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Es geht gen Westen!

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3. Tag: Williamsburg - Charles City (58 km) 334 km

Als ich aus dem Fenster des Motels schaute, schien die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Das versprach einen herrlichen Sommertag. Kal.-John, der neben meinem Zimmer Logis bezogen hatte, klopfte an die Tür, als mein Wecker in der Badestube, wo ich schon so gut wie ganz fertig war, erst 7.20 Uhr zeigte. Ich hatte eigentlich noch vor, einen Spaziergang zu machen, da schon alles in den Packtaschen verstaut war.

Als ich die Tür öffnete, stand Kal.-John mit seinem vollkommen fertig bepackten Rad vor mir. Auf meine Frage, wieso er schon so früh da sei, da wir erst um 8.00 Uhr in der Foundation sein sollten, sagte er mir, daß es schon drei Minuten vor 8.00 Uhr sei. Er zeigte mir seine Armbanduhr und ich sah auch auf meine kleine Armbanduhr am Arm. Und siehe da: Das stimmte. Mein Wecker hatte mich im Stich gelassen. Ich nun nichts wie flott meinen Sturzhelm auf den Kopf gesetzt, die Sonnenbrille vor die Augen geschoben, die Fahrradhandschuhe angezogen und ab ging es mit meinem bepackten Rad aus meiner Stube und mit Kal.-John zum Treffpunkt. Nach einer gründlichen Endreinigung des dortigen gastlichen Raumes und der sanitären Anlagen verließen wir fröhlich Williamsburg in Richtung Jamestown.

Auch heute befanden wir uns bei warmem Sonnenschein bis Jamestown auf dem Colonial Parkway. Es war ein Gedicht, wie schön der Park zu beiden Seiten von uns aussah. In Jamestown besuchten wir das Informationszentrum mit einer alten Glasbläserei und sahen uns auch einen 15 minütigen geschichtlichen Film über die Besiedlung dieser "Neuen Welt" an.

Was hatten diese Menschen hier bloß alles geleistet und ausgehalten! Hut ab vor ihnen.

Und weiter ging es gen Westen. Nach kurzer Zeit fragte mich ein Autofahrer:

„Wollt Ihr nach Oregon an die Pazifik-Küste?

Ich staunte über seine Scharfsichtigkeit und nickte mit dem Kopf.

„Dann sehen wir uns ja in drei Monaten dort wieder; denn ich wohne dort. Take care!

Winkend fuhr er davon. Lustig, was?

Es wurde immer wärmer. Herrlich ließ es sich radeln. Hauptsächlich befand ich mich in der Gesellschaft von Kal.-John und wechselweise auch anderen, die sich zu uns gesellten. Zeitweise bestand unsere Gruppe auch aus sechs oder sieben Mitgliedern.

Bei dieser Durchquerung wurde nicht gehetzt. Sarah sagte, daß wir hier kein Rennen veranstalten und auch nicht auf der Flucht seien. So lernte ich hier endlich das gemütliche Fahrradfahren kennen, wie ich es mir schon ewig gewünscht hatte. Trotz anfänglicher großer Bedenken, meinen Weggefährten auf die Nerven zu gehen, wenn sie zu schnell radeltn und vielleicht hin und wieder auf mich warten müßten, hatte ich das

Gefühl, voll integriert zu sein. Meine Bedenken fielen somit alle unter den Tisch. Ich war hier rund um die Uhr einfach glücklich.

In der Mittagszeit legten wir hinter der Chickhominy-Brücke eine Pause ein, um unser gestrichenes Brot und Obst zu essen. Ein einheimischer schwarzer Schmetterling mit blauen metallisch glänzenden kleinen Unterflügeln setzte sich zu Sarahs Füßen auf einem Stein nieder. Ich wunderte mich, daß er nicht wegflog, obgleich wir dicht in seiner Nähe standen.

