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7. Kapitel

Es war Anfang August und die Saison tobte.

Henri, Paul, Franz und Renate aßen zusammen im „Le Carrefour“ zu Mittag.

Der Wirt beschwerte sich über die Touristen, die zurzeit sein Restaurant besonders zahlreich besuchten. Es ging nicht um deren Verhalten, sondern um die viele Arbeit, die der Wirt und seine Frau jetzt hätten.

Paul übersetzte, was der Wirt erzählte und Franz antwortete voller Überzeugung, dass der Wirt froh sein solle, weil er jetzt viel Geld verdienen könnte.

„Woher wollen sie denn wissen, dass der Wirt viel Geld verdienen will?“, fragte Henri.

„Was ist denn das für eine blöde Frage? Jeder will doch so viel Geld wie möglich verdienen“, antwortete Franz und Renate bestätigte ihren Ehemann.

„Ich kenne eine Menge Leute, die ohne viel Geld zufrieden leben und dabei glücklicher sind als diejenigen, für die Geld das Maß aller Dinge ist“, erwiderte Henri.

Jetzt mischte sich Paul ein und sagte, dass man im Leben auf alles verzichten könne, nur nicht auf den Luxus.

Franz verstand diesen Satz nicht und sagte: „Ihr wollt uns bloß wieder verscheißern, ihr Spinner“, und Renate nickte erneut zustimmend.

„Aber nicht doch. Seht einmal! Für den einen bedeutet Geld Luxus; ein anderer ist glücklich, wenn er am Nachmittag mit anderen Männern am Dorfbrunnen sitzen und schwätzen kann. Dazu braucht er kein Geld. Wieder ein anderer ist glücklich, wenn er auch in seinen abgetragenen Kleidern gut essen und trinken kann“, fuhr Paul fort.

„Wir würden uns niemals in abgetragenen Kleidern in ein Restaurant setzen. Man muss einigermaßen die Formen einhalten“, sagte jetzt Renate und Henri bemerkte auf Französisch, dass die beiden zwar eigenartig gekleidet seien, aber nicht wüssten, was man essen kann.

Franz ergänzte seine Frau und sagte: „Klar, die deutschen Urlauber lassen hier ihr sauer verdientes Geld, und der Wirt ist zu faul, sie ordentlich zu bedienen.“

Paul hielt seinen Zeigerfinger vor die Lippen und versuchte, die beiden zu beruhigen.

„Der Wirt ist ein typischer Südfranzose. Ein bescheidener Wohlstand reicht ihm, wenn er nur gut essen und trinken kann. Er könnte auch aus dem Süden Italiens oder aus Spanien stammen. Die Südländer sind so, was die Nordeuropäer, insbesondere die Deutschen, nicht verstehen können. Trotzdem machen sie hier ihren Urlaub und hätten es am liebsten, wenn es wie zu Hause wäre“, erklärte Paul weiter.

„Aber unser Geld wollen sie haben. Dafür können sie sich auch etwas anstrengen und uns so bedienen, wie wir das wollen“, erwiderten beide fast gleichzeitig.

Jetzt sagte Henri in einem einwandfreien Deutsch, was Franz und Renate gar nicht registrierten, dass es die reichsten Europäer in Barcelona und Rom gäbe. Die Deutschen seien dagegen arme Schlucker und würden gar nicht merken, dass sie niemand leiden könne und dass sie stets und überall im Urlaub nur beschissen würden.

Franz und Renate bemerkten nicht einmal die Worte „arme Schlucker“ und „beschissen würden“.

„Und warum sind wir Deutschen die Reiseweltmeister und arbeiten in Europa am längsten und am härtesten?“, fragte Renate.

Henri antwortete wieder auf Französisch: „Weil ihr blöd seid und nicht verstehen könnt, dass die Welt nicht am deutschen Wesen genesen will. Ihr freut euch offenbar, wenn ihr eintausend Euro verdienen könnt, und ich freue mich, wenn ich sie ausgeben kann.“

„Was hat er gesagt?“, fragte Franz und Paul antwortete, dass er ihnen recht gebe und nur gemeint habe, dass die Menschen unterschiedlich seien.

