Читать книгу Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet - Holger Dr. phil. Wohlfahrt - Страница 14
Das Herausspüren des Sinns
ОглавлениеDie Studie aus Marienthal verdeutlicht also nachdrücklich, wie wichtig es ist, für sich selbst Sinn finden zu können. Wenn eine Idee wie die des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ je realisiert werden soll, muss der Mensch zunächst und von klein auf lernen, sich selbst passende Ziele zu setzen. Diese „fallen einem schließlich nicht in den Schoß“, wie US-Psychologe Todd Kashdan betont. Die einflussreiche österreichische Psychotherapeutin und Psychologin Elisabeth Lukas bekräftigt: „Ein solcher [nachhaltig glücksstiftender und lebenserhaltender] Sinn kann nicht willkürlich gesetzt werden, den muss jeder für sich herausspüren.“
Wichtig wäre daher, dass bereits Kinder vor allem angeregt werden, herauszufinden, was ihrem Leben Sinn geben kann. Dafür benötigen sie geistigen Freiraum. Statt in immer stärker einengende Förderprogramme gesteckt zu werden, statt immer mehr darauf konditioniert zu werden, simple vorgekaute Fakten auswendig zu lernen und nachzukauen, statt unentwegt bespaßt zu werden, wäre es hilfreich, wenn der pädagogische Fokus stärker auf die geistige Entwicklung und Kreativitätsbildung gelegt werden würde. Statt künstlerische Fächer in der Schule einzuschränken und gegenüber den faktenbasierten Fächern abzuwerten, müssten sie eine Aufwertung erfahren.
Schon kleinste Kinder der heutigen Zeit werden nur allzu oft an ein Leben gewöhnt, das ausschließlich aus blinder Arbeitswut und ablenkendem Spaß besteht. Es geht ihnen wie einem Menschen mit einem krankhaften Gelüst nach Pfeffer. Sind die Geschmacksnerven erst einmal betäubt, muss die Menge erhöht werden. Das geht so lange, bis der Mensch gar nichts mehr schmeckt oder erstickt.
Die Unterhaltungsindustrie bietet jedoch gerade im Kinderbereich inzwischen so viele Angebote zu einfacher Ablenkung und radikalem Eskapismus, dass für Muße, Langeweile und die Entwicklung von menschlicher Eigenheit keine Zeit bleibt. Statt eigene sinnstiftende Wege zu entwickeln um etwa empfundener Langeweile zu entkommen, lernen bereits junge Menschen, sich am nächsten Unterhaltungsangebot zu berauschen oder wenigstens zu betäuben. Schon Kinder verkommen zu Dopaminjunkies. Es wird ihnen daher zusehends schwerer, einen eigenen Lebenssinn herauszuspüren.
Genau dieses Herausspüren eines Sinns ist jedoch etwas, das in jeder Lebensphase seinerseits sinnstiftend und damit tragend sein kann. Es ist nie zu spät, sich auf die Suche zu machen. Diese kann in einer intensiven, nie enden wollenden Reflexion über sich und die umgebende Welt münden, die beispielsweise auch dahin führt, sich allgemein mit den geistigen und materiellen Grundlagen der Menschheit zu beschäftigen und daraus Lebensmaximen zu entwickeln. Die Voraussetzung des Unterwegsseins wäre dabei erfüllt. Der Stein des Sisyphos wäre in dem Fall geistiger Natur.
Doch einfacher und zielführender ist es sicherlich, seinem Leben durch klar umrissene Meta-Ziele Sinn und Zweck zu geben. Hilfreich ist es, sich zu überlegen, für was man als Mensch steht oder stehen will. Was würde man seinen Enkelkindern oder auch nicht verwandten Nachfahren gerne als Vermächtnis hinterlassen? Fühlt man sich gut dabei, wenn die Enkel und womöglich noch deren Enkel dereinst einen Vorfahren vor Augen haben werden, der vor allem in rücksichtslosem Egoismus schwelgte oder ein sinnloses, da zweckbefreites Leben führte?
Vielleicht ergibt sich aus derartigen Gedanken eine Orientierung. Vielleicht ergeben sich auch mehrere Pfeiler, die einen individuellen Gesamtsinn des Lebens tragen. So könnten sich aus solcherlei Überlegung zum Beispiel die Ziele entwickeln, sich für eine lebenswerte Welt voller natürlicher Vielfalt und Buntheit einzusetzen und dabei ein reflektiertes, Mensch und Natur freundlich gesinntes, werte-gebundenes Weltbild für sich und andere zu entwickeln. Daraus könnten sich durchaus sinnstiftende Sekundärziele entwickeln, wie z.B. gesellschaftliches Engagement, öffentliche Hilfsbereitschaft oder verstärkte Achtsamkeit.
Derartige Ziele können das punktuelle Glücksempfinden natürlich jederzeit torpedieren. Warum beispielsweise an die Enkel oder gar nicht-verwandte Nachfahren und deren natürlichen Lebensraum denken, wenn man doch nur den nächsten Gefühlskick sucht und daher gerne das nächste Billigflugangebot ans andere Ende der Welt annehmen möchte oder sich an der Anschaffung eines weiteren Sportwagens berauschen will?
Um sich von derart kleinen, aber langfristig süchtig machenden Verheißungen nicht vom großen Weg abbringen zu lassen, kann es hilfreich sein, die erdachten Ziele in gut begründeter Form zu verschriftlichen und damit zu visualisieren. Auf diese Art werden sie zu einer Landkarte, die den Weg der lebenslänglichen Reise immer wieder aufs Neue weist.
Dabei ist es durchaus wichtig, sich für unterwegs Zwischenziele zu suchen. Sonst könnte der Weg zu ermüdend werden. Ein erreichtes kleines Ziel tut gut und bringt Erleichterung. Wer seinen Weg jedoch nie gänzlich abbricht, sondern stetig der vorgegebenen Richtung weiter folgt, wird insgesamt einen größeren Lohn erhalten als nur gelegentliche Momente der Euphorie innerhalb einer großen Leere: nämlich Erfüllung, Sinn und ein dauerhaft abrufbares, tiefes Glücksempfinden.