Dann ging es weiter. Es wurde immer auf den Letzten gewartet, ohne daß jemand ungeduldig schaute. Die Strecke für heute war wieder kurz, so daß wir unendlich viel Zeit hatten.

Als wir in Charles City einliefen, hielten wir zuerst an einem Geschäft an der Straßenkreuzung und wollten Kaffee, Schokolade und Kuchen zu uns nehmen, also eine Kaffeepause machen.

N.-Y.-Bob kam später, weil er zuerst in einem anderen Eingang dieses Geschäftes Kaffee trinken wollte. Er sagte mir, daß ich mal dort hineingehen müßte, denn die Frau hinter dem Tresen sei auch eine Deutsche.

Ich also nichts wie hin. Evi, wie sie sich vorstellte, strahlte, weil sie mit mir in ihrer Heimatsprache sprechen konnte. Sie war eine hübsche junge Frau und Mutter von zwei Kindern von 10 und 6 Jahren. Wie ich an den Gesichtem deijenigen, die hier gerade bei ihr die ausgesuchten Waren bezahlen wollten, sah, waren alle Männer in sie verliebt. Das konnte ich völlig verstehen. Sie war vor 15 Jahren aus Bayreuth in die U.S.A. gekommen und seitdem hier völlig glücklich. Einmal im Jahr fuhr sie in ihre alte Heimat und machte mit ihrer dort wohnenden Mutter eine große Flugreise. Dieses Jahr ging es nach Hawaii. Sie gab mir ihre Adresse und bat mich, wenn ich wiederkommen würde, sie doch bitte zu treffen. Ich werde ihr schreiben. Statt einer heißen Schokolade, die ich hier nicht erhalten konnte, vernaschte ich ein Eis, das viel zu schnell den Weg alles Vergänglichen gegangen war.

Wir radelten weiter. Der Wald hier hieß Sherwood-Forest. Der erste Siedler, der hier etwas zu sagen gehabt hatte, mußte wohl aus England gekommen sein. Nach einer weiteren kleinen Strecke fanden wir in Adkins Store unser heutiges Tagesendziel. Sarah befand sich schon mit Miki und Ohio-John dort. Für heute war Camping angesagt. Gemeinsam stellten wir unsere Zelte auf. Dieses wurde die erste interessante

Nacht. Unsere Zelte standen neben einem Feuerwehrhaus. Den Gemeinschaftsraum und die Küche durften wir benutzen.

John erklärte mir die vorzügliche Beschaffenheit seiner Fahrradbluse. Da er eine so empfindliche Haut besaß und von den ultravioletten Strahlen sehr schnell verbrannt wurde, genoß er es, in dieser neuartigen Bluse zu radeln, ohne auch nur die kleinste Strahlung durch den dünnen Stoff zu spüren.

Das leuchtete mir ein. Er gab mir die Telefonnummer des alleinigen Herstellers in Seattle, die auf dem Abschnitt in der Bluse stand. Dort wollte ich anrufen und mir dasselbe in meiner Größe bestellen.

Während wir uns beide so unterhielten - ich in meinem holprigen und ungenügenden Englisch - kochten N.-Y.-Bob und Ohio-John neben uns. Ohio-John, ein hochintelligenter Student, hielt sich von Zeit zu Zeit die Ohren zu. Auch zuckte er mehrmals zusammen. Er litt förmlich unter meiner Aussprache.

„John, halte dir mal solange, wie ich hier sprechen muß, die Ohren zu, damit du das überlebst.

Er nickte mir zu, sagte aber:

„Ist schon gut.

Wenn meine Kameraden mit mir sprachen, übersetzte ich sofort in Gedanken alles, was ich verstand wörtlich - und das war nicht viel. Dadurch kam bei meiner Übersetzung ganz bestimmt sehr oft ein falscher Sinn heraus. Und meinen Kameraden machte es ebenso große Schwierigkeiten, das zu verstehen, was ich sagte. Meine Aussprache wich von der ihren sehr ab. Ich mußte lernen, lernen, lernen.

