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7. Kapitel

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„Na, was sagt denn der werte Herr Kriminaldirektor zu unseren tollkühnen Vermutungen?“, fragt Petersen, als er in das Industriegebiet abbiegt.

„Wir sollen dranbleiben. Er will wie immer so schnell wie möglich Ergebnisse sehen“, sagt Bramme verbiestert.

„Das ist doch immer das Gleiche. Er will halt mal wieder eine Pressekonferenz abhalten und sich im Licht unserer Erfolge sonnen.“

Bramme guckt ihn pikiert an und verschluckt die Antwort. Sie fahren auf ein gläsernes Hochhaus zu, das schon von außen klinisch rein wirkt. Petersen hält vor einer Schranke. Ein Pförtner schlurft aus seinem Häuschen heraus. Bramme lässt das Fenster herunter.

„Zu wem wollen Sie? Haben Sie einen Termin?“, fragt der gehbehinderte Mann höflich.

„Wir brauchen keinen Termin“, sagt Bramme und hält ihm seine Dienstmarke unter die Nase.

„Zu wem wollen Sie?“, fragt der Mann noch einmal.

„Zu Professor Cano.“

„Parken Sie dort“, sagt der Pförtner und zeigt auf die Besucherparkplätze. „Ich melde Sie an.“

Petersen stellt das Fahrzeug ab. „Hier sieht alles so steril aus. Wie mag hier erst der Kaffee schmecken?“, fragt er beim Aussteigen.

„Ich hoffe nach Kaffee“, antwortet Bramme lapidar.

Die beiden ungleichen Männer betreten die Eingangshalle. An der Wand hängt das Porträt des Firmengründers Dr. Tabor, eingerahmt von dem Firmen-Logo. An der Fensterfront stehen einige Gummibaumgewächse.

Während sie warten, legt Petersen, dessen Vater vor zwei Jahren an einer Tablettenvergiftung gestorben ist, richtig los: „Alle, die mit Medizin und Pharmazie zu tun haben, halte ich schlichtweg für Scharlatane und Verbrecher. Auf eine Gelegenheit, diesen Giftmischern einmal kräftig auf die Finger zu klopfen, habe ich schon lange gewartet.“

„Du hältst dich schön im Zaum!“, pfeift ihn Bramme zurück.

Fast lautlos hat sich eine junge, adrette Dame herangepirscht.

„Sie wollen zu Professor Cano?“, fragt sie mit einem kessen Augenaufschlag. „Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihm.“

Petersens Augen weiten sich, als die junge Dame vor ihnen die Treppe hinaufschreitet. Ihr attraktives Hinterteil, die grazilen Bewegungen in dem engen Rock und dazu die schön geformten Beine lassen ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.

„Hier werden also die Wundermittel hergestellt, die uns Menschen fit halten und uralt werden lassen?“, fragt Petersen.

„Ja“, erwidert die junge Frau mit einem bezaubernden Lächeln, „die Lebenserwartung ist dank unserer Produkte enorm gestiegen.“

„Leider werden wir täglich damit konfrontiert, dass es auch genügend Gegenmittel für ein langes Leben gibt“, meint Bramme nüchtern.

Inzwischen sind sie vor Professor Canos Büro angekommen. Nachdem sie die Tür geöffnet hat, sagt sie zu einem graumelierten Herrn, der vor einer reich bestückten Bücherwand sitzt. „Die Herren von der Kriminalpolizei sind da.“

„Bitte kommen Sie, meine Herren!“, sagt Professor Cano mit sonorer Stimme.

Professor Cano, ein mittelgroßer, schlanker Mann mit Brille, kommt in einem dunkelgrauen Anzug hinter seinem Schreibtisch hervor und bietet den beiden Beamten in einer Sitzecke mit cognacfarbenen Ledersesseln Platz an. Er ist etwa Ende Fünfzig.

„Möchten die Herren etwas trinken?“, fragt er.

Bramme lehnt sehr zum Leidwesen seines Kollegen dankend ab. Petersen hätte die junge Dame zu gern wieder gesehen.

„Tja, eine furchtbare Sache, dieser Unfall!“, beginnt Professor Cano das Gespräch. „Dr. Dorn war ein äußerst fähiger Mann, der noch eine große Zukunft vor sich hatte.“

Seine persönliche Betroffenheit ist greifbar zu spüren, als er sagt: „Ich kann es immer noch nicht fassen!“

Cano spricht sehr wortgewandt mit einem leichten Akzent, der Bramme etwas verwundert und ihn veranlasst, dem Professor einen fragenden Blick zuzuwerfen. Mit dem liebenswürdigsten Lächeln nimmt Cano die Frage auf: „Ich komme aus dem Libanon, lebe aber schon über dreißig Jahre in Deutschland. Seit zwanzig Jahren leite ich hier das Ressort Forschung und Entwicklung.“

„Interessant!“, entfährt es Bramme, bevor er mit seinem Anliegen herausrückt. „Wir haben erfahren, dass Sie mit Herrn Dr. Dorn nach Kopenhagen fahren wollten. Darf ich nach dem Zweck dieser Reise fragen?“

Professor Cano behagt die Frage nicht. Er überlegt.

