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1.2 Psychologie – die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten

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Die Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten (Dorsch, Häcker & Becker-Carus, 2004). Das Erleben bezieht sich auf das, was in uns Menschen vorgeht. Dies sind vor allem Gedanken und Gefühle, die wir Menschen haben. Es geht dabei nicht nur um Abweichungen und Störungen, sondern um alltägliche Dinge. Entsprechend umfangreich sind die Berufsfelder von Psychologen, die sich von Psychotherapeuten und Psychiatern abgrenzen lassen (siehe Exkurs 1.1).

Menschliches Erleben und Verhalten ist auch auf dem Fußballplatz allgegenwärtig. Das Erleben fängt mit der Wahrnehmung und Beurteilung von Zweikämpfen an. Der Schiedsrichter erlebt ferner den Spielcharakter und schätzt diesen ein. Er erlebt sich vielleicht als konzentriert oder unkonzentriert. Spieler erleben eine Entscheidung möglicherweise als unfair und erleben Emotionen – oft Ärger oder Wut.

In Tab. 1.1 sind einige Beispiele für Erleben und Verhalten von Schiedsrichtern und Spielern dargestellt. Die Auswahl zeigt bereits, dass ein Fußballspiel viel mit Psychologie zu tun hat.

Tab. 1.1: Erleben und Verhalten auf dem Fußballplatz (Beispiele)

Erleben Verhalten
Schiedsrichter • Zweikampfbeurteilung (Foul/kein Foul) • Intensität der Foulspiele • Spielcharakter fair/unfair • (Un-)konzentriert sein („bei der Sache“ vs. „Abschweifen“) • Selbstsicherheit vs. Zweifel • Motivation (Lust vs. Unlust) • Emotionen (z. B. Ärger/ Freude nach Beobachtung) • Entscheidungen • Nonverbales Verhalten (Gestik, Mimik) • Ansprachen durch Worte • Lauf- und Stellungsspiel • Blickkontakt im Gespann • Training in der Woche • Spielvorbereitung
Spieler • Emotionen (z. B. Frust, Ärger) • Fairness von Entscheidungen • Erleben des Schiedsrichters als Person (z. B. kompetent, zuverlässig) • Erleben von Gegenspielern als fair oder unfair • Zweikampfverhalten • (Nicht) zum Mitspieler abspielen • Shakehands mit Gegner • Den Gegner verbal angehen • Unmutsäußerungen gegenüber Schiedsrichter • Nonverbales Verhalten nach Entscheidungen, verlorenen Zweikämpfen

Das Erleben umfasst neben der Wahrnehmung von Spielsituationen auch, wie Menschen sich selbst und andere Menschen wahrnehmen – also erleben. Beim Schiedsrichter kann das das Gefühl von Sicherheit sein oder aber Zweifel, die aufkommen. Bei Spielern das Erleben des Schiedsrichters und der Gegenspieler. Menschen erleben sich und andere.

Bei Spielen unter Beobachtung ist gerade dieser Abgleich sehr spannend.

• Wie hat der Schiedsrichter eine Situation wahrgenommen?

• Wie hat der Beobachter den Schiedsrichter erlebt?

• Welches Selbstbild hat der Schiedsrichter von seiner Leistung?

• Deckt sich dies mit dem Bild, das der Beobachter und die Assistenten von seiner Leistung haben, mit dem Fremdbild?

Der Abgleich setzt voraus, dass in einer Nachbesprechung darüber gesprochen wird. Denn grundsätzlich bleibt das Erleben anderen verborgen.

Manche Menschen denken, dass Psychologen in sie hineinschauen können und Gedanken lesen könnten. Dies trifft nicht zu. Psychologen können jedoch Vermutungen anstellen, die oft zutreffen, weil viele Menschen in vergleichbaren Situationen Ähnliches erleben. Auch können sie oft besser aus dem, was andere sagen, herausfiltern, was andere erleben. Doch das Erleben wird hier nur erschlossen, in die Köpfe gucken kann niemand. Für Außenstehende ist daher das Verhalten, das andere an den Tag legen, entscheidend.

Das Verhalten können wir beobachten. Hier geht es darum, was eine Person tut oder mehrere Personen tun. Auf dem Platz sind das unter anderem konkrete Entscheidungen. Der Schiedsrichter pfeift. Er entscheidet auf Strafstoß. Auf dem Platz passiert aber noch viel mehr.

