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1. Atemloser Kuss

Die drahtige Marie aus München durfte mit ihrer frühpensionierten Mutter Rosi als Kleinkind schon immer wieder an die Nordsee reisen. Der Hauptgrund war die schwere Asthmaerkrankung der Mutter mit Pollenallergie. Marie liebte als Kind die wiegenden Wellen der Nordsee, die erfrischenden Winde und ein empfundenes Lustgefühl bei den Schreien der Möwen. Der Vater ein höherer Beamter war schon früh verstorben. Er hinterließ neben einem tiefen Herzschmerz eine beträchtliche Witwenrente. Trotz ihrer Krankheit hatte Rosi als Alleinerziehende ihre Tochter so gut wie möglich gefördert und immer geliebt. Marie musste aber auch selbst schon früh ran und stark sein.

Sie suchte ihre Lebensfreude und einen Ausgleich im Sport und fand ihren Traumberuf, die Physiotherapie. Das Examen bestand sie glänzend und arbeitete danach im Krankenhaus. Sie half aber auch der Mutter im Haushalt mit. Vielleich musste deshalb die Liebe zu einem Mann noch warten. Ihre Freundin Susi hatte ihr von ihrem Freund Max erzählt und wie phantastisch ihr Leben dadurch sich gewandelt habe. „Ach Susi du Glückliche. Ich muss einfach noch warten. Ich bin mir sicher: Der wahre Glückspilz kommt auch noch zu mir.“

„Marie aber nicht bis zu deinem vierzigsten Geburtstag warten.“ Beim Urlaub am Meer vor einem Jahr, der die Atembeschwerden der Mutter wieder schnell linderte, merkte diese aber mit Schrecken, dass sie auch Garnelen und Fischgerichte nicht mehr vertrug und nach weißem Fischfleisch heftige Asthmaanfälle bekam. Sie empfahl daher ihrer Tochter, nur noch Gemüse und Fleisch zu essen.

“Weißt du-auch meine Mutter litt an Allergien. Ich will nicht, dass du auch noch daran glauben musst. Es ist nur schrecklich.“ Hing plötzlich Asthma für beide wie ein Damoklesschwert über ihnen? Ein Arbeitskollege lud sie in ein Fischrestaurant ein. „Ich vertrag keinen Fisch“, war ihre Antwort und spürte Wut und gleichzeitig Tränen in ihren Augen. „Diese Krankheit schafft nur Distanz“, schluchzte sie. Zwei Jahre nach ihrer Ausbildung - da war sie dreiundzwanzig, sagte sie der Mutter mit einem entschlossenen Blick: „Mama ich muss endlich etwas nur für mich selbst machen. Ich möchte diesmal allein an die Nordsee reisen. Zu Hause können sich deine Freundin und eine polnische Hilfskraft um dich kümmern. Die Beiden helfen dir beim Einkaufen und im Haushalt. Du bist ja noch weitgehend selbständig. Ich will mich um eine Physiotherapiestelle in der Klinik auf der Insel Helgoland bewerben.“ Die Mutter verstand dies nach kurzem Erschrecken und umarmte sie: „Danke Marie- wir werden täglich telefonieren.“

Marie fühlte sich am Meer auf Helgoland wie befreit und joggte schon bei frühem Sonnenaufgang im weichen Schlick des Wattenmeers. Sie spürte lustvoll ihre Zehen und ihren trainierten Körper. Sie fand ihn schön und stark. Auch mit ihrer Mutter war sie schon vor vielen Jahren dort gewesen, wenn auch nur am Hafen. Der Mutter war der Aufstieg zu den Wahrzeichen der Insel, den roten Felsen einfach zu anstrengend gewesen. Klopfenden Herzens reichte sie ihre Zeugnisse für eine Bewerbung an der dortigen Parkinsonklinik ein. Nach einem Vorstellungs-Gespräch wurde sie als Physiotherapeutin eingestellt. Heraus aus dem lärmigen München mit den erhöhten Stickoxyd-Werten wollte sie schon länger. Sie joggte fast lustvoll zu den steilen roten Felsen hoch. Neugierig wollte sie die aus Schottland eingewanderten ihr nur vom Hörensagen bekannten Basstölpel sehen.

