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Einleitung Noch ein Glücksbuch

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Der antike Philosoph Seneca (etwa 1-65 n.Chr.) schrieb im ersten nachchristlichen Jahrhundert: „Ein Leben im Glück […] wünschen sich wohl alle, ebenso tappen aber auch alle im Dunkeln, wenn es darum geht, sich die Voraussetzungen für ein echtes Lebensglück deutlich vor Augen zu stellen.“

Knapp 2000 Jahre später ist die Suche nach diesen Voraussetzungen weit fortgeschritten. Inzwischen lassen sich ganze Bibliotheken mit Abhandlungen zum Thema Glück und seinen Voraussetzungen füllen. Allein der deutschsprachige Buchmarkt bietet hierzu rund 3000 Bücher an. Die Suchmaschine Google zeigt fast 140 Millionen Einträge zum Wort „Glück“. Zahlreiche akademische Disziplinen von der Theologie über die Philosophie und Psychologie bis hin zur Neurologie befassen sich genauso wie die Esoterik aus je unterschiedlichen Perspektiven unter anderem auch mit dem menschlichen Glück. Dass die Menschheit deswegen glücklicher geworden ist, lässt sich jedoch nicht ernsthaft behaupten.

Im Gegenteil: Die Zahl der an Depressionen erkrankten Menschen nimmt rasant zu. Ein Grund dafür mag sein, dass heutzutage die Diagnose Depression schlichtweg schneller gestellt wird. Doch nicht nur im groß angelegten historischen Vergleich, sondern auch in jüngster Vergangenheit, in der sich die definierten Krankheitsbilder und die Diagnosemethoden nicht groß verändert haben dürften, nahmen die Depressionserkrankungen weltweit zu.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass Depressionen bis zum Jahr 2030 in den Industrieländern sogar der häufigste Grund für Tod und chronische Behinderung sein werden – noch vor Herzerkrankungen und Verkehrsunfällen. In Deutschland erkranken aktuell jährlich 5,3 Millionen Menschen an Depressionen. Damit ist die Zahl in den letzten zehn Jahren bereits um 70 Prozent gestiegen. Statistisch betrachtet, nimmt sich jede Stunde ein Mensch das Leben.

Natürlich ist das Krankheitsbild der Depression komplex. Eine klinische Depression lässt sich wohl nicht allein durch einen veränderten Lebensstil behandeln. Die neuesten Erkenntnisse der Glücksforschung können hier meist wenig ausrichten. Momente des Glücks kann der Depressive oft gar nicht mehr empfinden. Es hilft also nichts, sie krampfhaft erzeugen zu wollen. Der Kampf gegen die Depression ist daher etwas anderes als ein alltägliches Glücksstreben.

Dennoch lässt sich womöglich prophylaktisch gegen das gesellschaftliche Abdriften in kollektive Depressionszustände vorgehen. Zumindest für den Umgang mit depressiven Verstimmungen kann es hilfreich sein, mehr glücksstiftende Elemente in das Alltagsleben zu integrieren. Depressive Verstimmungen gelten anders als klinische Depressionen nicht als Krankheit, sondern als Symptom.

Die Korrelation zwischen Lebensumständen und depressiven Verstimmungen als deren Symptom ist angesichts der skizzierten WHO-Statistiken offensichtlich. Irgendetwas an den Entwicklungen der hochindustrialisierten Welt scheint dem Glücksempfinden nicht zuträglich zu sein. Vielleicht hat man sich trotz oder vielleicht auch wegen der intensiven Suche und Forschung sogar weiter denn je von den „Voraussetzungen für echtes Lebensglück“ entfernt.

Vielleicht hat man bei der Suche einen falschen Weg gewählt. Bereits Seneca machte auf diese Gefahr aufmerksam: „Hat man nämlich den Weg einmal verfehlt, kann man sich sogar vom Ziel entfernen, und zwar umso weiter, je hastiger man sich ihm nähern will.“ Rennen wir bei unserer Glückssuche in die falsche Richtung?

Oder wenden wir all das gewonnene Wissen nur nicht an? Ergötzen wir uns im Passiven an den Erkenntnissen, aber sind zu behäbig, zu faul oder zu sehr auf anderes fokussiert, um sie in den Alltag zu integrieren? Verhält es sich vielleicht wie bei sehr wohlhabenden Menschen, die Kunst und Schmuck kaufen, um sie dann in geheimen Tresoren zu lagern? Zu wertvoll sind ihre Schätze, um sie gut sichtbar in den eigenen vier Wänden aufzuhängen oder am eigenen Körper zu tragen. Sie könnten gestohlen werden. Und so verkümmern die Kunstwerke im Dunkeln. Sie werden umfunktioniert zu hochwertigen Notgroschen für schlechte Zeiten. Doch oft ist es zu spät, wenn die schlechten Zeiten erst einmal da sind. Plötzlich findet sich kein Käufer oder der Gegenstand hat einen großen Teil seines Werts verloren. Schon manch einer bereute, sich in den guten Zeiten nicht einfach ohne jede Sorge an dem Glanz seiner Schätze erfreut zu haben. So ähnlich könnte es sich mit all den Weisheitslehren und all den Erkenntnissen der Glücksforschung verhalten. Die wohlhabenden Menschen der westlichen Welt wissen um ihre Existenz, tragen sie aber bestenfalls als leere Zitate mit sich herum. Wirklich angewendet wird jenes passive Wissen nicht. Es wird aufgespart für die schlechten Zeiten, für die wahrhaften Krisen. Doch oft ist es dann zu spät. Per Knopfdruck wirkt keine Lehre der Welt. Man hat es versäumt, sie rechtzeitig einzuüben und zum selbstverständlichen Teil seiner selbst zu machen.