Zu N.-Y.-Bob gewandt, fragte ich:

„Ist mein Englisch so sehr schlecht?

„Ich kann überhaupt kein Wort Deutsch. Und im Verhältnis dazu bist du sehr gut.

Das baute mein Selbstbewußtsein wieder auf.

Per Telefon bestellte ich mir die gleiche Bluse von Kal.-John und ließ sie zu meiner nächsten Poststation senden. Als Alex das erfuhr- er litt auch unter einer sehr empfindlichen Haut - bestellte er sich auch eine.

Bald hatten wir uns frischgemacht und das sehr gut schmeckende selbst zubereitete Abendessen gegessen. Draußen stellte ich fest, daß sich eine sehr feuchte Landluft breitgemacht hatte und schloß von allen Zelten die Eingangsreißverschlüsse, um die Innenzelte so trocken wie möglich zu erhalten. Engl.-Bob kam zu mir heraus und erklärte, daß sich in dem Feuerwehrhaus eine Waschmaschine und eine Trockenschleuder befänden. Und weil unsere Wäsche bei der hohen Luftfeuchtigkeit nicht trocknen konnte, entschlossen wir uns, von allen die gewaschene Wäsche von der Leine zu nehmen und in den Trockner zu stecken.

Während ich hier in meinem Zelt auf dem herrlichen Schlafsack saß und bei Froschgequake und Grillenzirpen mein Tagebuch schrieb, hörte ich durch das geöffnete Hausfenster die Wäsche sich im Wäschetrockner bewegen. In meinem Zelt hatte ich noch 20 Grad Celsius.

Die anderen saßen im Gebäude und unterhielten sich. In dem Stimmengewirr konnte ich mich nicht konzentrieren und schreiben. Die Zeltlampe, die mir meine Kolleginnen gegen die Dunkelheit im Zelt zum Geburtstag geschenkt hatten, durfte ich für dieses Zelt wegen der hohen Brandgefahr nicht anzünden. Deshalb schickte ich sie von Williamsburg aus mit den anderen Sachen nach Hause nach Deutschland zurück. Zum Glück steckte ich in Kiel meine Stimlampe ein und konnte damit herrlich in meinem "Nylon-Konkon" im Schneidersitz sitzend, mein Tagebuch schreiben und war guten Mutes, diese große "Lebenstour" glücklich durchzustehen.

Hin und wieder hörte ich auf der Straße ein Auto vorbeifahren. Von dieser kurzen Tagesetappe war ich eigentlich gar nicht müde geworden. Aber die frische Luft der freien Natur ließ mich bald einschlummern.

4. Tag: Charles City - Americamps Richmond Nord (79 km) 413 km

Schon früh ging ich in die Badestube und baute hinterher im Eiltempo mein Zelt ab, weil meine Radsportfreunde in der Zwischenzeit auch schon aufgestanden waren und ihre gerade zusammenlegten. Als ich das sah, ging mir durch den Kopf:

„Muß ich mich aber langsam gewaschen haben. Wie haben die anderen das nur so schnell hinter sich gebracht?

Bei Trockenheit und schön warmer Temperatur radelten wir nach dem Frühstück weiter Richtung Westen. Vor mir sah ich plötzlich meine Kameraden vom Rad steigen und stehenbleiben. Was war da denn passiert?

Als Kal.-John und ich zu ihnen kamen, erkannte ich, daß sie mit sehr ängstlichen Augen vor sich auf die Straße sahen. Dort lag eine lange Schlange, die aussah, als hätte sie jemand vorher in eine schmale Zigarrenkiste gefaltet. Mit ihrem erhobenen Kopf beobachtete sie uns. Mit großem Respekt schoben wir in großem Bogen unsere Räder um sie herum, stiegen auf und machten, daß wir davon kamen. Eine Schlange lebt nie allein. Das bedeutete, daß wir jederzeit mit weiteren rechnen mußten. Ein leichtes Grausen stieg in mir auf.