Sie schaute fasziniert auf diese Vögel, wie sie Minuten lang mit einander schnäbelten und sich dann entweder paarten oder das Weibchen das Männchen mit einem Schnabelhieb einfach wegstieß.

„Wunderbar“, dachte sie, „da kann ich ja noch was dazu lernen. Als Frau bestimme ich ganz allein, wer mit mir schnäbeln darf.“ Sie wartete allerdings immer noch auf den Richtigen. Das Wohl der Mutter hatte wohl bis jetzt die Glückshormone Serotonin und Oxytocin ausgebremst und sogar deaktiviert? Das Glück kam dann doch noch. Marie verliebte sich in der Klinik in einen Assistenzarzt – er hieß Michael. Michael war ein großer Mann und wie sie knackig, schlank und blondlockig. Er war Friese mit einem ironischen Blick und einem hintergründigen Humor. Sie passten auf den ersten Blick gut zusammen. Beide liebten sie die Natur, das Meer und genossen die Fahrten auf andere friesischen Inseln. Dort wie am heimischen Strand besuchten sie die bekannten Fischrestaurants. Michael fragte sich heimlich schon länger, warum sie nur Vegetarisches oder Huhn bestellte. Marie kam seiner Frage zuvor.

„Michael-ich sehe es an deinem Blick: Du wunderst dich, warum ich keinen Fisch esse. Ich leide an ererbter Fischallergie – so jedenfalls meine Mutter.“ Er schaute sie erstaunt, aber sogleich auch ironisch schmunzelnd an und dozierte dann sachkundig:

“Allergie ist ein sehr komplexes Phänomen: Genetische und Umweltfaktoren und wo man aufwächst, spielen dabei eine Rolle. Wir klären das beim Allergologen ab. Du bist doch nicht vollständig in die Haut deiner Mutter geschlüpft.“

„ Da bin ich gespannt, wie tief verbunden ich genetisch bin?“

„Die Asthmaanfälligkeit wird, wenn nicht beide Eltern betroffen sind, nur zu fünfzehn Prozent von den Eltern auf die Kinder übertragen. Außerdem hast du mir doch erzählt, dass du dich als Kleinkind gerne bei deinem Onkel im Kuh-und Pferdestall aufgehalten hast. Das ist ein Glücksfall. Der wurde – was für ein Zufall-an deiner Heimatstadt München aufgedeckt. Der schmutzige Staub mit den Mikroorganismen und Toxinen in den Kuhställen stimuliert ein schützendes Enzym A20, das das Immunsystem unempfindlicher gegen Allergene macht. Die Immunzellen werden trainiert und verhindern eine Überreaktion auf Allergene. Fachsprachlich heißt das: Natürliche Desensibilisierung.“

„ Heißt das mit einfachen Worten, dass Bauernkinder ganz selten Asthma bekommen?“

„So ist es. Wir beenden deine Ängste und machen einen Termin beim Allergologen.“ „Danke!“

„Nichts zu danken. Ich möchte doch mit Genuss mit dir Fisch essen und dich danach küssen dürfen. Außerdem kenne ich das Problem Allergie sehr genau. Es war das Thema meiner Doktorarbeit. Ich wurde sogar für acht Wochen an das weltweit berühmteste immunologische Institut in La Jolla nördlich von San Diego in Kalifornien geschickt.“ „Du bist ein Glücksprinz.“ Als die Allergietestung bewiesen hatte, dass sie nicht auf weißen Fisch allergisch war und vor allem auch keinerlei Überempfindlichkeit der Bronchien hatte, küsste sie ihn leidenschaftlich, obwohl er zuvor Krabben gegessen hatte. Marie strahlte noch mehr, als sie selber gierig mit Lust ohne Nebenwirkungen in weißes Fischfleisch gebissen hatte. Sie fühlte sich wie befreit.

