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3. Kapitel

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17:22 Uhr, Manhattan Beach

Da stand sie - Amber Jones.

Mich traf fast der Schlag, ich schluckte und brachte nur ein Räuspern hervor. Es wurde mit einem Male ganz eng in meinem Hals und meine Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an. Was war sie? Eine Fata Morgana? Fassungslos schauten wir uns an. Auch Amber hatte wohl eher damit gerechnet, auf Charles Manson zu treffen, als auf mich, ihre alte Klassenkameradin aus New York City.

"Du? Du wohnst hier?" Sie krallte sich im Türrahmen fest, um nicht aus den Latschen zu kippen.

"Ja, ich", sagte ich sichtlich beleidigt, "so wahr ich hier stehe."

Amber grinste verschämt. Was hatte sie gedacht? Dass ich irgendwo am Randbezirk eines Molochs wohnte und ein heruntergekommenes Diner am Laufen hielt?

Wir kannten uns seit unserer Kindheit. An der Highschool war Amber die hübsche Schulprinzessin und der Schwarm der Jungs. Und sie war auch diejenige, die als erstes Mädchen aus der Klasse einen BH trug und stolz in der Umkleidekabine von einem Blowjob sprach, während die anderen noch dachten, die Sache habe irgendwas mit Wind zu tun. Obwohl ich sie nie besonders mochte, war ich doch immer fasziniert von ihr gewesen. Wie keine andere stand sie damals für das Verbotene. Im Grunde war sie genau so, wie ich in diesen Tagen gern sein wollte. Sie war eines dieser Mädchen, über die jeder eine Meinung hatte und die stets den Eindruck vermittelte, über den Dingen zu stehen. Ihre unterkühlte Art ging vielen auf die Nerven, dennoch machte sie dieser Umstand gleichzeitig sehr geheimnisvoll. Und ich sollte erwähnen, dass ich damals bis über beide Ohren in sie verknallt war.

Etwas widerwillig bat ich sie herein. Als ich die Tür geschlossen hatte, fühlte ich mich wie ein gefangenes Tier in einem Käfig. Die Kette der Verriegelung klackte gegen den Holzrahmen. Es dauerte nur wenige Augenblicke und meine leidvolle Begierde von einst flackerte wieder auf. Ich war mir sicher, dass sie genau die Mitbewohnerin war, nach der ich gesucht hatte. Allein die Art, wie sie sich auf dem Absatz drehte und dabei ihr lockiges Haar zurückwarf! Und dann dieser leicht überhebliche Blick, den sie mir wie brennende Pfeile entgegen schleuderte! Sie war zwar um einige Jahre älter, ja. Aber in dem Gesicht der Frau sah ich immer noch das Mädchen, das ich einmal vor vielen Jahren in der Dunkelheit des Geräteraums in der Turnhalle geküsst hatte. Ein Kuss, der mir viele Nächte den Schlaf raubte.

Als sie jetzt wieder vor mir stand, wollte ich nur noch eins: dass Amber unbedingt bei mir einzieht. Natürlich konnte ich damit nicht einfach so herausplatzen. Was sollte sie sonst von mir denken?

Wir hatten uns seit fünfzehn Jahren nicht gesehen. Doch jetzt, wo Amber nur wenige Zentimeter vor mir stand, pochte mein Puls wie ein Presslufthammer. Meine Handflächen begannen zu schwitzen. Ignorieren war zwecklos. Jetzt bloß keinen unsicheren Eindruck machen, zwang ich mich.

Amber blickte keck durch mich hindurch und tat so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass wir uns hier in Los Angeles in Hörweite des Pazifischen Ozeans nach so langer Zeit wieder über den Weg laufen und uns auf Anhieb erkannt haben.

Wie der Anführer einer Armee marschierte sie durch meine Wohnung und nahm die einzelnen Zimmer in Augenschein. Und ich, unfähig meiner aufgerüttelten Gefühle habhaft zu werden, latschte ihr fahrig hinterher.

Die Art, wie sie sich bewegte, machte mich wirklich kirre. Es wäre gelogen zu sagen, dass sie mich nicht wieder sofort sexuell faszinierte. Ihre ganze Ausstrahlung war es, die mein Interesse innerhalb weniger Augenblicke neu entfachte. Damals wie heute - nichts hatte sich an meinen Gefühlen für sie geändert. Und Amber hatte sich auch nicht verändert, bis auf die Tatsache, dass sie noch schöner geworden war.

Dass ich mich auch zu Frauen hingezogen fühle, war mir klar, seit ich vierzehn war.

"Und, was meinst du?", fragte ich, als Amber mit ihrer Inspektion fertig war und ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass sie unverzüglich einziehen würde.

Amber aber stand nur seelenruhig da und sagte nichts. Ihr Schweigen ließ mich erneut unruhig werden. Ich machte ein paar unbeholfene Gesten und fuchtelte eilig mit den Armen herum, so als müsse ich die Entscheidung auf der Stelle wissen. Doch während ich mich zum Affen machte, lehnte sie lasziv an der Wand neben der Fensterbank, als wäre sie in einer Disco und hätte vor, die Typen reihenweise verrückt zu machen.