Heute wurde das Gelände welliger. Auch lag unsere heutige Kilometerleistung höher als gestern. An einem Einkaufsladen kauften wir uns Kakao und Kaffee. Als wir wieder losfahren wollten - es sah nach Regen aus - kam Sarah bei uns an. Gemeinsam radelten wir weiter.

An dem "Sieben-Tage-Schlachtfeld" machten wir Mittagspause, während ich mir in Gedanken die Schlacht vorstellte und mich freute, daß ich in der heutigen Zeit lebte.

Nach einiger Zeit fing es doch tatsächlich zu regnen an. Und was noch unangenehmer war, war, daß uns an einem Gebäude drei Hunde zähnefletschend begleiteten und anbellten. Zum Glück befand ich mich nicht am Ende der Gruppe. Gern hätten sie mal in unseren Fuß, die Packtaschen oder den Hinterreifen gebissen. Wir gaben Gas und wurden sie glücklich wieder los.

Von einer autoreichen Straße kamen wir dann zu einem großen Einkaufscenter und kauften für heute abend alle Zutaten für das warme Abendessen, das Frühstück und das morgige Mittagsbrot ein. Jeder von uns transportierte davon etwas auf seinem Fahrrad. Schwer beladen erreichten wir unseren Campingplatz "Americamps Richmond Nord".

Kal.-John und ich waren mit dem Essenkochen an der Reihe. John bereitete einen spanischen Salat und ich ein Bohnen/Reisgericht. Die Umstände waren ziemlich primitiv. Es wurde draußen unter einem großen Dach, unter dem viele Tische und Bänke standen, auf zwei kleinen Kochern gekocht. Und das Ergebnis fiel für uns ganz glücklich aus: Bis auf Sarah schlugen alle zu, als hätten sie zwei Tage nichts mehr zu essen bekommen.

Erst spät in der Dunkelheit beendeten wir das Aufräumen und Abwaschen. Das Duschen fiel mal wieder aus Zeitmangel aus. Nur die Zähne wurden geputzt.

Bei Autolärm, als nächtigten wir neben der Autobahn, saß ich schrecklich müde in meinem Zelt und schrieb dieses Tagebuch. Die Augen fielen mir laufend zu, so daß ich eben fast im Sitzen beim Schreiben eingeschlafen wäre.

5. Tag: Americamps Richmond Nord - Lake Anna (78 km) 491 km

In der Nacht konnte ich kaum schlafen, weil fast die ganze Zeit Regen auf mein Zeltdach prasselte.

Sehr früh saß ich in meinem Zelt und schrieb Tagebuch, weil ich nicht nach draußen gehen mochte; denn dort herrschte ein Gewitter. Die Blitze erleuchteten kurzfristig das Zelt. Sie wechselten sich in dichter Reihenfolge mit dem Donner ab. Der Regen schüttete auf das Zeltdach.

Kal.-John und ich waren an der Reihe, Frühstück zu machen. Leider vergaß ich gestern, über meinen Fahrradsattel eine Plastiktüte zu stülpen. So stand mir ein "Wassersitz" zum Fahren zur Verfügung. Bald wollte ich duschen. Wie das alles so bei Dauer-Platzregen vor sich gehen sollte, das wußte ich nicht. Eine wichtige Frage drängte sich mir auf:

„Wie bekomme ich mein Innenzelt eigentlich möglichst trocken in die Tasche? Wie will Sarah den heutigen Tag trocken ohne ihre gestern verlorene Regenjacke überstehen?

Aber weiterfahren mußten wir, um unser Ziel in der vorgenommenen Zeit zu schaffen. Das erschien mir als der reinste Horror. Dagegen war der dauernde Autolärm überhaupt nichts.

