Читать книгу Gesellschaftliche Teilhabe - Hildegard Mogge-Grotjahn - Страница 13
1.1.2 Teilhabe
ОглавлениеAuch die Übergänge vom erweiterten Begriff der politischen und sozialen Partizipation zu dem der Teilhabe sind fließend. Die Teilhabe-Thematik hat zum einen eine sozialpolitische und rechtliche Bedeutung. Zum anderen berührt sie grundlegende Fragen nach den gesellschaftlichen Werten. Auch für die theoretische Begründung und Entwicklung (sozial-)pädagogischer Konzepte ist das Teilhabe-Verständnis zentral.
Juristisch geht es darum, allen Bürger_innen einer Gesellschaft das Recht auf die Gestaltung des eigenen Lebens und die Mitgestaltung der allgemeinen Lebensverhältnisse einzuräumen und zu garantieren. Da hierfür sowohl materielle als auch immaterielle Ressourcen nötig sind, wird dem Staat die Aufgabe zugeordnet, die Voraussetzungen für soziale Teilhabe zu schaffen, in erster Linie für die Adressat_innen wohlfahrtsstaatlicher Leistungen.
Seit den 1930er Jahren wurde – u. a. von dem Juristen Ernst Forsthoff (1902–1974) – immer wieder neu definiert, was konkret als Rechtsanspruch im Sinne von Mindeststandards für Teilhabe verstanden werden soll. Daran schließt sich die Frage an, welche Aufgaben bei der Gewährleistung dieser Mindeststandards der Ökonomie, der Politik, dem Sozialstaat und den Einzelnen zukommen und wessen Interessen besondere Berücksichtigung finden sollen. Je nach den politischen Verhältnissen – in Deutschland die Weimarer Republik, der Nationalsozialismus, die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) nach 1945 – wurden unterschiedliche, weltanschaulich geprägte Konzeptionen hierzu entwickelt (vgl. Huster 2018a). Hierauf wird in Kapitel 3.1 näher eingegangen ( Kap. 3.1).
Seit den 1950er Jahren setzte sich ein Verständnis von Teilhabe als »Kernbegriff des bundesrepublikanischen Sozialstaats« (Wesselmann 2019, S. 95) durch. Die Sozialgesetzgebung hat diesen Leitgedanken im Laufe der Jahrzehnte immer wieder modifiziert und weiterentwickelt.
Beispielsweise trug das neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) von 2001 den Titel »Rehabilitation und Teilhabe«, und in der Fassung von 2018 bestimmte der § 1 die »Selbstbestimmung und … volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft« als Ziel der Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen (vgl. Wesselmann 2019, S. 95f). Seit dem 1. Januar 2020 ist das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft, das umfangreiche Verbesserungen zur Unterstützung der Autonomie von Menschen mit Behinderungen regelt.
Ähnliche Zielsetzungen sind auch für andere Bereiche des Sozialstaats und der Sozialen Arbeit gesetzlich fixiert, z. B. im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und im »Bildungs- und Teilhabe-Paket« (BUT) für Kinder und Jugendliche.