Читать книгу Wirtschaftsspionage - Herbert E Große - Страница 6

Оглавление

6. Kapitel

Nach der zweiten Flasche Weißburgunder bekam Erwin trotzdem Sodbrennen.

Er hatte es geahnt, dass ihm dieser extrem trockene Wein nicht bekommen würde. Nach der dritten Flasche verabschiedete er sich und ging schlafen.

Monika und Helga verstanden sich auf Anhieb und es schien abgemachte Sache zu sein, dass die alleinerziehende Mutter einen neuen Job hat.

Am nächsten Morgen musste Erwin Magentabletten nehmen. Nach dem Frühstück bei Monikas Mutter ging er in die Geschäftsräume der Firma.

Helga saß schon am Schreibtisch und raufte sich die Haare.

Monika empfing Erwin und fragte, ob der Herr Professor gut geschlafen habe. Er nahm sie zur Seite und sagte: „Hören Sie, wenn in Ihrem Laden eine undichte Stelle ist, muss niemand wissen, wer ich bin. Also lassen Sie bitten den Herrn Professor weg.“

Auch Helga bekam diese Order und beide Frauen hielten sich bis zum Mittagessen streng an seine Weisung.

Erwin suchte Maria und ging mit ihr spazieren, um sie davon abzulenken, dass ihre Mutter arbeitete.

Das Mittagessen hatte wieder Monikas Mutter zubereitet. Es war köstlich und typisch sächsisch. Erwin fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt und war zufrieden.

Nach dem Kaffee bat er die Frauen um eine ernste Unterredung. Ein Problem allerdings war Maria. Monika fand eine Lösung und brachte sie zu einer Freundin aus der Nachbarschaft, die einen gleichaltrigen Sohn hatte.

Erwin war bei der Unterredung nicht nur der allwissende Professor, sondern auch der väterliche Freund.

Zu Monika gewandt sagte er: „Wie ich heute Morgen sehen konnte, werden wohl Ihre kaufmännischen Angelegenheiten in besten Händen sein. Ich bin überzeugt, dass Helga alles insoweit richten wird. Nun aber zu Ihren anderen Problemen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat Ihr ehemaliger Partner eine große Anzahl guter Kunden mitgenommen und macht Ihnen das Leben schwer. Offenbar arbeitet einer Ihrer Mitarbeiter mit ihm zusammen.“

Monika nickte und beteuerte, dass sie noch nicht herausgefunden habe, um wen es sich handeln könnte. Außerdem habe sie festgestellt, dass die Gutachten in letzter Zeit sehr lange dauerten und die Kunden zunehmend unzufriedener würden.

„Monika, ich will Ihnen ja nicht zu nahetreten. Wenn Sie wollen, suchen wir den Maulwurf gemeinsam.“

„Ich bin ja so glücklich, dass Sie und Helga hier sind und mir helfen wollen. Ich mache alles so, wie Sie vorschlagen. Sie waren schon früher wie ein väterlicher Freund zu mir.“

„Also, der Fisch fängt immer zuerst am Kopfe an zu stinken. Wir müssen also überlegen, wer Sie in fachlicher Hinsicht berät, beziehungsweise unterstützt“, sagte Erwin und wollte wissen, wer an den unternehmerischen Entscheidungen beteiligt sei.

„Da kommt nur Michael in Betracht. Wir sind so gut wie verlobt und ich vertraue ihm vollkommen.“

„Seit wann kennen Sie ihn und wie arbeiten sie beide zusammen?“

„Ungefähr ein viertel Jahr, bevor mein Geschäftspartner sich von mir getrennt hat, habe ich Michael kennengelernt. Er hatte einen Motorradunfall und dabei seinen rechten Arm verloren. Er war Assistent an der TU-Dresden und ist promovierter Informatiker. Nach seinem Unfall hat er seine Assistentenstelle verloren und ich habe ihn eingestellt, weil wir dringend einen guten Informatiker brauchten. Zurzeit hält er sich zu einer Nachbehandlung in der Klinik auf. Er wird nächste Woche wieder weitermachen.“

„Oh Gott mein Kind, Ihre Probleme sind ja riesig.“

„Sie vermuten doch nicht, dass Michael der Maulwurf in meiner Firma ist? Wenn das der Fall sein sollte, hat alles keinen Sinn mehr.“

„Nein, so kann man das nicht ausdrücken. Sie sind zu jung, um zu wissen, dass gerade hier in der Dresdner Gegend zu DDR-Zeiten jeder verdächtigt war und deshalb bespitzelt werden musste. Damals haben sich sogar Familienangehörige und Eheleute beobachtet und Berichte an die Stasi geschrieben. Gott sei Dank ist diese menschenunwürdige Zeit vorbei. Doch gerade in Ihrer Branche muss man so wie früher alles beobachten. Wie damals müssen wir vorsichtig sein und systematisch vorgehen. Natürlich müssen wir nicht mehr nach politisch Unzuverlässigen suchen. Aber monetäre Gründe und verletzte Eitelkeiten machen besonders heute Menschen zu Verrätern. Das heißt zunächst, dass jeder verdächtig ist“, philosophierte Erwin und fuhr dann fort, dass als Maulwürfe wohl Monikas Mutter, Helga und er selbst ausscheiden dürften.

