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1 Weshalb dieses Thema ?

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Es gibt drei Gründe, um sich aus heutiger Sicht mit Trotzki und Trotzkismus zu befassen. Erstens hat die ideologische Linienführung der KPdSU mittels des Kurzen Lehrganges der Geschichte der KPdSU in allen damals in der Kommunistischen Internationale und später im Kominform-Büro vereinigten Parteien ein fest umrissenes Bild von Trotzki und Trotzkismus geschaffen. Dieses Bild galt auch in der DDR.

Aber auch nach der Offenlegung von Stalins Verbrechen und seiner theoretischen und ideologischen Verzerrungen sind noch manche Reste der damals geschaffenen Klischees in Bezug auf Trotzki und Trotzkismus vorhanden. Das macht eine Klärung vieler offener Fragen notwendig.

In diesen Zusammenhang gehört auch, dass sich in Gesprächen mit jungen, politisch und theoretisch interessierten Kräften zeigt, dass sie über Trotzki und seine Rolle in der Geschichte der Arbeiterbewegung nur sehr verschwommene Vorstellungen haben. Mit dem Begriff »Permanente Revolution« können sie in der Regel gar nichts anfangen. Nun kann man nicht erwarten und auch nicht verlangen, dass sie zu den drei Bänden von Isaac Deutschers Trotzki-Biographie oder zu der in zwei dicken Bänden vorliegenden von Pierre Broué greifen. Es ist also durchaus sinnvoll, ihnen eine bei aller gebotenen Knappheit gründliche marxistische Analyse von Person, politischem Wirken und Theorie sowie bis heute anhaltender Wirksamkeit in die Hand zu geben.

Zweitens ist der Trotzkismus zu einem Bestandteil der internationalen Arbeiterbewegung geworden, hat eine neue Internationale gegründet und sich in vielen Ländern etabliert – insbesondere in den USA, in Irland, Frankreich und Großbritannien. Es gibt aber auch eine deutsche Sektion. Dabei ist bemerkenswert, welch umfangreiche agitatorischen und propagandistischen Aktivitäten entfaltet werden. Der damit verbundene Anspruch wird von Alan Woods im Vorwort zu einer 500 Seiten umfassenden Schrift formuliert: »Wenn diese Anthologie aber eine neue Generation dazu motiviert, sich mit Trotzkis Schriften und Ideen zu beschäftigen, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Sache des Marxismus im 21. Jahrhundert.« [3]

Welche Rolle der Trotzkismus in der heutigen Auseinandersetzung spielt, wie sich seine Programmatik von anderen antikapitalistischen Strömungen abhebt und wie dies von marxistischer Position aus einzuschätzen ist, bedarf ebenfalls der Klärung.

Drittens wird in vielen Analysen des Scheiterns des osteuropäischen Sozialismus angeführt, dass Sozialismus in einem Lande grundsätzlich nicht möglich sei. Als Lehre aus diesem Scheitern wird von Lucy Redler angeführt: »… Sozialismus in einem einzelnen Lande kann es nicht geben.« [4] Exakt gefasst wird wiederholt: »Unterm Strich ist es nicht möglich, in einem auf sich gestellten und wirtschaftlich wie kulturell rückständigen Land Sozialismus zu schaffen«.[5] Auch Gerhard Zwerenz meint: »Aus heutiger Perspektive betrachtet ist Stalins These vom Sozia­lismus in einem Land nachhaltig gescheitert…« [6] Und Harald Neubert meint, dass »… Sozialismus nur in seiner pluralen, internationalen und ökologischen Dimension denkbar ist…« [7] Diese Auffassungen kommen der Trotzkischen Polemik gegen Stalins Konzeption des Sozialismus in einem Lande sehr nahe. Da es daneben auch andere Vorstellungen gibt, ist auch über diese Problematik neu nachzudenken.

Trotzki und Trotzkismus - gestern und heute

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