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sechs
ОглавлениеZwischenspiel
Anlässlich der Haushaltsgespräche, die Adler 1995 in Düsseldorf führte, sprach ihn eine hübsche selbstsichere Frau an. Sie war nicht sehr groß. Ungefähr einssiebzig und um die Dreißig. Langes, lockiges blondes Haar wallte um ein schmales ausdrucksstarkes Gesicht, aus dem ihn blaue Augen intensiv musterten. Mit einem schnellen Blick stellte er fest, dass sie eine gut proportionierte schlanke Figur besaß. Sie stellte sich nicht vor, als müsse er wissen, wer sie war. Das Gespräch begann mit allgemeinen Themen zur politischen Lage und dem finanziellen Druck, der durch das Finanzministerium ausgeübt wurde. Geschickt lenkte sie es auf die Privatisierungsabsichten der Politiker. Sie stellte in den Raum, dass in den nächsten Wochen eine generelle Entscheidung durch das Landesparlament fallen würde, und zwar auf breiter Ebene für den gesamten öffentlichen Dienst im Lande. Davon seien ebenso die Kommunen betroffen. Die Frau nannte ihm Summen und wies nachdrücklich darauf hin, sie sich unbedingt zu merken. Zum richtigen Zeitpunkt wisse er, was sie bedeuteten. Die Frage, was dieses Gespräch solle, ließ sie unbeantwortet. Sie bemerkte jedoch, dass die ›Morgendämmerung‹ die offenen Fragen in einem anderen Licht erscheinen lasse. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass sie im Grunde als seine Lobbyistin in der Düsseldorfer politischen Szene agierte. Er nahm an, dass ihn die Gönner unterstützten und ihren großen Plan verfolgten, den er noch nicht verstand.
Häufiger blitzten im Verlaufe der letzten Jahre Erinnerungsfetzen aus der Kindheit und Jugend auf. Ernst blickende Männergesichter, die er nicht zuordnen konnte und ihm Fragen stellten. Siegfried Adler mochte sich nicht vorstellen schon zum damaligen Zeitpunkt, eine Figur auf einem Schachbrett gewesen zu sein. Was war das Ziel der Gönner, wenn sie das überhaupt waren? Lebensborn? Da entbanden damals ledige Frauen, die von arischen Männern geschwängert wurden. In den achtziger Jahren hatte er alles, was es in der Stadtbücherei dazu gab, gelesen. Die Zahlen der dort geborenen Kinder waren übersichtlich. Die von Wernigerode lag bei achtundvierzig Kindern bis 1941. Was geschah nach dieser Zeit mit den Kindern? Er wurde 1944 geboren. Bestand die Einrichtung zu diesem Zeitpunkt noch? Ob wohl Geburtsurkunden existierten?
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