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Kap.5 Ilse

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Gabriel hatte sich so schnell wie möglich auf den Weg gemacht. Sein Vater hatte ihn noch gebeten, nach Ambrosius zu schicken. Da er auf dem Weg zum Stall war um Silberstern zu satteln, konnte er seinem Kumpel selbst Bescheid sagen.

Nach einem kurzen Gespräch, bei dem er Ambrosius die Details des Morgens mitteilte, machte sich der Schmied auf den Weg zum Herrenhaus.

Die Angst, dass Silberstern bei den Slarnoms etwas passieren könnte war verflogen, seit er in die grünen Augen von Ilse geblickt hatte. Er beeilte sich mit dem Satteln. Sein Pferd war im Handumdrehen fertig und er konnte sich auf den Weg in die Stadt machen.

In der Siedlung wurde ihm höflich Platz gemacht und er konnte Silberstern direkt zu dem Flüchtlingslager lenken.

Skeptische Blicke empfingen ihn dort.

Einige der Bürger, aber auch Fabelwesen, die in der Stadt Schutz gefunden hatten, riefen verhalten: „Die Slarnom müssen raus!“

Er ignorierte die Rufe und ritt direkt zu den umgebauten Ochsenwagen. Schon einige Meter vor den Wagen scheute Silberstern plötzlich. Der weiße Hengst zerrte am Zügel, stellte sich auf die Hinterbeine und wendete, trotz der straffen Richtungsvorgaben durch den Fürsten. Gabriel sah ein, dass er mit Silberstern nicht mehr weiterkam und stieg ab. Sofort galoppierte das getarnte Einhorn zur Festung zurück. Der Fürst hoffte, dass das verrückte Tier sich oder jemand anders nicht verletzt. Ob des Verhaltens seines Tieres irritiert und ohne um Einlass gebeten zu haben, betrat er die Wohnstätte des Slarnomanführers.

Wieder schlug ihm der Stallgeruch entgegen.

Das schmutzige Geschirr vom Mittagsmahl stand noch auf dem Tisch. Der Anführer döste vor sich hin. Als er die Geräusche beim Eintreten von Gabriel vernahm, öffnete er seine Augen und fuhr kurz zusammen. Schnell hatte er sich aber wieder im Griff. Er saß, wie am Tag zuvor auf einem der Stühle und hatte die Beine hochgelegt. Und wie am Tag zuvor fragte er: „Was wollt ihr?“

„Ich muss mit euch und eurer Schwester reden!“ Gabriel ließ keinen Zweifel am Ernst seines Besuches.

„Die ist beschäftigt!“ entgegnete der Slarnom. Tatsächlich konnte man Getuschel hinter dem Vorhang am Ochsenwagen hören.

Gabriel erkannte eine der Stimmen als die von Ilse.

Die zweite konnte er nicht zuordnen. Es war eine Männerstimme mit einem seltsamen schnaubenden, quakenden Unterton.

„Dann sollte sich die Lady jetzt Zeit nehmen um ihren Stadtfürsten zu begrüßen!“ sagte er in einem Ton der auch hinter dem Vorhang zu hören sein musste.

„Meine Schwester folgt nicht jedem jungen Bengel der angerannt kommt. Schon gar nicht in ihren eigenen vier Wänden.“ Milso war aufgestanden und hatte sich direkt vor ihm aufgebaut.

Eine Hand hatte er auf den Schwertgriff gelegt.

Gabriel schlug eine Wolke übelsten Geruches entgegen. Eine Mischung aus Gewürz, Knoblauch, Wein, Tabak und fettigem Fleisch hüllte ihn ein.

„Mein guter Gast,“, er bemühte sich beim Sprechen nicht durch die Nase zu atmen „in dieser Stadt, nein, in diesem Land bin ich tatsächlich derjenige, der die Befehle erteilt und solltet ihr mir weiter so schamlos begegnen, wäre es euch ein Wunsch, vor einigen Tagen die Stadt verlassen zu haben. Habt ihr mich verstanden?“

Er blickte dem Slarnom tief in die Augen.

„Haltet ein, haltet ein!“ rief eine Stimme hinter ihm. Auch das hatte er erst vor kurzem gehört.

Wieder gehörte die Stimme zu Ilse.

Endlich, dachte er und seine Augen suchten auf dem schnellsten Weg den Kontakt zu dem Grün der ihren. Wie weggeblasen war die Wut, die eben noch in ihm kochte. Als die beiden sich für einen kurzen Moment in die Augen gesehen hatten, löste Ilse den Blick von ihm und trat zu ihrem Bruder. Ohne Vorwarnung gab sie ihm eine Ohrfeige.