„Michael-wie toll. Ich habe mich endgültig von meiner Mutter abgelöst. Das hätte ich ja schon nach der Pubertät tun sollen.“

„ In der Tat. Du bist jetzt ganz du selbst und nicht mehr Teil deiner Mutter.“

Der eingebildete, von der Mutter inszenierte Albtraum der Nahrungsmittelallergie war vorbei. Sie rief sogleich ihre Mutter an:

“Mama ich bin von der Allergieangst befreit. Ich habe mich durchtesten lassen. Bei mir besteht keinerlei Allergieneigung, keine Überempfindlichkeit der Bronchien und schon gar keine Fischallergie.“ Die Mutter klang erleichtert: „Toll – da fällt mir ein Stein vom Herzen. Ich fühlte mich schon wegen meiner Gene an dir mitschuldig. Ich hoffe aber, dass du mich weiterhin liebst. Sag mir doch bitte, wann ich dich einmal an deinem pollenfreien Ort besuchen darf.“

„Ruf doch einfach an, wann du kommen willst. Dann lernst du auch meinen Freund kennen.“

Am Tag darauf zeigte Michael ihr eine Einladung zu einem Kongress nach Saint Paul im US. Bundesstaat Minnesota mit dem Thema: Genetische Aspekte von Asthma bronchiale. Marie überflog die Zeilen: „Da Sie über Parvalbumine als Allergene beim weißen Fischfleisch geforscht haben, bitten wir Sie, dort ihre Ergebnisse vorzutragen.

Flug und Unterkunft sind gesponsert. Für Familienangehörigen können wir aber die Kosten nicht übernehmen.“ Michaels Stolz konnte Marie an seinen Augen sehen. Sie verbarg die Enttäuschung, nicht mitfahren zu dürfen, hinter einem Lächeln und setzte noch eins drauf. „Wenn Du zurückkommst, habe ich eine Überraschung für Dich.“ Michael hob kurz die Augenbrauen:

“Ich frag jetzt aber nicht nach. Du wirst doch nicht dem Hype hier verfallen und dich in einen von den muskelstrotzenden Paragliding Trainer verlieben?“

„Michael - wart ab und schau mir in die Augen.“

Sie umarmte und küsste ihn leidenschaftlich. Er streichelte ihren knackigen Hintern und flüsterte: “Marie mein Traum. Wie kann ich es ohne dich aushalten?“ Michael flog am nächsten Tag nach Amerika. Marie war abends schon eingeschlafen, als er sich von Amerika auf Face Time bei ihr meldete:

„Hi du Schöne-ich bin in einem Hotel außerhalb der Stadt St. Paul gelandet. Für Amerika paradigmatisch ist dort alles riesig: Die Rindersteaks, die Biergläser und nicht zuletzt die Bierbäuche: America first and very big. “ Eine technische Störung beendete nach diesem Satz ihr Gespräch. Oder war es die CIA? Marie musste über ihre Assoziation selber lachen.

„So was passiert doch nur in China“, dachte sie. Am nächsten Morgen zog sie ihre Sportkleider an. Sie hatte eine Woche freigenommen und wollte, wie schon länger geplant, einen Paragliding Kurs machen. Dass Michael im Scherz an so etwas gedacht hatte, hatte sie schon einmal bei ihm erlebt. Er war einfach ein Arzt mit einem siebten Sinn. Sie ging an den Südstrand.

“Ist noch ein Platz fürs Paragliding frei“? fragte sie eine weißblonde ältere Frau in einer hölzernen Servicebude.

„Ja Sie Glückspilz. Gleiten Sie zum ersten Mal oder sind Sie schon advanced glider?“

„Zum ersten Mal!“

„Dann habe ich für Sie den Jens, unseren jüngsten aber sehr erfahrenen Lehrer.“ Sie winkte dem jungen Mann zu.