Lehren und Strategien, die mögliche Wege zu einem glücklichen Leben aufzeigen, sind jedenfalls zahlreich vorhanden und jedem zugänglich. Obwohl die moderne Neurowissenschaft in immer kürzeren Zyklen neue Detailkenntnisse zur chemischen Zusammensetzung des Gehirns und seiner Strukturen liefert, scheint im Bereich der Glücksforschung selten wirklich bahnbrechend Neues entdeckt zu werden. Zu intensiv und lang ist die Auseinandersetzung mit dem Thema. Und so stellen auch vorgeblich neue Erkenntnisse meist nur eine andere Interpretation, maximal die in Nuancen veränderte Herangehensweise, manchmal auch nur den biochemischen Beweis für eine alte Lehre dar.

Zu Recht stellt sich somit vielleicht die Frage, warum es überhaupt noch ein Buch zum Thema Glück braucht. Großartige neue Erkenntnisse oder gar Forschungsergebnisse – so viel sei vorab gerne verraten – kann auch dieses Buch tatsächlich nicht liefern. Es kann lediglich die Mahnung Senecas aufgreifen und versuchen, die richtige Richtung zu weisen. Es soll verhindern, dass der Einzelne ohne klar umrissene Landkarte, sondern nur basierend auf unzuverlässigen Wegbeschreibungen, dem individuellen Glück entgegenhastet und dabei womöglich eine vollkommen falsche Richtung einschlägt.

Vor allem wird aber berücksichtigt, dass auch ein individualistisches Glücksstreben nicht losgelöst von der den Menschen umgebenden Umwelt funktionieren kann. Die meisten der heutigen Ratgeber und Glücksbücher sprechen nur den einzelnen Menschen an. Dieser soll sich rücksichtslos verwirklichen. Oft wird übersehen, dass die Handlungsweise jedes Einzelnen Einfluss auf dessen Umgebung hat, die wiederum rückkoppelnd wirkt. Gerade die individualistische Verwirklichung kann oft eine gesamtgesellschaftliche Bedrohung darstellen.

Ein Buch, das sich wahrhaft mit dem Glück für den Einzelnen befasst, muss daher auch stets die Welt als Ganze im Blick haben. Gerade angesichts zahlloser gravierender Probleme, wie etwa der ins Ungleichgewicht geratenen Natur, die über Jahrhunderte gnadenlos ausgebeutet wurde und sich langsam zu rächen beginnt, muss ein Buch zum Thema Glück auch über die individualistische Perspektive hinausreichen.

Schon der chinesische Weise Konfuzius (551-479 v.Chr.) hatte darauf hingewiesen, dass innere und äußere Harmonie in Einklang stehen müssen. War der Mensch nicht in Harmonie mit sich, konnte er auch nicht in Harmonie mit der ihn umgebenden Welt sein. Sein Handeln drohte dann selbstsüchtig, unharmonisch und schlecht zu werden. Doch Konfuzius warnte, dass die Welt zurückschlagen würde. Daher reagierte er bei „plötzlichem Donnerschlag oder starkem Wind“ zeitlebens besorgt. In der westlichen Neuzeit wurde dieser Aspekt der konfuzianischen Lehre als voraufklärerischer Schwachsinn abgetan. Doch Konfuziusʼ Aberglaube beginnt, sich zu bewahrheiten. Die Natur macht sich tatsächlich immer öfter und immer bedrohlicher bemerkbar. Sie schlägt zurück. Die Wetterextreme nehmen zu, die Erderwärmung lässt die Pole schmelzen und droht ganze Landstriche zu überschwemmen. Die Tektonik der Welt droht aus den Fugen zu geraten. Massive Fluchtbewegungen und Kriege um Lebensraum und Lebensmittel fangen langsam an, Realität zu werden.

Ziel des vorliegenden Buches ist es daher, Wege zu einem individuellen Glück zu weisen, das zugleich die Grundlage für eine veränderte Lebenswelt darstellen kann – eine Lebenswelt, die sich nicht selbst auszurotten droht und deren Glück daher wahrhaft und nachhaltig erscheint.

Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet

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