Читать книгу Todessturz - Herbert Weyand - Страница 11
acht
Оглавление»Steiner ist ein Arsch«, fluchte Claudia.
»Was hast du erwartet?«, fragte Heinz, um gleich eine Erklärung abzugeben. »Nicht anders, als bei uns. Oder hast du jemals angenommen unser Polizeipräsident, könnte normal sein? Verantwortung übernehmen, heißt sich aus dem Fenster zu lehnen. Hier gibt es wenige Fenster, die zu öffnen sind. Du weißt schon, Klimaanlage. Diese Abgeschlossenheit prägt das Verhalten.«
»Langsam gehst du mir mit deinen Sprüchen auf den Keks«, fauchte Claudia. »Ich habe im Moment keine Lust auf deine philosophischen Gedanken.«
»Was haben wir bisher? Nichts, was wir nicht schon zehn Mal besprochen hätten.« Maria rekelte auf ihrem Stuhl und betrachtete die neuen Schuhe, die sie gestern gekauft hatte. »Morgen früh beginnen wir mit den Vernehmungen. Ich denke, dass wir ein gutes Stück weiterkommen. Es wäre doch gelacht, wenn wir diesen Fall nicht schnell vom Tisch bekommen.«
»Ich bin etwas skeptischer«, bemerkte Heinz. »Viel zu viele Facetten. Zu viele unbekannte Faktoren. Der Grund kann alles und nichts gewesen zu sein. Hinzu kommt, dass die Polizei nicht unbedingt als Freund und Helfer gesehen wird. Die werden mauern.«
»Diese Krause scheint eine kompetente Persönlichkeit zu sein. Ich bin froh, dass wir sie haben«, wechselte Maria das Thema. »Ich habe mich vorhin mit ihr abgestimmt. Sie setzt die Bereiche unter Druck, um den Beschäftigten Gelegenheit zu geben, den Termin bei uns wahrzunehmen.«
»Lange kann ich mich nicht mehr ruhig halten. Bereiche unter Druck setzen …« Heinz sprang auf und lief hin und her. »Wo sind wir denn? Im Mittelalter? Mit irgendeinem bekloppten Fürsten? Wir schreiben das einundzwanzigste Jahrhundert. Das lassen wir uns doch hoffentlich nicht gefallen?« Er sah die beiden kämpferisch an.
»Zügel dein Temperament und dein gewerkschaftliches Blut«, forderte Claudia ihn lächelnd auf. »Solange wir in unseren Ermittlungen weiterkommen, soll uns das alles nicht interessieren. Besser die bauen selbst Druck auf, als wenn wir es tun müssen. Kümmer dich mal um deinen Personalrat. Vielleicht bekommst du dort was Vernünftiges raus. Übrigens. Ich habe mich entschieden. Morgen bin ich nicht da. Kurt wird entlassen.«
*
»Du kannst nicht einfach den Bullen unsere Büroräume zur Verfügung stellen«, tobte Viktor Kreutz, nach Beendigung der Sitzung im Spiegelsaal.
»Kann ich wohl. Hast du doch gesehen«, gab Uwe Meier ruhig zurück.
»In mein Büro kommen die nicht, da sind wichtige Daten über die Kolleginnen und Kollegen.«
»Ach ja. Deine Zweitpersonalakten. Das verstößt gegen den Datenschutz. Wenn ich die in die Finger bekomme, werden sie sowieso geschreddert«, sagte Meier spöttisch und schüttelte den Kopf.
»Du hast doch keine Ahnung«, tobte Kreutz weiter. »Ich bin der Vorsitzende und lass mir von meinem Stellvertreter nicht auf der Nase herumtanzen.«
»Hast du noch alle Tassen im Schrank?«, fragte Meier sehr ruhig, weil er wusste, dass der Kollege sofort auf einhundertachtzig hochfuhr. Und tatsächlich geriet der Gegenüber noch mehr in Rage. Ein Choleriker, der es nicht anders kannte, als dass alle tanzten, wenn er pfiff. »Hier ist ein Kollege vom Dach gesprungen oder gesprungen worden. Egal, was ich von ihm gehalten habe, sollten wir alles tun, um bei der Aufklärung behilflich zu sein. Er war doch einer von denen, die immer und ewig bei dir im Büro saßen.«
»Wenn du ein Wort sagst, dann bist du fällig. Das sage ich dir. Wir unterliegen der Schweigepflicht«, schrie Kreutz lauthals.
»Gut, dass du nichts von Beichtgeheimnis gesagt hast. Um mir etwas zu tun, müssen Männer kommen und keine beamteten Hampelmänner. Du kannst den anderen hier Angst einjagen. Bei mir gelingt dir das nicht. Im Gegensatz zu dir und den anderen habe ich keine Angst an meinen Arbeitsplatz zurückzumüssen.«
»Wie meinst du das?«
»Du und unsere Kollegen sind doch in diese sogenannte Mitarbeitervertretung hier geflüchtet. Wir sind ein Spiegelbild der Klinik. Die Kripo braucht sich lediglich, mit den zwanzig Personen des Personalrates zu beschäftigen und schon wissen sie, was hier insgesamt los ist. Du bist doch auch weggelaufen, um deine Beurteilung gefahrlos angehen zu können« Meier verdrehte innerlich die Augen. Wie er diese beschissenen Diskussionen hasste. Immer wieder dieses beknackte Geltungsbedürfnis, verbunden mit dem Drang zur Ausübung von Macht. »Die Polizei hat meine Unterstützung …, und zwar voll und ganz. Wenn du deinen Hochsicherheitsbereich verschließen willst, dann tue es. Mir ist es egal.«
»Und ob ich das tue«, keifte er. »Du wirst es mir büßen. Ich mache dich fertig.«
»Mach mal«, gab Meier zurück. »Versteck besser die Kopien, die dein Stasi des Nachts im Großraumbüro und anderswo, für dich zieht.«
Kreutz wurde blass und das Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze, aus der blanker Hass sprach.