„Diese junge Dame will ihren Traum zu fliegen heute noch mit dir erfüllen.“ Jens kam lächelnd näher und küsste ihre Hand. Das fand sie als Zeichen der Achtung und Wertschätzung. Das war ihr zum ersten Mal passiert. Dies hätte eigentlich eher zu einem schnauzbärtigen schrulligen Alten und nicht zu diesem jungen blondlockigen Burschen gepasst. Sie lächelte ihn wie einen Witzbold an, während sie an den Strand gingen.

“Nur einen Augenblick“, sagte er und rannte zu einem Schuppen in der Nähe und kam mit dem Gleitfluganzug für sie zurück. Er passte routiniert die Gurte an. Dass er dabei ihre Brüste nicht versehentlich kurz berührte, sondern diese mit scheinbar völlig unbeteiligter Miene streichelte, brachte sie doch aus der Fassung: „Es soll ein Ausflug in die Lüfte und nicht auf meine Brüste werden.“

„ Sorry- War das so schlimm?“

„Ich mag das nicht und sag das nur einmal!“ Sein Gesicht zeigte keine Regung und legte jetzt die Gurte an, ohne ihre Brüste wieder zu berühren.

„Los geht es! Wir stellen uns gegen die ansteigende Düne hinter uns und laufen bei der nächsten Windbö los, sodass wir vom Boden abgehoben werden.“ Marie saß im Tandemsitz vor ihm. Es wurde für sie ein echter Kick. Sie stieß dabei laute Lustschreie aus. Jens steuerte den Gleitschirm am Strand entlang und dann einige Meter auf die See hinaus. Als sie eine Höhe von 30 Meter erreicht hatten, sah sie eine Hallig in der Ferne und eine Fähre. Ihre Seele schwebte mit. Nach dreißig Minuten landeten sie sanft an der Ausgangsstelle. Als er sie von den Gurten befreite, küsste er sie auf den Mund, den sie reflexhaft zudrückte. Seine gierige Zunge suchte wie eine schnelle Eidechse ein Schlupfloch ihre verschlossene Mundöffnung. Sie kickte ihm zwischen die Beine, sodass er zu Boden ging und brüllte ihn an: „Ist das die Bezahlung für deinen Einsatz? Dabei war der Flug so himmlisch. Der Luzifer in dir scheint das leider noch nicht bemerkt zu haben.“

„Lasst uns nicht über meinen Luzifer reden, sondern was Leckeres essen. Ich lad dich dazu ein. Dann können wir über alles snaaken.“

Marie blieb ärgerlich stehen, war unschlüssig, was sie tun soll und rannte dann abrupt zur Servicestelle. Die ältere Frau schaute sie erstaunt an, als Marie sagte:

“Bitte einen anderen Trainer. Der Jens fasste mir an die Brüste und wollte mich gewaltsam küssen.“ Die Frau brach in Tränen aus und gestand ihr schluchzend:

„Der Jens ist mein Enkel- ein Vollweise. Seine allein erziehende Mutter ist schon lange tot. Ohne ihn kann ich hier dicht machen. Derzeit ist auch kein anderer Trainer frei.“ Zurück zu Jens sagte sie:

„Ich gehe nur zum Essen mit, wenn du dich ab jetzt anständig benimmst.“ Das schluckte er. Sie musste zuerst zur Toilette. Dort schaute sie in den Spiegel und dachte: “Was will ich? Ihn bekehren?- Absurd- Mein verdammtes an der Mutter geübtes Helfersyndrom kommt wohl immer wieder durch! Glaube ich wirklich, dass er sich zu beherrschen lernt? Aber hatte nicht der Philosoph Kant behauptet, Menschen seien von Haus aus nicht böse? Aber Männer sind für mich Neuland. Nur Michael kenne ich und den auch nur ein wenig.“ Sie fühlte sich wohl auch zu schönen Männern hingezogen.

