller und schien zu wachsen; immer intensiver wurde sein Schein. Und nun, vor diesem flammenden Hintergrund wurde der vage Schatten zu einer scharfen, deutlich erkennbaren Silhouette. Es war die Silhouette eines hochaufragenden Pfeilers, dessen Spitze die Form eines aufrechtstehenden Ringes hatte. Ja, wir konnten jedes Detail deutlich erkennen. Es war das Crux-ansata, das Symbol des Lebens.

Das Feuer erlosch, das Symbol verschwand. Noch einmal loderten die Flammen auf, heller und feuriger als zuvor, und das Lebenssymbol wurde wieder deutlich sichtbar, erlosch dann erneut. Zum dritten Mal loderten die Flammen auf, mit einer solchen Intensität, dass ihr Licht heller war als Blitze. Am ganzen Horizont glühten die Wolken im Widerschein, und durch das runde Auge des Lebens-Symbols schoss ein feuriger Strahl über die Berggipfel hinweg wie das Lichtsignal eines Leuchtfeuers. Er schoss wie ein Pfeil über die verschneite Wüste hinweg auf den Gipfel zu, auf dem wir saßen. Ja, er warf seinen brandroten Schein über die weite weiße Fläche und auf unsere bleichen Gesichter, während es rechts und links von uns völlig dunkel blieb.

Mein Kompass lag vor mir im Schnee, und in dem hellen Licht des Feuerstrahls konnte ich sogar seine Nadel sehen. Dann erlosch er plötzlich, und mit ihm erlosch das Feuer, aus dem er gekommen war, und das Lebens-Symbol wurde wieder unsichtbar. Nur ein rötlicher Schimmer am Horizont sagte uns, dass wir nicht geträumt hatten.

Wir schwiegen eine lange Weile. Dann sagte Leo: »Erinnerst du dich noch, Horace, wie wir auf dem Wiegenden Stein lagen und ihr Mantel auf mich fiel...« - seine Stimme klang erstickt -, »wie der Lichtstrahl aufzuckte, der uns Lebewohl sagen und uns den Weg weisen sollte, auf dem wir aus dem Palast des Todes entkommen konnten? Jetzt ist er wieder zu uns geschickt worden, um uns zu begrüßen und uns den Weg zum Palast des Lebens zu zeigen, in dem Ayesha wohnt, die wir für eine Weile verloren hatten.«

»Vielleicht«, sagte ich knapp, denn diese Frage lag jenseits aller Worte und Argumente, sogar jenseits allen Begreifens. Aber ich wusste, so wie ich es auch heute weiß, dass wir Akteure in einem großen Drama waren; dass unsere Rollen längst geschrieben waren und wir sie bis zu ihrem unbekannten Ende spielen mussten. Angst und Zweifel blieben hinter uns zurück, aus Hoffnung war Gewissheit geworden, lange zurückliegende Visionen von dieser Nacht hatten ihre Erfüllung gefunden, und die armselige Saat des Versprechens von ihr, die gestorben war, wuchs ungesehen und unbemerkt durch all die grausamen, leeren Jahre und war nun reif zur Ernte.

Nein, wir fürchteten uns nicht mehr, nicht einmal, als sich mit der Morgendämmerung ein schneidend kalter Sturm erhob, durch den wir den Berghang hinabstiegen, und in jeder Minute in Lebensgefahr schienen; nicht einmal, als wir Stunde um Stunde durch den dichten Schneesturm zum Kloster zurückzogen, spürten wir Angst. Denn wir wussten, dass wir vor jeder Gefahr geschützt waren. Wir konnten in dem sturmgepeitschten Schneetreiben weder sehen noch hören, doch wir wurden geführt. An die zottigen Flanken unseres Yak geklammert, stolperten wir heimwärts, und sein Instinkt brachte uns schließlich aus Schnee und Sturm sicher zur Tür des Klosters, wo der alte Abt uns vor Freude und Erleichterung umarmte und die Mönche Dankgebete intonierten. Denn sie waren sicher gewesen, dass wir umgekommen wären. So einen Sturm, sagten sie immer wieder, habe ein Mensch noch nie überlebt.