„Wir hatten besprochen, dass du dich anständig verhältst!“

Milso hatte schon die Hand gehoben um seiner Schwester Gleiches mit Gleichem zu vergelten, besann sich dann aber eines Besseren und rieb nur noch, die sich rötende Wange.

Schnell hatten sich die Blicke von Gabriel und Ilse wieder gefunden.

Die Zauberin fragte nach dem Grund seines Besuches. Er himmelte die Slarnom nur an.

„Ihr seid der Grund, ihr und ein Begehr der Bürger.“ „Welches Begehr der Bürger?“ fragte sie sanft nach. „Die Bürger wollen euch aus der Stadt jagen, sollten eure Leute weiter so raufend und stehlend, so saufend und krakelend durch die Stadt ziehen, muss ich euch empfehlen zu fliehen“ bekam sie in einem Singsang vorgetragen. Ihr Bruder konnte sein Lachen nicht mehr zurückhalten und bekam dafür eine weitere Ohrfeige. „Noch ein Ton von dir!“ drohte die Slarnom.

„Und warum hast du deine Männer noch immer nicht im Griff? Soll ich auch dich zwingen mir in die Augen zu sehen?“

In Sekundenbruchteilen war das Lachen aus seinem Gesicht verschwunden. Ein ängstliches Antlitz machte sich stattdessen breit.

„Bitte nicht!“ flehte er.

„Dann bring endlich deine Männer unter Kontrolle! Oder willst du dass unser Plan scheitert?“ fuhr Ilse ihren Bruder an. Dann wandte sie sich wieder an Gabriel, der überlegte wie ein Blick in die Augen dieser Frau als Bedrohung aufgefasst werden konnte.

„Ich hoffe ihr könnt den Bürgern unser Wohlwollen vermitteln. Auch Milso verspricht, dass die Slarnom sich nun anständig verhalten werden. Wenn ihr mich jetzt aber bitte entschuldigt, ich muss mich wieder um meinen kranken Großvater kümmern. Milso bringt euch noch zum Ausgang.“

In dem Moment als Ilse den Blick von ihm löste, fühlte Gabriel eine plötzliche Leere.

Der Abschied schmerzte.

Er hatte sich verliebt!

In diesem Zustand hätte er den Ausgang wahrscheinlich tatsächlich nicht alleine gefunden. Er war froh begleitet zu werden, doch wünschte er, der Helfer würde nicht so furchtbar stinken.

Vor dem Quartier des Anführers musste er sich erst einmal setzen. Er lehnte sich an eine der Zeltstangen und gleich nachdem Milso sich zurückgezogen hatte, sog er tief und bewusst die frische Luft ein.

Ihm war als hätte er ein Fass Honigmet in sich hinein geleert.

Gerade als er sich Richtung Festung aufmachen wollte, bekam er noch mit, dass der Slarnomanführer strengstens zum Stillhalten seiner Leute aufrief.

Er hatte es geschafft, der Fürst wusste zwar nicht wie, aber, er hatte es geschafft dem Raubein die Leviten zu lesen.

Zufrieden machte er sich auf den Heimweg.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er gar kein Pferd für den Heimweg hatte.

Was Silberstern da wohl geritten hat?

Nachdenklich schlenderte er zum Häuschen der Stadtwachen in der Nähe des Flüchtlingslagers, um den Befehl für die Bewachung der Slarnom zu geben. Dabei nutzte er die Gelegenheit und lieh sich ein Reittier für den Heimweg.

Die ganze Strecke nach Hause konnte er nur an Ilse denken.

Er freute sich, dass er sie morgen wieder besuchen durfte.

Siedend heiß fiel ihm ein, dass er morgen ja in den Kugratwald ritt. Irgendwie musste er es dennoch schaffen sie zu besuchen. Er war regelrecht süchtig nach ihr und ihren grünen Augen.

*

„Auch schon da!“ wurde er von Ambrosius empfangen, als er das geliehene Tier beim Stall an der Festungsschmiede unterstellte.

„Pferd ist schon seit `ner Weile zurück. Hattet ihr zwei Streit oder warum kommt ihr getrennt?“ Der Schmied grinste ihn frech an.

„Ich war bei Ilse. Und ich kann es nicht erwarten sie morgen wieder zu treffen.“ Verträumt schaute er während seiner Worte in den Himmel.

„Du weißt schon, dass du morgen mit dem jungen Zauberer auf dem Weg in den Kugratwald bist? Oder glaubst du ich habe nichts Besseres zu tun als hier draußen Nordländer-Rüstungen zu schmieden?“ wollte Ambrosius wissen. Gabriel winkte ab.