„Eine Gegenfrage: Was hat eigentlich die Kriminalpolizei mit der Sache zu tun? Ich denke, es war ein Unfall!“

Petersen hat sich zurückgelehnt und lauscht ganz entspannt der Unterhaltung.

„Wir wollen uns nur der Ordnung halber informieren, ob es möglicherweise einen Anlass gibt, der zu diesem schrecklichen Unfall geführt hat. Stand Herr Dr. Dorn vielleicht unter Stress?“

„Dr. Dorn war ein sehr souveräner Mann, sowohl bei der Arbeit, als auch privat. Er ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Ich kenne ihn seit über sechs Jahren. Wir entwickeln zwar im Moment ein sehr wichtiges Medikament, das weltweit Furore machen wird, aber das war für ihn nichts außergewöhnliches, und schon gar kein Stress!“

„Und wie war sein Verhältnis zu seinen Kollegen, gab es da irgendwelche Probleme?“

„Nicht mehr und nicht weniger als in anderen Betrieben auch. Überall gibt es Rangeleien, wenn es um Führungspositionen geht!“

Auf einmal liegt ein lauernder Unterton in seinen Worten. Bramme hat das Gefühl, dass sich Canos Augen hinter den starken Brillengläsern zu Sehschlitzen zusammenziehen.

„Haben Sie einen besonderen Grund für diese Frage?“

„Nein, überhaupt nicht“, wiegelt Bramme ab, „aber wir würden gerne mit den Mitarbeitern sprechen, die mit Dr. Dorn zusammengearbeitet haben.“

Cano zuckt zusammen.

„Im Moment ist das sehr ungünstig. Der Verlust von Dr. Dorn ist eine Katastrophe für uns. Das besagte Projekt befindet sich zur Zeit in der Endphase. Da ist jede Minute kostbar.“

„Das muss leider sein, Herr Professor. Wir nehmen dabei auf Ihre besondere Situation gerne Rücksicht. Sagen Sie Ihren Leuten, dass wir morgen um 10 Uhr kurz mit ihnen sprechen müssen.“

„Muss das sein?“

„Es muss sein! Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, was Sie und Dr. Dorn in Kopenhagen wollten.“

„Das neue Medikament wird in ein paar Wochen auf einem Kongress in Kopenhagen vorgestellt. Es ist üblich, dass wir uns vorher die Räumlichkeiten dort ansehen.“

„Und warum sind Sie nicht geflogen?“

„Herr Dr. Dorn hat sich einen neuen Sportwagen zugelegt, und den wollte er mal auf einer großen Strecken ausfahren.“

Bramme steht auf. „Also, dann bis morgen.“

„Wissen Sie schon, wann die Beerdigung sein wird?“

„Das wird noch ein paar Tage dauern!“, gibt Bramme einsilbig zurück und verabschiedet sich.

„Wir hätten noch fragen sollen, wer gewusst haben könnte, dass Dr. Dorn exakt um diese Zeit und genau auf dieser Straße fahren würde. Dieser Jemand muss ja ein starkes Interesse daran gehabt haben, dass er niemals in Kopenhagen ankommt!“, sagt Petersen als sie zum Parkplatz gehen.

„Uns fehlen sowieso noch ein paar Sprossen in der Leiter. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er uns nur das Allernötigste gesagt hat. Bei der nächsten Befragung kommt er mir nicht so glimpflich davon..“

Bevor sie ihr Fahrzeug erreichen, schaut sich Bramme um. Hinter dem Verwaltungsgebäude befindet sich eine lang gezogene Fabrikhalle. Am Ende der Halle stehen drei Lastwagen. Hinter den Lastwagen schließt sich ein verwildertes Gelände an, das durch einen hohen, verrosteten Maschendrahtzaun abgetrennt ist und bis zur Ostsee reicht. Petersen geht auf ein verwittertes Schild zu, das an dem Zaun befestigt ist.

„Militärisches Sperrgebiet! Betreten streng verboten!“, liest er laut vor. Bramme stellt sich auf die Zehenspitzen.

„Mensch, da hinten sind meterdicke Betonwände. Sieht ganz so aus, als wäre das mal ein U-Boot-Bunker gewesen“, entfährt es ihm.

„Du hast recht! Offensichtlich hat man versucht, das Ding zu sprengen. Aber wie man sieht, hat das nicht hingehauen. Komm, wir haben genug gesehen.“ Petersen tritt den Rückweg an. Bramme folgt ihm.

„Was hältst du denn von dem Professor?“, will Petersen wissen.

„Das ist ein ganz gewiefter Taktiker, der sich nicht gerne in die Karten schauen lässt.“

„Ich sehe das genauso. Glaubst du, dass wir es mit Industriespionage zu tun haben?“

„Möglich ist alles“, meint Bramme. „Schau dir mal die Lastwagen dort an. Sagte mein Freund Axel nicht, dass er vor dem Crash einen LKW gehört hat? Hier stehen gleich drei Stück davon herum. Und Motoröl haben die bestimmt auch. Wir müssen uns auf alle Fälle mal die Fahrtenbücher der Firma ansehen.“

Habibi

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