„Was bedeutet es, dass meine Brustwarzen sich aufgerichtet haben, als er mir den Gurt anlegte?“ Da sie ihm körperlich gewachsen war und sich zu wehren weiß, legte sie ihre Bedenken ab. Schließlich war sie auch ziemlich hungrig. Fast war sie wieder versöhnt, als sie das auf einem Steg gelegene romantische Lokal betreten hatten. Jens benahm sich anständig, bestellte ein Lammfilet und hob fröhlich sein Glas mit Rotwein. Marie nahm ein Schollenfilet mit Weißwein. Sie sprachen über ihre Berufe, die ja beide mit Sport und Körperertüchtigung zu tun hatten. Er erzählte, dass er mit seinem Vater zum ersten Mal vor Australien bei New South Wales- im Gleitschirm gesessen habe. Seine Mutter habe er schon früh verloren.

„Mein allein erziehender Vater wurde für mich Freund, Stütze und Lehrer. Leider ist er vor drei Jahren auch schon gestorben.“

„Welche Parallele! Bei mir spielte meine Mutter diese Rolle.“ Aber sie dachte zugleich, warum er denn beim reden immer auf ihren Busen starrt. Sucht er denn bei jeder Frau seine als Kleinkind verlorene Mutter?

Sie sagte ernst: „Jens deine Sucht, Frauen begrabschen zu müssen, ist eine tiefsitzende Neurose und kann nur, das glaub ich fest, durch eine Psychoanalyse gebessert werden.“

„Absurde Vorstellung - aber vielleicht fehlt mir tatsächlich die so früh beendete mütterliche Beziehung.“ Er wirkte jetzt nervös. Seine unruhigen Beine und Finger zeigten die von ihm nicht wahrgenommene innere Spannung. Das Grinsen auf seinem Gesicht passte aber so gar nicht dazu.

„Jens – nur so viel: Frauen wollen respektiert werden und selber Nähe und lustvolle Berührungen mitbestimmen. Bis jetzt hast du mich ja nur geküsst und meine Titten gestreichelt. Das spricht tatsächlich dafür, dass du wie ein Baby zwanghaft deine Mutter berühren willst. Solltest du deinen Trieb penetrieren wollend ins Rollen bringen, wirst du es bitter bereuen. Einmal haben deine Eier ja meinen Kicktritt schon kennen gelernt.“

„Du bist wirklich brutal. Danke trotzdem für deine didaktische Einheit. Aber ist nicht jeder – auch du neurotisch?“ Als sie darauf nichts sagte, stand er auf, bezahlte an der Kasse für beide und murmelte: „Dann sehen wir uns morgen nach dem Mittagessen.“

“Ja nur, wenn du dich im Griff hast.“

“Keine Angst, keine Angst Rosmarie.“

“Igitt-Du meinst wirklich, dass du mit diesem alten Seemanns - Shanty deine krankhafte Gier wegsingen kannst?“ Jens grinste nur blöd und sagte dazu nichts, so dass auch sie aufstand.

“Tschüss Jens- bis morgen.“ Sie wollte am nächsten Tag nicht noch einmal mit ihm Essen gehen. Vor dem Training am frühen Nachmittag genoss sie in Ruhe ihre neuerliche Lieblingsspeise, ein fangfrisches Rotzungenfilet. Beim Gedanken daran lächelte sie. Sie ahnte jetzt bereits, dass der Jens keinen Fisch vertrug. „Wenn er mir gegen meinen Willen einen Zungenkuss gibt und Folgen spürt, ist er selber schuld.“ Als sie sich mit ihm traf, hatte sie noch einen intensiven Fischgeschmack auf der Zunge.

„Marie - heute ist ein Glückstag. Wir haben heute mehr Aufwind als gestern. So können wir noch etwas weiter ins Meer hinaus fliegen.“ Nach dreißig Minuten Flugtraum setzten sie sanft vor der Düne auf.

