Читать книгу Psychologie für Schiedsrichter - Hilko Paulsen - Страница 11

1.2.2 Der Schiedsrichter – Psychologe auf dem Platz

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Bereits früh in meinem Studium hat mir ein Gedanke des amerikanischen Psychologen George Kelly imponiert. Er hat die These aufgestellt, dass Menschen wie Psychologen menschliches Erleben und Verhalten beschreiben, erklären, vorhersagen und beeinflussen (Kelly, 1955).

Bereits damals habe ich die Idee aufgegriffen und in einem Vortrag unter Schiedsrichterkollegen dargelegt: „Der Schiedsrichter – Psychologe auf dem Platz“. Was ist damit gemeint? Auch als Schiedsrichter bist du gefordert, das Erleben und Verhalten von dir und vor allem von den Spielern einzuordnen. Du erklärst dir, was Ursachen sind, wirst Vorhersagen über den weiteren Spielverlauf treffen und überlegst dir, mit welchen Maßnahmen du Spielfluss förderst und die Spielkontrolle behältst – sprich, das Verhalten der Spieler beeinflusst.

Stelle dir folgende Situation vor. Nachdem die Gäste früh mit 2:0 geführt haben, konnte die Heimmannschaft fünf Minuten vor der Halbzeitpause den Anschlusstreffer erzielen. Es folgten noch härtere Zweikämpfe, drei Gelbe Karten und eine Gelb-Rote-Karte vor dem Pausenpfiff. Du leitest die Partie im Gespann. In der Pause wirst du dich mit deinen Assistenten vermutlich über den Spielverlauf austauschen. Ihr werdet das Erleben und Verhalten der Spieler, voraussichtlich auch der Trainer und weiterer Offizieller beschreiben. Ihr erklärt Situationen. Vor allem werdet ihr aber auch darüber sprechen, was wohl in der zweiten Halbzeit passieren wird. Ihr werdet Vorhersagen treffen, ob die Spieler aggressiv auftreten werden – und ihr werdet euch abstimmen, wie darauf zu reagieren ist.

Als Schiedsrichter wirst du nicht wie ein Wissenschaftler systematisch vorgehen. Dafür fehlt schlichtweg auch die Zeit. Als Schiedsrichter bist du gefordert, bei Zeitdruck auch unter Unsicherheit zu handeln und dich für eine Option zu entscheiden. Dies führt zwangsläufig dazu, dass du dich manchmal irrst und rückblickend vermutlich anders gehandelt hättest. Gelingt es dir allerdings in einem Spiel, das Erleben und Verhalten von Menschen vorherzusagen und zu beeinflussen, wird dies die Spielleitung vermutlich deutlich erleichtern.

In diesem Buch bekommst du Impulse und Anregungen, die du dazu nutzen kannst, bereits gemachte Erfahrungen zu reflektieren und künftige Erfahrungen einzuordnen.

Bevor du nun weiterliest: Erinnerst du dich noch an die Eingangsfrage? Auf einer Skala von 0 bis 100 % solltest du angeben, wie viel Kopfsache eine Spielleitung für dich sei.

• Was würdest du nun sagen?

• Hat sich nach dem Lesen des Einführungskapitels schon etwas geändert?

• Welche eigenen Erfahrungen hast du bereits mit mentalen Anforderungen auf dem Platz gemacht?

• Welche Fragen hast du dir immer wieder gestellt?

Im folgenden Kapitel werden verschiedene inhaltliche Schwerpunkte in einzelnen Kapiteln behandelt, vom Urteilen und Entscheiden bis hin zur Psychologie der Schiedsrichterbeobachtung. Du wirst vermutlich während des Lesens die Erfahrung machen, dass dir einiges bekannt vorkommt. Wahrscheinlich nutzt du unbewusst bereits die eine oder andere Theorie in deinen Spielleitungen, um das Erleben und Verhalten von Spielern zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen.

In der Zukunft kannst du davon profitieren, bewusster mit diesen Brillen auf Ereignisse zu schauen. Ebenso wirst du neue Brillen kennenlernen, die dir helfen, eine neue Perspektive einzunehmen. So erweiterst du deinen Horizont.

Infobox 1.1: Lesetipps für das Buch

Du kannst dieses Buch selbstverständlich von vorne bis hinten lesen. Wahrscheinlich interessieren dich aber einige Dinge mehr als andere. Von daher kannst du in dem Buch auch einzelne Kapitel lesen und die Reihenfolge selbst festlegen.

In den meisten Kapiteln findest du verschiedene Übungen, die dir helfen, dich und deine Erfahrungen zu reflektieren und so Impulse für die Praxis zu geben. Weniger ist dabei manchmal mehr. Bearbeite lieber eine Übung intensiv, als alle oberflächlich. Du kannst das Buch auch als Saisonbegleiter sehen und immer wieder in Kapitel reinstöbern. Denn, wenn du neue Erfahrungen auf dem Platz sammelst, findest du oft auch noch Anknüpfungspunkte an die Inhalte des Buchs.

Psychologie für Schiedsrichter

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