Es war aber noch immer mitten im Winter, und - oh! - wie unendlich langsam diese Monate des Wartens vergingen. Wir hielten den Schlüssel in unseren Händen, und im Nordosten, zwischen den Gipfeln der Fernen Berge befand sich die Tür, die er öffnen würde, doch wir hatten noch nicht die Möglichkeit, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Denn zwischen uns und der Tür lag die weite Wüste, über die immer wieder Stürme Wolken von Schnee fegten, und bevor dieser Schnee nicht geschmolzen war, konnten wir ihre Durchquerung nicht wagen. Also hockten wir tatenlos in dem Kloster und übten uns in Geduld.

Doch selbst in diese Eiswildnis Zentralasiens kam endlich der Frühling. Eines Abends wurde es wärmer, und in dieser Nacht hatten wir nur wenige Frostgrade. Am nächsten Vormittag zogen dunkle Wolken auf, und aus ihnen fiel kein Schnee, sondern Regen. Es regnete drei Tage lang, und der Schnee schmolz vor unseren Augen. Am vierten Tag rauschten mächtige Wassermassen von den Bergen, und die Wüste war wieder braun und öde. Doch nicht für lange. Eine Woche darauf sproß ein Teppich von Blüten aus dem braunen Sand, und wir wussten, dass jetzt für uns die Zeit des Aufbruchs gekommen war.

»Aber wohin wollt ihr gehen? Wohin wollt ihr gehen?«, fragte der alte Abt immer wieder. »Seid ihr nicht glücklich hier? Macht ihr nicht große Schritte auf dem Weg? Gehört nicht alles, was wir besitzen, auch euch? Warum wollt ihr uns verlassen?«

»Wir sind Reisende«, antworteten wir, »und wenn wir Berge vor uns sehen, müssen wir auf ihre andere Seite.«

Kou-en blickte uns nachdenklich an. Dann fragte er: »Und was sucht ihr jenseits der Berge? Und welches Verdienst liegt darin, die Wahrheit vor einem alten Mann zu verbergen? Denn solches Verbergen der Wahrheit ist von der Lüge nur durch die Breite eines Gerstenkorns getrennt.

Sagt mir zumindest, was ihr vorhabt, damit meine Gebete euch begleiten können.«

»Heiliger Abt«, sagte ich, »vor einiger Zeit hast du vor uns in der Bibliothek ein Geständnis abgelegt.«

»Oh! Erinnere mich nicht daran«, rief er und hob abwehrend beide Hände. »Warum willst du mich quälen?«

»Das liegt mir ferne, lieber Freund«, antwortete ich. »Aber der Zufall will es, dass deine Geschichte auch die unsere ist, und ich glaube, dass wir dieselbe Priesterin kennengelernt haben.«

»Sprich weiter!«, sagte er, plötzlich sehr interessiert.

Ich berichtete ihm in großen Zügen von unseren Erlebnissen. Ich sprach über eine Stunde lang, und er saß uns schweigend gegenüber und wiegte seinen Kopf hin und her wie eine alte Schildkröte. Schließlich kam ich zum Ende.

»Jetzt«, setzte ich hinzu, »lasse das Licht deiner Weisheit unser Dunkel erhellen. Findest du unsere Geschichte nicht wunderbar, oder hältst du uns am Ende für Lügner?«

»Brüder des großen Klosters, das die Welt genannt wird«, antwortete Kou-en mit seinem üblichen Kichern, »warum sollte ich euch für Lügner halten, da ich doch vom ersten Augenblick an gesehen habe, dass ihr Männer seid, denen man vertrauen kann? Und warum sollte ich eure Geschichte für ein Wunder halten? Ihr seid nur zufällig über den äußersten Rand einer Wahrheit gestolpert, mit der wir seit vielen, vielen Jahren vertraut sind.

Weil diese Frau euch in einer Vision unser Kloster gezeigt und euch zu einer Stelle hinter den Fernen Bergen geführt hat, wo sie verschwunden ist, hofft ihr sie, die ihr sterben saht, dort in einer Reinkarnation wiederzufinden. Warum nicht? Es ist nicht unmöglich für solche, die die Wahrheit kennen, obwohl die lange Dauer ihres letzten Lebens seltsam ist, und gegen jede Erfahrung. Zweifellos werdet ihr sie dort finden, so wie ihr es erwartet, und zweifellos wird ihr Khama, ihre Identität, dieselbe sein, wie die eines ihrer früheren Leben, die mich einst zur Sünde verführt hat.