Der Donner kam in immer kürzeren Abständen. Das Gewitter stand genau über uns. Mein Thermometer zeigte 20 Grad Celsius an. Der Regen prasselte immer kräftiger auf mein Zeltdach. Die Blitze erleuchteten immer heller das Innenzelt. Sie überschlugen sich völlig. Gestern abend stellte ich mein Zelt unter hohen Bäumen auf, was wegen der Gefahr eines Blitzeinschlages eigentlich verboten war.

Eben hatte ich beidseitig die Reißverschlüsse meiner Fliegeninnen-zelttüren aufgezogen und auf den Grasboden geschaut. Zum Glück suchte ich gestern abend einen erhöhten Platz aus. Die Packtaschen standen noch immer trocken. Noch wurde ich nicht unterflutet. Einen Regenschirm vergaß ich, auf diese Fahrt mitzunehmen.

Ich faßte es nicht: Die Vögel fingen trotz des abziehenden Gewitters lautstark zu zwitschern an. Dann mußte es doch wieder trocken werden, oder?

Aber es wurde es nicht. Kal.-John war schon am Wirken. Nach dem Duschen half ich ihm, das ganze Frühstück für unsere Freunde schön auszubreiten. Um uns herum schien alles im Regen zu ertrinken. Unsere Zelte wurden völlig naß zusammengerollt und in den wasserdichten Sack gesteckt. Jeder hatte aufgrund des Watens durch die weiträumigen Wasserflächen nasse Füße bekommen, weil der Zeltplatz zum größten Teil unter Wasser stand.

Sarah verschob nach einer gemeinsamen Besprechung unsere Abfahrt auf 10.00 Uhr. Und was sollte ich sagen? Um 10.00 Uhr klarte es auf und die Sonne lugte zwischen den aufreißenden Wolken hervor. Zu fünft radelten wir los. Die anderen vier Kameraden starteten früher. Kurz nach dem Start stürzte Alex. Er kam aber mit dem Schrecken davon.

„He, Alex, bist du verletzt?

Er rappelte sich rasch wieder auf.

„Alles OK. Es kann weitergehen.

Heute konnten wir ruhigere Straßen befahren. Viel Wald gab es hier.

Es blieb noch trocken. Ca. zwei Stunden vor unserem Ziel sahen wir Sarah rechterhand drüben bei einer Kirche unter einem großen Dach stehen und uns heranwinken. Wir setzten uns auf die dort stehenden Bänke und aßen unser mitgebrachtes Brot, den Apfel und die Apfelsinen. Lustige Gespräche flogen hin und her. Gemeinsam radelten wir weiter. Heute mußte ganz schön aufgepaßt werden, um sich nicht zu verfahren. Leider fing es wieder zu regnen an, wurde aber zum Glück kein Platzregen. Engl.-Bob und ich empfanden ihn für unsere mitteleuropäischen Verhältnisse als angenehm warm.

Ca. eine Stunde vor unserem Ziel legten wir noch einmal eine Rast ein. Während wir hier saßen und Pfannkuchen aßen und etwas tranken, wurde Engl.-Bob gefragt:

„Woher kommst du?

„Aus England.

Auf diese Antwort hin entspann sich ein angeregtes Gespräch. Als der Frager hörte, daß wir mit dem Fahrrad Richtung Pazifikküste unterwegs waren, staunte er sehr und sagte:

„Paßt vor den Tornados auf; denn vorhin ist südlich dieses Ortes nicht sehr weit entfernt einer durchgezogen und hat zwei Häuser zerstört.

Daraufhin meinte ich trocken:

„Der Tornado hatte ganz bestimmt gewußt, daß wir uns gerade hier befinden und ist südlich vorbeigezogen.

Alle lächelten.

Dann kam der Endspurt. In der Feme grollte Donner. Die Wolken sahen auch nicht gerade vielversprechend aus. Wir legten noch einen Zahn zu.