„Ich muss Ilse morgen wieder treffen! Wir verschieben die Reise einfach!“ Ambrosius legte sein Werkzeug zur Seite, ging auf ihn zu, packte ihn an den Schultern und sah ihm fest in die Augen.

„Gabriel, wir sind gemeinsam aufgewachsen. Ich kenne deinen Geschmack bei Frauen. Noch vor wenigen Tagen hättest du eine Frau wie die Slarnom keines Blickes gewürdigt. Jetzt kannst du keinen Tag ohne sie sein. Da steckt doch ein Trick oder Zauber dahinter.“ Er vermied es, das Weib hässlich zu nennen. Damit hätte er wahrscheinlich sofort die Aufmerksamkeit seines Freundes verloren.

„Ach Quatsch, ich mag sie einfach sehr gerne. Ich fühle mich wohl in ihrer Gesellschaft.“ versuchte Gabriel seine Sehnsucht zu begründen.

„Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Glaube mir.“ versuchte der Schmied es erneut.

„Du spinnst. Du siehst Gespenster. Gönn´ mir das Glück doch einfach.“ entgegnete Gabriel.

„Lass uns einen Handel machen“ schlug Ambrosius vor. „Du reitest morgen mit dem Zauberer in den Wald. Sollte übermorgen dein Verlangen nach der Frau noch genauso groß sein oder gar größer, was bei echter Zuneigung verständlich wäre, werde ich nie wieder zweifeln. Und als Wetteinsatz verspreche ich für Pferd ganz neues Zaumzeug.

Sollte dein Verlangen aber kleiner sein als heute oder gar geschwunden, versprichst du mir vorsichtig zu sein und dich nicht weiter mit dem Weib einzulassen.“ Wenn es um Silberstern ging, konnte Gabriel bisher noch nie wiederstehen. Doch diesmal zögerte er. Er zögerte lange.

„Ich schlage ein. Allerdings nur um dir zu beweisen, dass ich nicht von Ilse verhext wurde.“ Er wusste zwar nicht, wie er diesen Tag ohne sie aushalten sollte. Er würde seinem Freund aber beweisen, dass hier wahre Gefühle im Spiel waren.

Ambrosius war erleichtert.

Übermorgen würde sein Freund erschrecken, wenn er sieht von welcher Frau er so geschwärmt hat. Er war sich sicher, dass sich Gabriel in zwei Tagen bei ihm bedanken würde.

Ambrosius machte sich wieder an die Arbeit. Es widerstrebte ihm so schäbige Nordländer-Rüstungen zu schmieden. So wollte er wenigstens die Bequemlichkeit für den Träger so hoch wie möglich gestalten. Dies hatte wiederum zur Folge, dass er noch die halbe Nacht an den Blechhüllen arbeiten würde.

Zum Glück musste er sich nicht mehr um das Zaumzeug der Klepper kümmern. Anders konnte man die Tiere nicht nennen, die die Wachen für den nächsten Tag bereitgestellt hatten.

Für die Halfter band er ein paar Stricke zusammen, das musste reichen. Die abgenutzten Sattel für die Pferde wollte der Schmied eigentlich als Rohstoff für ein paar gute Stiefel nehmen, jetzt musste er wohl noch ein wenig warten bis er ein paar neue Schuhe bekam.

*

Gabriel ging nachdem er sich von Ambro verabschiedet hatte noch zu Silberstern. Der scheute erst kurz, erkannte ihn dann aber und streckte ihm den Nasenrücken entgegen. Gabriel streichelte darüber und fragte: „Was war denn heute mit dir los? Du hattest ja mächtig Bammel bei den Slarnom. Hast du etwas gewittert?“ Bisher hatte Silberstern noch nie vor irgendetwas Angst gezeigt. Glaubte das Einhorn auch schon an die Boshaftigkeit der Slarnom?

„Ich werde euch allen beweisen, dass ihr die Slarnom oder zumindest Ilse, falsch eingeschätzt habt.“ Silberstern schnaubte. Der Fürst streichelte das Einhorn noch einmal und ging dann Richtung Herrenhaus. Im Vorbeigehen winkte er dem arbeitenden Ambrosius zu. Der erwiderte den Gruß, hämmerte aber gleich wieder an der Rüstungen herum.

*

Im Rittersaal angekommen fielen dem Fürsten die Landkarten auf, die auf der Tafel ausgebreitet lagen. Auf einer der ausgebreiteten Karten war der Kugratwald abgebildet. Sein Vater und der Zauberer hatten darauf den Weg eingezeichnet, auf dem sie vermutlich am sichersten durch den Wald kamen. An manchen Stellen machte die Linie einen Bogen. Teilweise führte der aufgezeigte Weg in Schlenkern, bevor er am nordöstlichen Waldrand endete. Hoffentlich schafften sie die Reise innerhalb eines Tages.

