Читать книгу Habibi - Hermann Mezger - Страница 7
5. Kapitel
ОглавлениеPetersen steht vor einem weiß getünchten, von Blumenbeeten und einem gepflegten Rasen eingerahmten Bungalow. Als er auf den Klingelknopf drückt, schluckt er. Es ist ihm jedes Mal sehr unangenehm, wenn er den Hinterbliebenen indiskrete Fragen stellen muss.
Eine ältere, etwa sechzig Jahre alte Dame öffnet ihm. Sie wirkt sichtlich angeschlagen, ihr Gesicht ist von Kummer gezeichnet und ihre Augen sind vom Weinen so aufgequollen, dass er sich nicht sicher ist, ob sie ihn überhaupt richtig sehen kann.
Petersen zeigt ihr seinen Ausweis. Wortlos führt sie ihn ins Haus.
„Ich hole mal eben meinen Mann“, sagt sie mit weinerlicher Stimme und lässt ihn im Wohnzimmer stehen.
Petersen lässt seine Blicke durch den geschmackvoll eingerichteten Raum schweifen.. Ein Klavier, ein alter Friesenschrank und ein paar Aquarelle an der Wand dokumentieren den gehobenen Lebensstil seiner Bewohner.
Kurz danach kommt ein weißhaariger Mann herein und stellt sich als Dr. Dieter Dorn vor. Sein schmales Gesicht ist leicht gebräunt, die Augen hinter der Brille sind verschwommen und lassen vermuten, dass er seine Gefühle nur mühsam unter Kontrolle hält. Er mustert Petersen misstrauisch.
„Was hat denn die Polizei mit dem Unfall zu tun?“, fragt er.
Petersen räuspert sich.
„Zunächst mal mein Beileid, Herr Dr. Dorn. Es sind reine Routinefragen, die ich Ihnen stellen muss, damit wir den Fall...“, Petersen stockt, „ich meine natürlich den Unfall, ordnungsgemäß untersuchen können!“
Frau Dorn kommt herein und setzt sich mit einem zerknüllten Taschentuch in den Händen in einen Sessel.
„Wissen Sie denn, wohin Ihr Sohn am Samstagmorgen fahren wollte?“
Dr. Dorn streicht sich über die Stirn.
„Er hatte am Samstag einen wichtigen Termin in Kopenhagen.“ Seine Stimme versagt. Er räuspert sich. „Das heißt, zusammen mit Professor Cano, seinem Chef. Ihn wollte er von Zuhause abholen und deswegen hat er wohl den Umweg über die Alte Landstraße genommen.“
„Wo hat Ihr Sohn gearbeitet?“
Dr. Dorn holt tief Luft. An seiner Stelle antwortet seine Frau.
„Bei der Pharma-Welt. Wissen Sie, unser Junge war sehr fleißig und zielstrebig. Nach dem Studium hat er gleich dort angefangen und ist schon mehrmals befördert worden. Mit Professor Cano hatte er ein ganz ausgezeichnetes Verhältnis.“
„Wann wollte er denn wieder zurück sein?“
„Sonntagnacht. Er sagte mir noch, dass es sehr spät werden würde. Heute früh hätte er wieder pünktlich in der Firma sein müssen.“, kann sie gerade noch stammeln, bevor ihr die Tränen über die Wangen rinnen. Durch den Tränenschleier hindurch schaut sie Petersen hilflos an. Sicher wird ihr jetzt erst richtig bewusst, dass ihr Sohn nie wieder pünktlich irgendwo sein musste.
Petersen lässt sich mit der nächsten Frage Zeit.
„Hatte er eine Freundin..?
„Nein, eine Freundin hatte er zur Zeit nicht“, antwortet Frau Dorn „David war schon immer ein Einzelgänger und wenn er sich mal mit einer Frau einließ, wurde es ihm schnell zu eng, wenn von Familiengründung und Heirat die Rede war. Er wollte sich erst um seine Karriere kümmern und hat sich deswegen sogar um eine Professur beworben. Für die Zeitschrift Toxikologie hat er regelmäßig Fachartikel geschrieben.“ Wieder rollen ihr die Tränen über die Wangen.
Dr. Dorn sitzt eingeknickt in einem Sessel und stiert vor sich hin. Mit leiser Stimme nimmt er den Gesprächsfaden auf.
„Nach der Geschichte mit dieser Heike Sörensen hat er sich dann den Sportwagen gekauft. Die Trennung ging ihm wohl doch an die Nieren, aber sie wollte eben alles oder nichts. Nachdem er ihr gesagt hatte, dass er sich im Moment noch nicht binden wolle, hat sie sich mit einem anderen Mann eingelassen und David hat sich mit dem neuen Sportwagen getröstet.“
„Dabei hätten wir so gerne Enkelkinder gehabt“, ergänzt seine Frau.
„Gab es in der Firma jemanden der ihm den schnellen Aufstieg nicht gegönnt hat?“, will Petersen wissen.
Dr. Dorn überlegt. „Nicht, dass ich wüsste. Wir haben viel über seine Arbeit in der Firma gesprochen. Natürlich gibt es immer mal Kollegen, die neidisch sind. David erzählte mir zwar mal was von fragwürdigen Laborergebnissen und von einem ebensolchen Mitarbeiter, aber ich habe der Sache keine große Bedeutung zugemessen, und an den Namen kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.“
Petersen rümpft unmerklich die Nase und wendet sich zum Gehen.
„Ich bedanke mich sehr für Ihre Offenheit. Zum Schluss habe ich noch ein Anliegen: Um ganz sicher zu gehen, dass kein Fremdverschulden vorliegt, möchten wir Ihren Sohn obduzieren lassen.“
Frau Dorn schaut den Beamten entsetzt an. In ihren Augen spiegelt sich das blanke Entsetzen wider. „Sie meinen doch nicht etwa..?“
„Doch Frau Dorn, so leid mir das tut.“
Sie wirft sich schluchzend in die Arme ihres Mannes. Dieser kann den Schmerz seiner Frau nur schwer ertragen und wird langsam wütend. „Wenn es denn unbedingt sein muss!“, sagt er mit vorwurfsvollem Unterton.
Petersen verabschiedet sich. „Wir werden Sie selbstverständlich über alle Ergebnisse informieren.
Unter der Haustür dreht er sich noch einmal um. „Entschuldigen Sie, Herr Dr. Dorn. Eine allerletzte Frage: Hat Ihr Sohn in letzter Zeit eine Lebensversicherung abgeschlossen?“
Dr. Dorn ist sichtlich entrüstet. Das „Nein!“ kommt wie aus der Pistole geschossen aus seinem Mund. Wütend schlägt er Petersen die Tür vor der Nase zu.
Wie ein geprügelter Hund verlässt Petersen den Bungalow. Als er in seinen Wagen steigt, ist er unendlich erleichtert, dass er diese heikle Aufgabe hinter sich hat. Er schnappt sich die Schnupftabaksdose und zieht sich eine ordentliche Prise in die Nase.