Doch in einem dürft ihr euch nicht irren: sie ist nicht unsterblich. Sie wird nur von ihrem Stolz, von ihrer eigenen Größe, wenn ihr so wollt, auf ihrem Weg zum Nirwana aufgehalten. Doch dieser Stolz wird gebrochen werden, so wie er schon einmal gebrochen wurde; ihre majestätische Stirn wird mit dem Staub der Vergänglichkeit und des Todes befleckt werden, ihre sündige Seele wird durch Trennung und Tod gereinigt werden. Bruder Leo, wenn du sie für dich gewinnst, so nur, um sie erneut zu verlieren, und dann musst du die Leiter erneut erklimmen. Bruder Holly, für dich wie für mich ist der Verlust der einzige Gewinn, da wir durch ihn vor großem Leid bewahrt werden. Oh, bleibt hier und betet mit mir. Warum wollt ihr mit den Köpfen gegen einen Fels rennen? Warum müht ihr euch ab, Wasser in einen zerbrochenen Krug zu gießen, durch den es im Sand einer sinnlosen Erfahrung versickert und verschwendet wird, während ihr durstig bleibt?«

»Wasser macht den Boden fruchtbar«, antwortete ich. »Wo Wasser ist, sprießt Leben, und das Leid ist die Saat der Freude.«

»Die Liebe ist das Gesetz des Lebens«, setzte Leo hinzu; »ohne Liebe gäbe es kein Leben. Ich suche Liebe, damit ich leben kann. Ich glaube, dass all diese Dinge uns vorbestimmt sind, um uns zu einem Ziel zu führen, das wir nicht kennen. Das Schicksal zieht mich hinan - ich erfülle mein Schicksal...«

»Und verzögerst dadurch, deine Freiheit zu erlangen. Aber ich will mich nicht mit dir streiten, Bruder, der du deinen eigenen Weg finden musst. Doch überlege einmal: Was hat diese Frau, diese Priesterin eines falschen Glaubens, falls sie das noch immer sein sollte, dir in der Vergangenheit gebracht? Einst, in einem anderen Leben - so verstehe ich jedenfalls deine Geschichte -, warst du einer gewissen Göttin der Natur verschworen, die Isis hieß; war es nicht so? Dann hat dich eine andere Frau in Versuchung geführt, und du bist mit ihr geflohen. Und was geschah? Die betrogene, rachsüchtige Göttin hat dich gefunden und erschlagen, und wenn nicht die Göttin, so eine, die von ihrer Weisheit getrunken hatte und das Instrument ihrer Rache war. Nachdem sie von der Weisheit der Göttin getrunken hatte, weigerte sie sich, zu sterben, weil sie dich lieben gelernt hatte und auf deine Wiedergeburt wartete, weil sie wusste, dass sie dich in deinem nächsten Leben wiederfinden würde. Und sie hat dich gefunden, und sie starb, oder schien zu sterben, und nun ist sie wiedergeboren worden, wie es ihr vorbestimmt war, und ihr werdet euch wiedertreffen und erneut ins Leid gestürzt werden. Oh, meine Freunde, geht nicht auf die andere Seite der Berge; bleibt bei mir und beklagt eure Sünden!«

»Nein«, antwortete Leo, »wir sind unserem Ziel verschworen, und wir werden unser Wort nicht brechen.«

»Dann, meine Brüder, macht euch auf den Weg, doch wenn ihr euer Ziel erreicht habt, denkt an meine Worte, denn ich bin sicher, wenn es zur Ernte kommt und ihr den Wein von der Lese eurer Wünsche keltert, er rot wie Blut rinnen wird, und dass ihr beim Trinken dieses Weins weder Vergessen noch Frieden finden werdet. Geblendet von einer Leidenschaft, deren Macht mir sehr wohl bekannt ist, sucht ihr ein Übel mit einem hübschen Gesicht, um eure Leben mit ihm zu vereinigen und glaubt, dass aus dieser Verbindung alles Wissen und alle Freude wachsen werden.

Ihr solltet danach streben, allein zu leben und die Heiligkeit zu suchen, bis eure Leben dereinst mit dem Großen Unsagbaren vereinigt sein werden und ihr die ewige Seligkeit findet, die im Nichts liegt. Ah! Ich weiß, dass ihr mir jetzt nicht glaubt; ihr schüttelt den Kopf und lächelt; doch eines Tages - vielleicht erst nach vielen, vielen Reinkarnationen - werdet ihr ihn beugen und weinen und mir sagen: Bruder Kou-en, du hast Worte der Weisheit gesprochen, wir haben wie Narren gehandelt. Mit einem schweren Seufzer wandte der alte Mann sich um und ließ uns allein.