Durch unendlichen Wald an einer am Flußlauf liegenden alten Wassermühle vorbei gelangten wir glücklich an unserem Ziel, dem Campingplatz von Lake Anna, an. Der Platz, den unsere vor uns angekommenen Freunde zugewiesen bekommen hatten, lehnte ich strikt ab. Es handelte sich hierbei um abschüssiges mit Kiefern bestandenes Gelände. Meine Schlafunterlage hatte eine glatte Oberfläche, so daß ich bei abschüssiger Grundfläche sofort hinunterrutschen mußte. Zum Glück schlossen sich mir noch vier weitere Kameraden an. Sarah setzte sich bei der Leitung des Campingplatzes ein und kam mit der positiven Nachricht wieder:

„Wir dürfen uns oben auf dem Rasen einen Zeltplatz aussuchen.

Glücklich nahmen wir das Angebot an. Die nassen Zelte mußten während unserer Abendmahlzeit trocknen.

Zu meinem Schrecken bekamen wir für morgen diese Frühstückszeit gesagt: 6.00 Uhr, weil wir über 100 km in diesem bergigen und noch bergiger werdenden Gelände fahren sollten.

6. Tag: Lake Anna - Charlottesville (128 km) 619 km

Fix und fertig saß ich draußen neben dem Geschäft des Campingplatzes am Frühstückstisch. Neben mir an der Hauswand lehnte mein voll aufgepacktes Fahrrad. Miki briet für alle Pfannkuchen. Mit riesigem Hunger verdrückte ich sage und schreibe drei davon und stand hinterher glücklich und zufrieden auf. Meine Gruppe, die aus Kal.-John, Engl.-Bob, N.-Y.-Bob und Alex bestand, trudelte so langsam ein, aber ohne Räder. Auch hinterher dauerte es noch lange, ehe sie ihre Zelte abgebaut und alles in den Taschen verstaut hatten.

Zu allem Übel bekam Alex nach kurzer Zeit einen Platten im Hinterrad, so daß wir nochmal eine ganz lange Zeit mit Flicken zubrachten. Hätte ja auch mir passiert sein können. Und dann ging es richtig zur Sache.

Vorher am Frühstückstisch wunderte ich mich, weshalb mich Sarah persönlich ansprach und mir ans Herz legte, falls etwas sein sollte, sollte ich sie gleich anrufen, dann würde sie kommen und alles regeln.

Bald wurde es mir klar: Heute ließ es sich nicht verheimlichen, daß wir dem Blue Ridge-Parkway immer dichter kamen. Es wurde sehr bergig.

Wieder stellte ich fest, daß es in dieser Gegend sehr viele Hundefreunde gab. Sehr oft wurden wir von ihren Lieblingen angegeifert. Zum Glück kamen wir jedesmal mit dem Schrecken davon.

Die heutige Strecke sollte knapp 130 kam lang sein.

Wir radelten durch ein riesiges wunderschönes Waldgebiet. Die Berge wurden immer länger. Ihre Steigungen betrugen zwischen 10 und 12%. Aber die Belohnung ließ nicht auf sich warten: Herrliche Abfahrten sausten wir mit „high speed und Genuß hinunter, bis wir wieder die anschließende eklige Steigung wie eine Wand vor uns sahen. In unserer Gruppe sprachen wir nicht von den Steigungen, sondern nur von herrlichen "downhills" (Abfahrten).

Der Himmel blieb uns gnädig gesonnen: Keine Regentropfen benetzten uns. Dafür blies uns aber ein frischer und stürmischer Wind entgegen. Während wir nun so durch die herrlich grüne Landschaft fuhren - es war fast wie durch einen Dauerpark - sah ich rechterhand einen jungen Mann vor seinem Haus an einem Auto stehen, an dessen Rückseite zwei Fahrräder befestigt waren. Ich grüßte hinüber. Er grüßte gleich wieder zurück und fragte:

„Wo wollt ihr hin?

„Nach Oregon an den Pazifik!

„Take care!

