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In dieser sternenklaren Bergsommernacht stieg der Hohenhauser gedankenversonnen den steilen Weg hinauf zum Tuxer Joch. Bei der niederen Steinhütte des Tettenser Ochsners blieb er zum ersten Mal stehen. Es schien, als wollte er in die Hütte treten, dann verhielt er den Schritt. Manchmal hallte dumpf und unheimlich das Brüllen eines Stieres durch die Nacht.

Er verglich den gestrigen Wallfahrtstag mit dem heutigen Abend beim Wolfbrechter-Hof. Und wie wirklich hörte er wieder die Stimme des Wolfbrechter: »Du bist nicht umsonst wallfahren gewesen!«

Dazwischen hallte wieder das Lachen des Bauernknechts: »Löffel zu Löffel! Mensch zu Mensch!«

Wäre es hell gewesen, hätte man sehen können, wie freundlich das Gesicht des Nachtwanderers ausschaute. Und es wurde noch freundlicher, als er nun das Bild der Maria wieder vor sich sah: Wie lebendig hatte er sie vor Augen, wie sie der Arbeit nachgegangen oder am Tisch gesessen war, den Blick ihrer hellen Augen fast immer zu Boden gerichtet. Aber einmal hatte sie ihn doch angelächelt, den Hohenhauser Nachbarn, und dieses Lächeln konnte er nicht vergessen.

Dann dachte er an die schöne Alm von Tettens, und er wagte den Gedanken gar nicht auszudenken: Wenn ich jetzt wirklich die Maria – Dann wär es wohl gleich, wenn das Tuxer Vieh gelegentlich auch nach Tettens hinunter weidete! Ja – wenn.

Doch jäh verdüsterte sich sein Gesicht, und seine Augen starrten in das Dunkel. Die Stimmen der Bergnacht erhoben sich: Steine knatterten in die Tiefe von der Hörnerwand. Wasser rauschte. Ein Stier brüllte.

Dann überkam ihn ein Gedanke mit solcher Gewalt, dass er die Worte halblaut vor sich hinsprach: »Ich hätt’ der Emma nicht das Kettel schenken dürfen! Ich hätt’ warten sollen! Heut hätt’ ich das Kettel bei mir haben sollen!«

Wer ist schon die Emma, dachte er, gegen die Maria vom Wolfbrechter-Hof? Sie war gewiss fleißig und arbeitsam und sah gut aus – aber sie war nur die Tochter eines Wurzelklaubers vom Schwendberg draußen im Zillertal!

Ihn packte stärker der Unmut, und wieder murmelte er: »Wenn ich ihr nur nicht das Kettel geben hätt’!«

Die Quelle von Tettens rauschte. Ein schwarzer Schatten schlich durch die Nacht. Wie ein Ungetüm näherte sich einer der Ochsen der Hütte. Der Hohenhauser streckte lockend seine Hand vor, als wollte er dem Tier eine Lecke Salz geben. Der Ochse war ganz nahe gekommen. Er senkte den Kopf und ließ sich das Fell zwischen den Hörnern kraulen. Der Hohenhauser fasste den Ochsen am rechten Horn. Mit den Fingern tastete er das Brandmal ab. Ja, es war einer der grauen Ochsen des Wolfbrechter Bauern. Nochmals tätschelte er das Tier und schlug ihm mit der flachen Hand an den weichen Hals. Und wieder kam ihm der Wolfbrechter-Hof in den Sinn, und wieder sah er das Bild der Maria.

Endlich stapfte er langsam zur Quelle, aus der ein so gutes Wasser floss wie sonst nirgends in diesen Bergen, um einen Schluck zu trinken. Dann stieg er vollends auf zum nahen Joch und wieder hinunter über das steile Weitental. Und immer noch war er mit seinem Sinnen und Denken nicht zu Ende gekommen. Bald spielte ein Unmut in seinem Gesicht, bald war es von einem Lächeln verklärt. So sehr waren seine Gedanken in Widerspruch miteinander, dass er darüber nicht froh werden konnte. Das mit dem Kettel, ja, das hätte halt nicht sein dürfen!

Aber es gab doch zwei glückliche Menschen in dieser Nacht. Die Maria dachte lange an die zwei Löffel, die durch Zufall zusammengestoßen waren, und sie hörte noch die Worte des Knechtes: »Löffel zu Löffel! Mensch zu Mensch!« So konnte sie lange keinen Schlaf finden.

Und auf dem Hohenhauser-Hof machte in dieser Nacht die Emma trotz größter Müdigkeit kein Auge zu. Wie in der vergangenen Nacht, hielt sie auch jetzt in ihrer Hand das Halskettel mit dem schönen Marientaler und dachte an den Mann, der es ihr gegeben hatte.

Der Tuxer Schäfer

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