»Ein sehr fröhlicher Glaube«, sagte Leo, als er ihm nachblickte, »wenn man durch Äonen monotoner Misere leben muss, damit das Bewusstsein schließlich von einer leeren, formlosen Abstraktion geschluckt werde, die der Letzte Friede genannt wird. Ich ziehe es jedenfalls vor, meinen Teil einer hässlichen Welt in Kauf zu nehmen und meine Hoffnung auf den Wechsel zum Besseren zu bewahren. Und ich glaube auch nicht, dass er irgendetwas über Ayesha und ihre Bestimmung weiß.«

»Ich auch nicht«, antwortete ich, »aber vielleicht hat er doch recht. Wer kann das wissen? Doch welchen Sinn hat es, darüber nachzugrübeln? Wir haben keine Wahl, Leo: Wir müssen unserem Schicksal folgen. Wohin uns dieses Schicksal führt, werden wir erfahren, wenn die Zeit dazu gekommen ist.«

Wir gingen schlafen. Es war spät geworden, doch ich fand in dieser Nacht keine Ruhe. Die Warnungen des alten Abtes, dieses gutherzigen und gelehrten Mannes, der auch die vorausblickende Weisheit besaß, die Männern wie ihm gegeben ist, beunruhigten mich zutiefst. Er hatte uns gewarnt, dass wir jenseits der Berge Kummer und Blutvergießen begegnen würden, die mit dem Tod und einer Wiedergeburt zu einem Leben voller Elend enden mussten. Nun, vielleicht hatte er recht, aber kein noch so schweres Leid, das uns bevorstehen mochte, konnte uns aufhalten. Um ihr Gesicht wiederzusehen, war ich bereit, ihm zu trotzen. Und wenn es schon bei mir so war, wie stark musste Leo es empfinden!

Eine seltsame Theorie: die Annahme Kou-ens, dass Ayesha die Göttin des alten Ägyptens war, der Kallikrates als Priester diente, oder zumindest ihre Repräsentantin. Dass er die königliche Amenartes, mit der er geflohen war, verführte und die Göttin betrog, der er die Treue geschworen hatte. Dass diese Göttin in Ayesha wiedergeboren wurde - oder dass sie die Ayesha und ihre Leidenschaften als ihre Werkzeuge benutzt und in Kôr Rache geübt hatte, und dass in einem späteren Leben der Pfeil, den sie abgeschossen hatte, sie selbst traf.

Nun, daran hatte ich selbst auch schon gedacht, nur war ich sicher, dass Sie keine wirkliche Göttin sein konnte, wenn auch vielleicht die Manifestation einer Göttin, eine Priesterin, eine Botin, die den Auftrag hatte, einen göttlichen Willen zu vollstrecken, zu belohnen oder zu strafen, sie selbst jedoch ein Mensch, mit Hoffnungen und Leidenschaften, die nach Erfüllung verlangten, mit einer Bestimmung, die erfüllt werden musste. In Wahrheit, wenn ich jetzt über diese Dinge schreibe, da alles vorbei und vergangen ist, finde ich viele Bestätigungen dafür, und nur weniges, das gegen diese Theorie spricht, da ein Leben und die Macht von einer Größe, die nur stärker als die eines Sterblichen sind, nicht ausreichen, um eine Seele göttlich zu machen. Andererseits aber muss man bedenken, dass Ayesha, zumindest bei einer Gelegenheit, andeutete, eine Tochter des Himmels zu sein, und einige Menschen, besonders der alte Schamane Simbri, schien es für erwiesen zu halten, dass sie übernatürlichen Ursprungs war. Doch von all diesen Dingen werde ich sprechen, wenn es so weit ist.

Jetzt stellte sich für uns zunächst die Frage: was lag jenseits der Berge? Würden wir sie dort finden, die das Zepter führte und auf Erden die Macht der tödlich beleidigten Isis' besaß, und mit ihr jene andere Frau, die ihr das Unrecht zugefügt hatte? Und wenn wir sie finden sollten, würde der entsetzliche, unmenschliche Kampf seinen Höhepunkt um die Person des sündigen Priesters finden? In ein paar Monaten, vielleicht in wenigen Tagen, würden wir es wissen.

Zutiefst aufgewühlt von diesem Gedanken fiel ich endlich in Schlaf.

AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK

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