Im nächsten Ort überholte uns jemand mit seinem Auto, der auf unserer Höhe seine Fahrt verlangsamte und zu uns sagte:

„An der Rückseite der Kirchenwand findet ihr einen Wasserhahn und könnt Euch eure Wasserflaschen wieder neu auffüllen.

Wir dankten ihm. Unsere Trinkflaschen waren schon leer und unser Durst unendlich. Welch Einfühlungsvermögen! Tatsächlich erschien im nächsten kleinen Ort links eine Kirche, an deren Rückwand sich ein Wasserhahn befand. Wir tranken soviel wie wir konnten und füllten ganz glücklich unsere vielen Wasserflaschen mit dem köstlichen, kühlen Naß.

Vorbei war die gemütliche Fahrradwanderzeit. Es wurde ernst.

Die Berge rissen nicht ab, nahmen höchstens in kürzeren Intervallen zu und waren uns sicher wie das Amen in der Kirche. 128 km auf diese Weise zu fahren, wurde für mich zu einer sehr großen Anstrengung und Herausforderung. Aber meinen zwei lieben Radsportfreunden, die mich begleiteten, erging es auch nicht viel besser. Das tröstete mich sehr. Kal.-John bekam genau in dem Moment, wo er mich am Berg überholen wollte, einen Platten und wäre fast gestürzt. Ich bat um Weiterfahrt, weil ich mit meinem langsamen Bergauffahren meiner Ansicht nach die Gruppe aufhielt. Sie schickten mich vor.

Dann traf ich Alex, der sich mir anschloß. Wir beide radelten nach Monte Celli hinein. Hier kam ich mir vor, als sei ich bei einer der gepflegten und hübschen Schloßanlagen in Frankreich angekommen.

Wir beide radelten das wellige Gelände weiter hoch und runter und kamen nach Charlottesville, einer Horrorstadt für Fahrradfahrer, weil sie auf so gräßlichen Bergen erbaut worden war.

„In dieser Stadt gibt es bestimmt keine Fahrradfahrer. Wenn ja, grenzt das hier dann schon an Wahnsinn, schoß es mir durch den Kopf.

Solche steilen Abfahrten und Steigungen fuhr ich noch nie. Mitten in der Stadt verschwanden meine Freunde plötzlich vor mir hinter einer Berkuppe. Als ich dort ankam, dachte ich, daß das eigentlich gar nicht wahr sein könne, was ich jetzt fahren sollte. Meine Freunde sah ich gerade auf der gegenüberliegenden Steigung wieder hochkommen. Zum Überlegen blieb mir gar keine Zeit. So holte ich nur tief Luft und fuhr beherzt in die Tiefe und mit Schwung auf der anderen Seite wieder ein Stück hoch. Den Rest konnte ich nur mit meiner Übersetzung: 24 x 34 Zähnen langsam erklimmen.

Irgendwann erreichten wir unseren sehr guten KOA Campingplatz. Die Gesamtstrecke belief sich auf insgesamt 128 km. Auf diese Leistung war ich sehr stolz.

Als ich nach dem Duschen unten am Campingplatz ankam, hatten schon alle gegessen. Für mich war aber noch etwas vorhanden. Eine lange Unterhaltung entspann sich zwischen uns, die wir bei Stimlam-penschein in der Dunkelheit zusammensaßen.

Ohio-John sprach mich heute an, ob ich ihm bitte auf dieser Reise etwas Deutschunterricht erteilen könnte. Das versprach ich. Wie das aber praktisch gehen sollte, wußte ich noch nicht, da er der Erste war, der vom Campingplatz fuhr und als Erster am Abend ankam, ganz im Gegensatz zu mir. Er war jung, sehr interessant, freundlich und hilfsbereit, also sehr sympathisch.

In der tiefen Nacht saß ich auf meiner Schlafunterlage im Schlafsack und schrieb das Tagebuch, während draußen bei Vollmond eine Grille zirpte.



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