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1.4 Anmerkungen zur Rezeption der Romane Cécile Wajsbrots in Frankreich und Deutschland

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Roswitha Böhm und Margarete Zimmermann haben bereits ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich bzgl. der Rezeption der Romane Cécile Wajsbrots deutliche Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland abzeichnen.1 Da eine gründliche und belastbare Antwort empirische Studien, die im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten sind, voraussetzte, seien hier nur zwei Beobachtungen zitiert, die erkennen lassen, dass die Erinnerung an den Holocaust in Frankreich und Deutschland bis in die jüngere Vergangenheit sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrief.

Bereits 2001 vermutete Katja Schubert, dass ein Roman wie La Trahison aufgrund der „[…] direkte[n] Auseinandersetzung im Frankreich der 90er Jahre zwischen einer Jüdin und einem Nichtjuden […] von einem französischen Publikum auch als eine Provokation und als eine neuartige, jedoch weitgehende Hinterfragung der eigenen Geschichte gelesen werden [konnte]“2. Das besondere deutsche Interesse für jene Romane Cécile Wajsbrots hingegen, die sich mit einer historischen Thematik auseinandersetzen, mag sich aus einem Phänomen erklären, das sie selber sehr bewusst wahrgenommen hat. Im ersten Kapitel ihrer Essaysammlung Berliner Ensemble zeigt sich die zwischen Paris und Berlin pendelnde Autorin angesichts des Berliner Stadtbildes dermaßen beeindruckt „[…] par la présence du passé, des plaques commémoratives rapportant les événements les plus sombres et par la croyance – concrétisée par le nombre de grues et de chantiers – en un avenir“, dass sie sich fragt: „Où est le présent?“3 Und in einem Gespräch mit Hélène Cixous stellt sie in einem Rückblick auf ihre inzwischen dreizehn Berliner Jahre fest, dass es in dieser Zeit wohl keinen einzigen Tag gegeben habe, an dem die Zeitungen oder das Radio nicht auf den Nationalsozialismus oder die Judenvernichtung – l’extermination – hingewiesen hätten. Zumindest zu Beginn habe sie für diese Einstellung eine stärkere Affinität empfunden als für „[…] l’amnésie et la bonne conscience – ou faut-il dire l’inconscience mauvaise – françaises“4. Unstrittig ist, dass in Deutschland aufgrund der historischen Schuld des Landes die Sensibilität für Themen, die auf den Holocaust bezogen sind, stärker ausgeprägt ist als in Frankreich, das seine durch die Kollaboration herbeigeführte Verstrickung in den Holocaust bekanntlich lange verdrängt hat.

Im Hinblick auf L’Île aux musées, den zweiten Haute Mer-Roman, stellen R. Böhm und M. Zimmermann die Frage, ob die schwache Resonanz in Frankreich der „[…] allzu radikalen ‚Verstimmlichung‘ und ‚Entkörperung‘ der Protagonisten, die für manchen Leser blass und konturenlos bleiben“,5 geschuldet sei. Im Übrigen dürfe man „gespannt sein“, ob das Interesse für die Romane Cécile Wajsbrots auf französischer Seite wachse, sobald der – mittlerweile immerhin in vier Bänden vorliegende – als Pentalogie geplante Haute Mer-Zyklus vollständig vorliege. Angesichts der Experimentierfreudigkeit der Autorin, die sich im Laufe ihrer Entwicklung immer stärker einer abstrakt-theoretischen Thematik zugewandt hat und deren sich von Roman zu Roman verändernde Erzählweise dem Leser eine beträchtliche Verstehensleistung abverlangt, ist (leider) weder für Frankreich noch für Deutschland zu erwarten, dass die Romane Cécile Wajsbrots Auflagenrekorde erzielen werden.

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots

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