Jetzt servierte, Gott sei Dank, der Wirt das Essen.

Während des Essens fragte Henri, was Franz in der DDR beruflich gemacht habe.

„Nuh, nach`m Militärdienst habe ich an der TU in Dresden studiert und bin Betriebsleiter einer Waggonbaufirma geworden“, erzählte dieser stolz.

„Wie lang war denn ihr Militärdienst?“, fragte Henri auf Deutsch und wollte auch gleich wissen, bei welcher Einheit Franz gedient hätte.

„Drei Jahre bei den Grenztruppen. Ich hab`s bis zum Gruppenführer gebracht.“

„Oh mein Gott, da mussten sie auf ihre eigenen Landsleute schießen. Sie haben hoffentlich keinen erschossen, oder?“

„Erschossen hab ich ken, aber meine beden Untergebenen hatte ich beim Streifengang immer im Blick.“

„Und hätten sie geschossen?“

„Klar, ein Flüchtling wäre ein Grenzverletzer gewesen. Außerdem standen überall Schilder, dass die Grenze Sperrgebiet ist. Und lesen konnten alle in der DDR. Es gab keine Analphabeten wie im Westen.“

„Warum hieß die Grenze antifaschistischer Schutzwall?“, wolle Henri jetzt von Franz wissen.

„Die DDR war ein sozialistischer Staat, den die Faschisten mit allen Mittel bekämpften und der geschützt werden musste, auch durch eine sichere Grenze“, antwortete jetzt Renate voller Überzeugung.

„Das verstehe ich recht gut. Nur konnte doch jeder Faschist einfach und offiziell in die DDR einreisen. Ich war auch einmal in Ostberlin und habe mir für wenig Geld viele Bücher gekauft. Bei meiner Ein- und Ausreise wollte kein Grenzschützer wissen, ob ich ein Faschist bin“, sagte Henri.

„Paperlapap und Pillepalle. So ist das nicht gewesen“, antwortete Renate und Franz ergänzte ebenfalls voller Überzeugung, dass die DDR-Wirtschaft auch vor Schmarotzern geschützt werden musste.

„Die meisten Flüchtlinge haben eine kostenlose und gute Ausbildung in der DDR genossen und sind mit diesem Wissen in den Westen, das hält ein Staat nicht lange aus“, ergänzte Franz.

„Ich stelle mir gerade vor, dass sie unseren Paul an der Grenze erschossen hätten. Dann könnten wir hier gar nicht gemütlich zusammensitzen“, sagte Henri.

„Was hat der denn mit der Grenze zu tun?“

„Wissen sie denn nicht, dass Monsieur Paul auch aus der DDR geflüchtet ist?“

„Das ist was anderes, der ist über Bulgarien abgehauen“, mischte sich Renate ein.

„Das leuchtet ein“, sagte Henri, weil er die Sprüche nicht mehr hören konnte.

Paul war erleichtert, dass diese Art der Unterhaltung aufhörte, weil er Schlimmeres befürchtete.

Nach dem Mittagessen kam Henri auf die Idee, „unten“ in Argelés auf der Uferpromenade den Nachmittag zu verbringen. „Aber bitte ohne die beiden!“, sagte er auf Französisch.

„Was hat er gesagt?“, fragte Renate.

„Er will runter zum Strand“, antwortete Paul.

„Was will er den dort?“

„Fleischbeschau machen“, warf Henri auf Deutsch ein.

„Was ist denn Fleischbeschau?“, fragten fast gleichzeitig Franz und Renate.

Etwas provozierend antwortete er erneut auf Deutsch, indem er erklärte, dass man halb nackte junge Weiber anschauen wolle.

Das war Anlass für Franz und Renate sich erbost zu verabschieden. Henri war erleichtert.

Auf der Fahrt zum Strand beruhigte sich Henri und es versprach, ein schöner Tag zu werden.

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