Mehr als eine Tagesreise konnte er, ohne in die Augen von Ilse gesehen zu haben, nicht überstehen.

Er ging in die Küche um sich noch ein wenig vom übriggebliebenen Nachtmahl zu Gemüte zu führen. Die Mägde der Küche hatten ihm in weiser Voraussicht, einen Teller mit Brot und Braten auf dem Tisch stehen lassen.

Er wollte sich das Essen zusammen mit einem Becher Honigmet schmecken lassen. Dabei dachte er immer wieder an Ilse. Und immer wieder trank er einen weiteren Becher bis er irgendwann betrunken am Küchentisch einschlief.

*

Die Küchenhilfen waren erstaunt, als sie beim nächsten Sonnenaufgang ihre Arbeitsstätte betraten und den Fürst halb sitzend, halb liegend am Küchentisch schlafen sahen. Sie tuschelten und schmunzelten, doch bemühten sie sich möglichst leise ihre Arbeit zu verrichten. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater. Der hatte sich auf die Suche gemacht, nachdem sein Sohn nicht wie verabredet im Rittersaal erschienen war. Er öffnete die Tür zur Küche, sah Gabriel schlafend am Tisch und polterte in den Raum.

Laut, für Gabriels Geschmack zu laut begrüßte er seinen Sohn. Überraschenderweise gab es aber keine Schimpfkanonade von seinem Vater. Er lachte nur und sagte: „Ah, hier bist du!“ und schlug seinem Sohn mit der Hand auf den Rücken.

„Zeit für die Anprobe!“ fügte er hinzu.

„Richtet dem Fürsten eine herzhafte Mahlzeit für die Reise, denn das Frühstück hat er wohl verschlafen!“

Sir Richel zog den verschlafenen Gabriel auf die Beine und schleppte ihn zur Festungsschmiede. Dort wartete ein Nordländer und Ambrosius mit einer Rüstung in der Hand auf den jungen Fürsten. Die Fellmenschen waren also tatsächlich in der Gegend. Sicherheitshalber legte Gabriel eine Hand auf sein Schwert.

Erst bei der Werkstatt erkannte er den verkleideten Aaronimus in der Rüstung des Nordländers.

Der Zauberer nahm seinen Helm ab und begrüßte ihn. Gabriel sah auch die dicken Augenringe von Ambrosius, als der ihm die Rüstung und die Ziegenfelle anlegte. Er hatte tatsächlich die Nacht durchgearbeitet um ihre Ausrüstung fertig zu stellen.

Der Fürst ließ alles über sich ergehen. Er war noch nicht mal richtig wach als er auf einem der beiden Klepper saß, den die Wachen für die Reise ausgesucht hatten. Eine der Mägde kam aus dem Haus gesprungen, um jedem der Reisenden ein Vesper und eine Flasche neuen Wein in die heruntergekommenen Satteltaschen zu packen. Sir Richel fragte, an Aaronimus gewandt: „Ihr habt die Karten?“ Der Magier nickte.

„Achtet darauf, dass ihr im Wald dem angegebenen Pfad folgt. Und kommt vor Einbruch der Dunkelheit wieder aus dem Forst heraus.“

Erneut nickte der Zauberer ihm zu. Dann gab der Vater des Fürsten seinem Sohn und Aaronimus jeweils ein großes Leinen. Aaronimus packte seinen Helm in eine der Taschen am Pferd und begann sich das Tuch um den Körper zu schlingen.

„Was soll ich damit?“ fragte Gabriel verdutzt.

„Was glaubst du wie die Bürger oder noch schlimmer, die Fabelwesen auf zwei Nordländer in der Stadt reagieren würden? “antwortete Sir Richel.

Er verstand.

Schnell wickelte er sich das Tuch, seinem Gefährten gleich, um den Körper. Auch er packte seinen Helm in die große Satteltasche.

Aaronimus ließ sein Pferd antraben, Gabriel folgte ihm. Sorgenvoll schaute Sir Richel den beiden Reitern nach. Nicht wegen den Nordländern hatte er Bedenken. Er glaubte immer noch nicht an das Gewäsch der Hexe.

Er wusste aber um die Gefahren, die der Kugratwald barg.

Am Tor der Festung hob der Fürst die Hand zum Abschied. Er sah seine Mutter, Lady Helega, traurig am Fenster ihrer Gemächer stehen. Wäre sie in den Hof gekommen hätte sie versucht ihm die Reise auszureden.

Er konnte nachvollziehen wie schwer es ihr fiel dort oben stehen zu bleiben.

Bestimmt so sehr wie ihm, nicht zu Ilse zu reiten.

Der Schwarze Stier II

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