“Danke Jens für diese herrliche Tour. Er lachte lauthals los und umarmte sie heftig, drückte dann seinen Unterleib an sie– sie spürte deutlich seine Erektion und seine zuckende Zunge fuhr in ihren Mund. Bevor sie ihm zwischen die Beine schlagen konnte, ließ er davon ab und griff sich an den Hals. Seine Ein-und Ausatmung wurde qualvoll pfeifend. “Was ist los?“

“Luft!“ Sie nahm das Handy und wählte die 112. Am Strand waren die Sanitäter schnell vor Ort. Sie setzten ihm eine Sauerstoffmaske auf. Als sie die geschwollenen Lippen sahen und gequälte Ein-und Ausatmungstöne hörten, gaben sie ihm unter die Haut eine Spritze mit Adrenalin und intravenös Cortison und ab ging es zur Klinik nur zwei Kilometer entfernt. Marie erfuhr über ihr Telefon, dass Jens auf der Intensivstation gelandet war. Sie besuchte ihn dort und war sichtlich erleichtert, als sie ihn nicht intubiert und sogar lächelnd im Bett sah. Bei ihrem Anblick schlug er die Augen nieder und weinte.

“Danke für deine schnelle Hilfe. Es war wirklich knapp. Hast du denn zuvor Fisch gegessen?“

“Ja warum?“

“Weil ich seit Jahren zunehmend heftiger darauf reagiere. So heftig war es aber noch nie. Ich hätte es dir sagen sollen und beim gemeinsamen Male nicht nur keinen Fisch bestellen sollen.“

“Jens nimm es als Schuss vor den Bug. Ich hätte dich aber auch vor mir warnen sollen. Wenn man eine Frau wie mich gierig bedrängt und küsst, kann sie zur giftigen Hexe werden. Du hast wirklich großes Glück gehabt, dass du noch lebst. Anaphylaxie kann wie ein unberechenbarer Virus tödlich enden.“ Er wurde blass und stammelte nur: “Marie- Verzeih mir bitte. Es war blöd von mir.“

Am nächsten Tag rief er sie mit fröhlicher Stimme an, dass sie weiter üben könnten.

”Du hast mich geheilt. Ich schwör dir, dass ich jetzt zur Vernunft gekommen bin. Wenn du willst, trinken wir nach dem Flug eine ganze Flasche Champagner! Schließlich bin ich dir ja einiges schuldig.“

“Du bist ja schnell darüber hinweg gekommen. Hoffentlich gibst du mir keine KO-Tropfen in das Getränk und vergewaltigst mich danach! Sorry, das ist jetzt aber nicht ernst gemeint.“

“Du hast recht. Psychische Heilung geschieht nicht in einem Tag. Doch ich bin mir sicher: Ich belästige dich garantiert nie mehr sexuell. Ob das auch für andere Frauen gilt, bin ich mir nicht so sicher. Da brauch ich wohl tatsächlich eine lange Psychoanalyse.“

“ Schade – ich glaubte schon an eine endgültige Wunderheilung. Aber die gibt es wohl nur im Märchen. In Zukunft aber Vorsicht! Einer Frau siehst du von außen nicht an, ob sie Fisch oder Fleisch gegessen hat. Ich selbst verzeih dir. Du bist jung, wahrscheinlich lernfähig und ich find dich einfach sympathisch. Du bist ein guter Lehrer.“

„Marie - Danke!“ Sie sah seine Tränen. Nach einer Woche konnte sie allein mit dem Schirm fliegen. Als Michael vom Kongress zurück kam, nahm sie ihn an den Strand mit, mietete einen Gleitschirm und flog jubelnd vor seinen staunenden Blicken über das Wattenmeer. Zurück flüsterte sie ihm ins Ohr: “Bin ich jetzt deine geheimnisvolle Meerjungfrau geworden?“

„Marie du bist einfach mein Lebenstraum. Weißt du was? Ich kaufe für uns sofort einen Schirm und du bringst mir das Fliegen bei.“

Von der Belästigung durch Jens erzählte ihm Marie nichts. Auch Meerjungfrauen haben ja schließlich ihre Geheimnisse.

Frauen-und Männerträume

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