»Du bekommst keinen Fuß mehr auf den Boden.«
Meier wusste, dass die Drohung ernst zu nehmen war. In puncto Rufmord waren die Kolleginnen und Kollegen des Personalrats Spitze. Doch ihm war es egal. Dazu hatte er den letzten Jahren schon zu viel einstecken müssen. Im Gegensatz zu ihm hatten sie alle etwas zu verlieren.
*
Die Akte auf dem Tisch lag vorhin nicht da. Ein ungutes Gefühl zog in die Magengegend. Waltraud Krause setzte sich auf den Drehstuhl und schaute lange auf den Gegenstand.
Als sie die Mappe endlich aufschlug, lag lediglich ein Blatt Papier darin. Eine Bestellanweisung für vier PCs, die sie unterzeichnet hatte. PCs, die nie geliefert wurden. Kacke ... Wegner war doch tot.
Vor einem halben Jahr übernahm sie die Urlaubsvertretung des Betriebscenters und begann eine kurze und heftige Affäre mit Karl Wegner. Trotz ihrer lesbischen Neigung war sie nicht abgeneigt, es ab und an, mit einem Mann zu versuchen. Er war charmant und gab ihr ein gutes Gefühl. Natürlich wusste sie um seinen Ruf. Doch es interessierte sie nicht. Schließlich wollte sie ihn nicht heiraten und sie war neugierig, was ihre Geschlechtsgenossinnen so außergewöhnlich an ihm empfanden. Die Affäre dauerte noch keine Woche.
Es war ein stressiger Montag. Waltraud Krause arbeitete länger, weil Differenzen darüber bestanden, wie infektiöser Müll des OP-Bereiches entsorgt werden solle. Sie hatte im Netz Behälter gefunden, die zur Zwischenlagerung an den Arbeitsplätzen beschafft werden sollten. Dazu musste sie nachfragen, ob der Bestellvorgang möglich war. Gedankenlos suchte sie die Nummer der Beschaffung heraus und musste feststellen, dass Feierabend war. Sie wusste, dass Wegner im Wohnheim logierte, und rief kurzerhand dort an. Er lud sie ein, rüber zu kommen, dann könnten sie die Angelegenheit besprechen. Gesagt getan und eine Stunde später lag sie im Bett. Nicht, dass es sie vom Hocker gerissen hätte. Jedoch besser als manch andere Affäre, die sie mit Männern hatte. Den Vergleich zu einer Frau hielt aber auch er nicht stand.
Sie erinnerte sich genau, wann sie die Bedarfsanforderung unterschrieb. Eine seiner typischen Viertelstunden. Die Tür ging auf und er trat ein. Mit einer fließenden Bewegung schloss er die Türe und drehte gleichzeitig den Schlüssel. Sie wusste sofort, was er wollte und sie wollte es auch. Mit zwei Schritten stand er hinter ihr und warf einen Hefter auf den Tisch. Die Hände glitten in ihre Bluse. Danach ging es rasend schnell. Er nahm sie auf dem Schreibtisch. Noch während er den Reißverschluss der Hose zuzog, deutete er auf die Bestellanweisung.
»Unterschreib mal eben. Dafür bin gekommen … nein, nein.« Er lachte albern. »Dafür nicht … ich muss mich beeilen, die Bestellung muss noch heute weg.«
Kichernd wie ein Schulmädchen setzte sie ihren Namen unter das Dokument, ohne zu sehen, worum es ging. Schon verschwand er.
Jetzt bekam sie die Quittung. Einmal mit dem Unterleib gedacht. Vier Wochen später sprach sie die Rechnungsprüfung auf die Bestellung an. Aber wie fast alles in diesem Bau, ging auch dieser Vorgang unter.
Sie sprach Wegner darauf an, der jedoch abwinkte und versicherte, dass keine Probleme vorhanden seien.
»Komm. Wir schieben eine Nummer. Ich habe gerade Lust«, lachte er.
Sie wies ihn ab.
»Du blöde lesbische Schlampe«, sagte er nur.
Erst jetzt wurde ihr klar, dass er sie lediglich benutzte. Sie ärgerte sich maßlos darüber. Doch der Zeitpunkt, etwas zu unternehmen, war verstrichen. Sie würde sich in die Bredouille bringen.
Trotz des eventuell bevorstehenden Ärgers überlegte sie, wer ihr wohl den Hefter mit der Bestellanweisung auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie musste unbedingt die Fühler ausstrecken, um an die Person heranzukommen.
Jetzt spielte Krause für Steiner den Verbindungsoffizier. Die unangenehmen Sachen drückte er ihr auf. Sie ärgerte sich schon lange, Mädchen für alles zu sein. Die Suppe würde sie ihm versalzen. Sie hatte auch schon einen Plan.
*