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Das Zeitalter der Ottonen

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Die letzten Jahre der Karolinger waren von Machteinbußen und dem Niedergang des Reichs geprägt. 843 zerfiel das ehemals vom Ebro bis an die Elbe reichende Herrschaftsgebiet Karls des Großen in drei Teile; im Jahr 887 wurde der letzte karolingische Kaiser des ostfränkischen Reichs, Karl der Dicke (839–888), abgesetzt. Die unklaren Machverhältnisse im Innern und die neuen Gefahren von außen konnten durch die Krönung Heinrichs I. (876–936) zum König Ostfrankens im Jahr 919 eingedämmt werden. Er entstammte dem sächsischen Adelsgeschlecht der Liudolfinger, die wegen des Leitnamens (Otto I., Otto II. und Otto III.) rückblickend auch als Ottonen bezeichnet werden. Mit ihm kamen die Sachsen an die Macht, die noch kurz zuvor von den Franken nur mit großer Mühe unterworfen und christianisiert werden konnten.

Die Ottonen knüpften an das an, was Karl der Große begonnen hatte: Ihr Ziel war es, im Ostfränkischen Reich, zu dem ein Großteil der heutigen Bundesrepublik gehörte, das Imperium Romanum wiedererstehen zu lassen und fortzuführen. Auch den Ottonen gelang dies unter anderem durch Expansionspolitik: Heinrich I. vereinte die fünf Stammesherzogtümer Sachsen (heute Westfalen, Niedersachsen, Holstein), Bayern, Franken, Schwaben und Lothringen unter seiner Königsherrschaft und Otto I. (912–973) trug 955 den endgültigen Sieg über die Ungarn, später über die Slawen davon. Das Reich vergrößerte er nach Norden, Osten und Süden; in Byzanz kam er mit Italien in Konflikt. Im Jahr 936 ließ Otto I. sich in der Pfalzkapelle in Aachen zum König des Ostfrankenreichs krönen und schuf damit eine Tradition, die bis ins 16. Jahrhundert hinein Bestand haben sollte. Fast drei Jahrzehnte später wurde er in Rom zum Kaiser des Imperium Romanum ernannt.

Obwohl Aachen fortan als Krönungsort der deutschen Könige bedeutsam blieb, wurde mit Otto I. Magdeburg zum Zentrum des Reichs und 968 zum Bistum erhoben. Den Dom stattete man dem Vorbild Karls des Großen folgend mit kostbaren Baumaterialien aus; die Spolien aus Italien (Porphyr- und Marmorsäulen) sind noch heute in den frühgotischen Chor integriert. Abgesehen davon ist von dem ursprünglich ottonischen Vorgängerbau nach einem Brand jedoch nichts erhalten geblieben.

Folgenreich für das Imperium Romanum war die Heirat zwischen Otto II. (955–983) und Theophanu (ca. 960–991), der Nichte des byzantinischen Kaisers, denn der Kulturtransfer von Ost nach West wurde damit forciert. Der kreative Umgang mit den verschiedenen Einflüssen verlieh der ottonischen Kunst einen so eigenständigen Charakter, dass sie als erste eigenständige Epoche in der deutschen Kunst betrachtet wird.

Mit Otto III. (980–1002) verschob sich das Machtzentrum schließlich weit in den Süden: er ließ sich mit seinem kaiserlichen Hof in Rom nieder und erhob die Stadt am Tiber zur Hauptstadt. Mit der Ernennung eines seiner Vettern zum Kaiser, Heinrich II. (973/978–1024), begann die letzte Dekade der Ottonen.

Erst nach den Ungarnkriegen (955) sind die ersten bedeutenden Baudenkmäler zu verzeichnen und wegen der engen Verflechtung des Königshauses mit der Kirche war die ottonische Kunst fast ausschließlich sakral, wobei man auf ein für die christliche Kunst folgenreiches Novum hinweisen muss: Bildwerke am und auf dem Altar, die es in dieser Form wegen des zwiespältigen Verhältnisses der westlichen Kirche zu Bildern im sakralen Raum bis dahin nicht gegeben hatte, begannen sich dort in Form schlichter Kruzifixe, Madonnen und Antependien (Altarbekleidungen) zu etablieren.

Neu war ebenfalls, dass neben den Klöstern auch die Bischofssitze zu Vermittlern von Bildung und Kultur wurden; sie waren nicht nur Zentren kirchlicher, sondern auch weltlicher Macht, die große Territorien verwalteten. Auf diese Weise waren die Kaiser und Bischöfe aufs Engste miteinander verbunden. Die neuen Bistümer, wie Magdeburg und Bamberg, waren kaiserliche Gründungen, deren Bischöfe vom Kaiser in ihr kirchliches Amt eingesetzt wurden. Zugleich entstammte beispielsweise ein Bischof Bernward von Hildesheim eben jenen sächsischen Adelskreisen, die auch den König wählten. Diese Allianz von Staat und Kirche, die in der Ernennung des Bischofs Bruns von Toul (ein Vetter des Kaisers) zum Papst durch Kaiser Otto III. im Jahr 996 und in der Heiligsprechung des letzten ottonischen Kaisers Heinrich II. im Jahr 1146 durch Papst Eugen III. kulminierte, zeigt sich auch in den neuen Dimensionen der Kathedralen. Sie sollten Rom und das Himmlische Jerusalem auf Erden repräsentieren und sind zugleich als Zeichen kaiserlicher und bischöflicher Macht zu verstehen. Vermied man anfänglich noch eine besonders auffällige Pracht, veränderte sich dies Ende des 10. Jahrhunderts unter zunehmend byzantinischem Einfluss: Edle Materialien sowie reichere Ausschmückung rückten immer mehr in den Vordergrund.

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