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Cum-Ex/Cum-Cum – ein Stück aus dem Tollhaus
ОглавлениеCum-Ex-Geschäfte sind Aktiendeals, bei denen der Staat massiv betrogen wurde. Dabei geht es um die Erstattungen für die von Banken eingezogene Quellensteuer, auf die ausländische Aktieninhaber entweder keinen Anspruch hatten oder um Steuerrückforderungen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen. Privatpersonen holten sich so durch kurzfristige Aktienverkäufe und Ankäufe rund um den Dividendenstichtag (Dividende mit = Cum bzw. ohne = Ex Dividendenberechtigung) Steuergelder, die ihnen ohne diesen Deal nicht zustanden. Privatpersonen, Firmen und Banken holten sich im Zusammenspiel vom Staat einmal bezahlte Steuer auf Dividenden aber nicht nur einmal, sondern auch mehrfach zurück.
Es handelt sich hier um ein besonders dreistes Stück Wirtschaftskriminalität, gleichfalls ein äußerst verwirrrendes, weil es alle Register der Verschleierung zieht. Schon dass Verkäufe von Aktien möglich sind, ohne dass man Aktien besitzt, leuchtet Laien kaum ein. Solche sogenannten Leerverkäufe sind aber üblicher Bestandteil im Aktiengeschäft. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, den gesetzlichen Rahmen enger zu ziehen als es möglich wäre. Die Frage stellt sich natürlich: Warum?
Christoph Spengel, Steuerprofessor an der Universität Mannheim, bezifferte die Schäden für den deutschen Fiskus allein für die Jahre 2001 bis 2016 auf mindestens 31,8 Milliarden Euro. Für Frankreich kommen mindestens 17 Milliarden, bei Italien 4,5 Milliarden, für Dänemark 1,7 Milliarden und bei Belgien 201 Millionen Euro dazu. Für die anderen betroffenen Länder liegen keine offiziellen Zahlen oder belastbaren Marktdaten vor.
Spengel bezeichnete die Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte 2018 als »den größten Steuerraub in der Geschichte Europas«.17
Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte sind bereits seit 2014 ausführlich dokumentiert, deutsche Behörden wussten aber bereits seit 1992 (!), also 22 Jahre zuvor, dass Banken und Privatpersonen mit den Cum-Ex-Geschäften den Fiskus schädigen. Erst 2016, also nach insgesamt 24 Jahren, gab es dann eine Gesetzesänderung, die versuchen sollte, Cum-Cum-Geschäfte generell zu verhindern. Recherchen ergaben jedoch, dass die Geschäfte vermutlich bis Oktober 2018 und womöglich noch länger weiterliefen.
Wenn es Jahrzehnte dauert, bis staatliche Organe es nicht mehr vermeiden können, auf illegale Geschäfte mit Strafverfolgung zu reagieren, dann sagt das viel über die staatlichen Organe!
Die Vermutung liegt nahe, dass hier mehr dahintersteckt als Unfähigkeit bzw. Staatsversagen.
Die NGO »Bürgerbewegung Finanzwende« berichtet im April 2021, dass erst im März 2020 der erste strafrechtliche Cum-Ex-Prozess mit zwei Verurteilungen endete. Der zweite strafrechtliche Prozess habe im Herbst 2020 begonnen.
Mit diesem Thema befasste sich auch das BCC-Info 1/2017 unter dem Titel The great Cum/Ex-Swindle. Der Autor Benedict Ugarte Chacón, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter der Linken Bundestagsfraktion, weist ebenfalls darauf hin, dass die damalige Landeszentralbank Hessen bereits 1992 in ihrem »Frankfurter Finanzmarktbericht« unter dem Titel Dividendenstripping im Zwielicht auf die Gefahr aufmerksam gemacht hatte. Er schildert das Zusammenwirken von reichen Geldanlegern, Banken, Beraterund Rechtsanwaltskonzernen, stellt aber fest:
»Bei aller Dreistigkeit, die man Banken, Investoren und Beratern im Zusammenhang mit den Cum-Cum-/Cum-Ex-Deals zu recht vorwerfen mag – die Hauptverantwortung für den Steuerschaden tragen die staatlichen Institutionen, die jahrelang nicht verstanden haben, was diese Geschäfte anrichten…«18
Aber warum werden hier eigentlich staatliche Organe entschuldigt, indem man ihnen Naivität oder Dummheit unterstellt und zubilligt?
Staatliche Organe haben alle erdenklichen Möglichkeiten, sich entsprechenden Sachverstand einzuholen, wenn sie dies wollen. Sie sollten nicht ohnmächtiger dargestellt werden, als sie sind! Aber es müssen anscheinend erhebliche Kräfte organisiert werden, die sie ›zum Jagen tragen‹. Der Finanzexperte der Linken Fabio de Masi, der Cum-Ex und Cum-Cum zu Recht als »organisierte Kriminalität« bezeichnet, hat durch seine hartnäckige Intervention immerhin dafür gesorgt, dass Milliarden an Nachforderungen nicht still und stumm der Verjährung zum Opfer fallen.