Ihre Locken fielen über ihre Schultern und kringelten sich über ihren Brüsten, die durch ihren engen Pullover noch mehr betont wurden. Ich musste mich konzentrieren, nicht ständig drauf zu schauen. Ihre Haut war leicht gerötet, die Stirn glänzte. Ihre grünen Augen waren stark geschminkt, ihre Lippen waren so rot wie der abgeblätterte Lack auf ihren Nägeln. Ich konnte ihr ansehen, dass sie längst bemerkt hatte, dass ich sie als WG-Partnerin mehr als geeignet fand. Und obwohl mir klar war, dass man auch in meinem Gesicht gerade wie in einem offenen Buch lesen konnte, war ich bemüht, meine erhitzten Gefühle runterzukühlen. So zeigte ich übertrieben eilig auf meine Uhr und nölte gespielt halbherzig herum, von wegen, dass sie jetzt langsam gehen müsse, weil gleich noch zwei weitere Bewerber kämen. Was natürlich gelogen war. Doch Amber schien es nichts auszumachen, dass ich vorgab, in Eile zu sein. Mit der Gelassenheit eines Mönchs fragte sie mich nach den Nebenkosten.

"Strom ist inklusive, Kabel-Anschluss haben wir auch, das Bad soll demnächst gefliest werden", hörte ich mich plappern.

"Und die Nachbarn? Wie sind die so?"

Mein Gott dachte ich, diese Frau macht mich jetzt schon wahnsinnig.

"Die Nachbarn? Wie überall - voller Abgründe. Neben mir wohnt ein alleinerziehender Soldat mit sechszehnjähriger Tochter, die ihren musikalischen Pegel gern bis an den Anschlag reißt, vornehmlich zwischen vier und sechs Uhr morgens. Das Appartement da drüben soll angeblich leer stehen", ich zeigte auf das Fenster mit den zugezogenen Vorhängen und berührte Amber dabei leicht an der Schulter, "oben drüber wohnt eine alte Dame. Isst immer mit ihren Katzen. Und unter mir wohnt ein Journalist, na ja, so lange wohne ich hier auch noch nicht."

"Ein Journalist?" Amber quiekte.

Ich war irritiert. Hatte sie Salafist statt Journalist verstanden? Sprach ich so undeutlich? Nuschelte ich etwa? Ich ignorierte ihren fragenden Blick: "Ja, Arvid Kolberg heißt der Typ. Arbeitet bei einem Nachrichtensender. Ist ganz nett. Weniger nett ist seine Nachbarin, Mrs. White. Ein Blockwart vorm Herrn. Neulich hat sie sich mit Kolberg angelegt, weil sie ihn dabei erwischt hat, wie er ein paar Kippen in den Hof geschnippt hat."

Ambers Gegenwart machte mich immer hibbeliger. Um meine Nervosität zu überspielen, quasselte ich wie ein Trottel weiter. "Ganz oben hat Mr. Lurie, der Hausbesitzer sein Büro. Hyperkorrekt. Menschlich ein Arschloch. Tyrannisiert die Mieter. Schließt nachts die Mülltonnen ab. Spioniert. Geht in die Wohnungen derer, die verreist sind. Hat sogar schon mal 'ne Tote gefunden."

"Eine Tote?"

"Ja. Selbstmord. Erhängt."

"Das ist ja furchtbar!" Amber ließ sich rücklings auf die Fensterbank plumpsen.

Ich schob den Zeitungsstapel beiseite und setzte mich neben sie. Ob sie es auch fühlte - dieses Knistern?

"Ich schau mir gleich noch zwei andere Wohnungen an. Vorher kann ich dir nichts Konkretes sagen. Ich meine, du hast es hübsch hier, würde mir gefallen. Aber ich will keine verfrühten Zusagen machen. Bitte sei nicht böse." Sie schaute mir tief in die Augen.

Moment, Moment! Wie jetzt? Wer gibt hier wem Zusagen? Ich wollte ihr sagen, dass der Hase so nicht läuft, stattdessen entglitt mir nur ein angesäuertes "Mmf".

"Wäre es möglich, dass du die anderen Bewerber hinhältst? Über wichtige Entscheidungen sollte man sowieso immer erst eine Nacht schlafen." Sie kramte in ihrer Tasche und hielt mir ihre Karte unter die Nase. Was war sie? Anwältin? Immobilienmaklerin? Wer hat denn heutzutage noch eine Karte?

"Hier - meine Nummer! Deine hab ich ja schon. Ich melde mich. Versprochen."

Dann stand sie auf und gab mir zum Abschied ihre kühle Hand. Ich kam mir vor wie nach einem vergeigten Vorstellungsgespräch. Noch Stunden später war ich durch den Wind. Erst als der Abend anbrach, legte sich meine Aufregung etwas. Wie üblich setzte ich mich mit einem Glas Wein auf die Fensterbank. Während in den Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite die ersten Lichter angingen, grinste ich wie ein verliebter Teenie vor mich hin. "Amber Jones", sagte ich: "sieh mal einer an."

Aluminium-Mädchen

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