Der Schiedsrichter spricht Spieler an. Er ermahnt sie. Dies macht er auf eine bestimmte Art und Weise: mal besonnen, mal energisch. Die Spieler foulen, regen sich auf, beruhigen sich usw. Abseits des Platzes gibt es auch ein breites Verhaltensrepertoire, das Schiedsrichter zeigen können. Schiedsrichter reflektieren sich mehr oder weniger. Schiedsrichter holen sich Feedback ein oder nicht. Schiedsrichter trainieren viel oder wenig.

Erleben und Verhalten sind natürlich nicht isoliert voneinander zu betrachten. Gedanken und Gefühle beeinflussen – mal mehr, mal weniger – das Verhalten.

Einstellungen führen zu Handlungsabsichten, die sich dann auch im Verhalten widerspiegeln (Ajzen, 1985). Wenn der Schiedsrichter denkt, dass eine Ermahnung nicht notwendig ist und er das Spiel ebenso mit einer Ansprache beruhigen kann, verzichtet er wahrscheinlich auf eine Verwarnung.

Nicht immer ist der Mensch jedoch so überlegt. Auch Gefühle spielen eine Rolle und können der Auslöser für ein Verhalten sein. Auf Schiedsrichter bezogen wären Entscheidungen dann beispielsweise impulsiver und weniger reflektiert (vgl. Raab et al., 2020).

Wie könnte sich das konkret auf dem Platz auswirken? Wenn ein Schiedsrichter bereits von einem Spieler genervt ist, dann kann es sein, dass dieser schneller zu einer Karte greift, wenn dieser erneut eine Entscheidung kritisiert. Unser Verhalten gibt uns zudem Rückschlüsse über unsere eigene Person und beeinflusst so unser Erleben.

Ein Schiedsrichter, der nach Spielen feststellt, dass er immer wieder in Spielen ein Späßchen mit Spielern macht, wird sich vermutlich eher als „Kumpeltyp“ erleben (Bem, 1972). Auch andere Menschen ziehen aus dem Verhalten Rückschlüsse auf innere Zustände. Wenn der Schiedsrichter kurz zögert, erleben ihn andere als unsicher.

Exkurs 1.1: Psychologe, Psychotherapeut, Psychiater

Psychologen werden oft mit einer Couch in Verbindung gebracht. Die Annahme ist, dass sie sich als „Seelenklempner“ um psychisch kranke Menschen kümmern.

Zu unterscheiden ist zwischen verschiedenen Berufsgruppen: den Psychologen, den Psychotherapeuten und den Psychiatern.

Psychologen haben ein Studium der Psychologie absolviert. Sie arbeiten in vielen Feldern, z. B. in der Wirtschaft, in Schulen oder im Sport. Sie beschäftigten sich vorrangig mit gesunden Menschen. Oft zielt ihr Handeln darauf ab, das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft von Menschen zu fördern. Psychologen sind keine Ärzte. Sie therapieren auch nicht.

Ebenfalls keine Ärzte, jedoch therapeutisch tätig sind Psychotherapeuten. Psychologische Psychotherapeuten haben in der Regel Psychologie studiert. Sie haben zudem eine mehrjährige Zusatzausbildung, die es ihnen erlaubt, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu therapieren. Sie unterstützen beispielsweise Menschen mit Depressionen, Suchterkrankungen oder traumatischen Erlebnissen, wie Gewalterfahrungen.

Psychiater haben Medizin studiert und haben eine mehrjährige Facharztausbildung. Sie betrachten vor allem körperliche Ursachen psychischer Störungsbilder und behandeln vorrangig mit Medikamenten.

Erleben und Verhalten von Menschen spielt immer eine Rolle, wenn Menschen irgendwo tätig sind. Auf dem Fußballplatz gibt es viele Menschen, die zusammenkommen. Entsprechend komplex wird das Erleben und Verhalten von Menschen. Die Psychologie als Wissenschaft nähert sich dem Ganzen systematisch. Auch praktisch tätige Psychologen gehen ähnlich strukturiert an Aufgaben heran.

Psychologie für Schiedsrichter

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