„Also müssen wir alle anderen überprüfen. Gut, dass Michael diese erste Woche nicht da ist. Bitte erwähnen Sie ihm gegenüber unsere Überprüfung nicht“, erläuterte Erwin weiter und wollte dann wissen, wie viele Mitarbeiter Monika habe.

„Mit Michael insgesamt sechs hoch qualifizierte Uniabsolventen. Alle haben hier an der TU-Dresden studiert und sind im Grunde froh, diesen Job zu haben. Jeder Mitarbeiter erhält einen monatlich recht bescheidenen Mindestlohn und ist am Jahresende am Umsatz beteiligt.“

„Na, dann ist das Mitarbeiterteam besser als ich. Auch ich wollte einmal an der TU-Dresden studieren. Bei der Aufnahmeprüfung bin ich durchgefallen worden, weil ich zwar den schriftlichen Test mit Auszeichnung bestanden, die mündliche Aufnahmeprüfung jedoch nicht geschafft habe“, sagte darauf Erwin.

Monika schaute Erwin nur fragend an und dieser erklärte weiter, dass es an seiner damaligen politischen Einstellung gelegen habe.

„Ich hatte mich in der mündlichen Abi-Prüfung etwas unglücklich über die Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft und den Mauerbau geäußert. Das Abi habe ich zwar deswegen gerade so bestanden, war aber für ein Studium aus politischen Gründen ungeeignet. Das habe ich in der mündlichen Aufnahmeprüfung an der TU sehr bald schmerzlich erfahren müssen. Ich sollte fachliche Fragen beantworten, bei denen ich noch heute als Professor Schwierigkeiten hätte. Als mir dann auch noch herausrutschte, dass ich glaubte, das Fachwissen an der Uni erst erlangen zu können und nicht davon ausgegangen sei, dass man solches Wissen schon mitbringen müsste, war die Messe gelesen.“

Monika erinnerte sich, einmal eine wissenschaftliche Abhandlung gelesen zu haben, in der genau dieses Problem behandelt wurde und mit dem Ergebnis endete, dass die ehemalige DDR, beziehungsweise der Sozialismus, insbesondere daran gescheitert sei, weil die halb- oder ungebildeten Parteiführer Angst vor der Intelligenz hatten und deshalb das Studium des Marxismus/Leninismus höher bewerteten als das Fachwissen.

Erwin winkte ab, weil er eine solche Diskussion leid war. Jetzt wollte er von Monika wissen, was genau für die Kunden begutachtet würde.

„Man kann es auf einen Nenner bringen. Einmal prüfen und begutachten wir, wie schnell der Käufer die Sollbruchstelle finden kann. Zum anderen überprüfen wir extern die Arbeit der Entwickler unserer Kunden. Also genau das, was ich bei Ihnen studiert und gelernt habe.“

„Na, dann dürften wir beide ja in fachlicher Hinsicht keine Verständigungsprobleme haben, Frau Doktor.“

Monika schaute Erwin wegen der Anrede mit „Frau Doktor“ erstaunt an.

Nach kurzer Zeit sagte Erwin: „Lassen Sie es uns wie folgt anstellen: Wir sagen zunächst alle Du zueinander. Ich werde als Helgas altersseniler Vater fungieren. Monika sorgt dafür, dass mich keiner hänselt und ich als Depp im Betrieb alles darf und notfalls auch ungestraft durcheinander bringen kann. Helga verhält sich wie die neue gleichberechtigte Chefin neben Monika. Demjenigen, der mich veralbern will, wird die Kündigung angedroht. Alle Mitarbeiter haben mich so zu nehmen und zu behandeln, wie ich es für richtig halte. Und noch eine ganz wichtige Bitte: Michael darf von unserem Deal noch nichts erfahren. Je weniger eingeweiht sind, je eher finden wir den Maulwurf.“

Monika hatte ihren alten Professor ganz genau verstanden und erklärte ihrer Mutter alles noch einmal.

„Hoffentlich verliere ich Michael bei der ganzen Aktion nicht, weil ich ihm nicht vertraut habe.“

“Monika, wahre Liebe hält so etwas aus, glauben Sie - ach Mist - glaube mir.“

Helga verstand offenbar nur „Bahnhof“, widersprach aber nicht.

„Ich erkläre Dir heute Abend alles genau. Funktionelle Obsoleszenz war an der Uni mein Spezialgebiet. Bei dieser Produktionsmethode wird nur mit harten Bandagen gefochten. Und jetzt kann ich endlich in der Praxis beweisen, was ich theoretisch gelehrt habe. In dieser Branche gibt es keine Freunde.“

Am späten Abend saßen Helga und Erwin noch zusammen. Monika besuchte eine Freundin, Maria schlief schon und Monikas Mutter schaute im Fernsehen einen Film.

Wirtschaftsspionage

Подняться наверх