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Ein Sturm kündigt sich an

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Die Füße scharrten über den Boden, überall wurde gesprochen, dennoch drangen die Geräuschfetzen nur undeutlich zu Sophie durch. Mit einem starren Blick fixierte sie den Vorhang, der die Bühne des Schulauditoriums einhüllte, wie ein schwerer Wintermantel. In den vergangen zwei Wochen hatte sich die Schule in Schweigen gehüllt. Von Lulu wussten sie, dass der Stiftungsrat und Herr Oberreut mehrere Vorstellungsgespräche mit potenziellen Interimsdirektoren geführt hatten. „Manche von denen hatten wirklich absurde Vorstellungen, hat mein Vater erzählt“, hatte Lulu gestern Abend im Zuckerstückchen rausgelassen, nachdem sie Vic dort glücklich strahlend abgesetzt hatte.

Hoffentlich haben sie jemanden gefunden, dachte Sophie angespannt und kreuzte ihre Finger. Sie blickte zu Suki rüber, die anscheinend das Gleiche dachte, denn auch sie hatte ihre Finger überkreuzt. Heute erschien sie ihr noch ein bisschen blasser als sonst. „Es geht los“, raunten Onta und Alba gleichzeitig. Sofort wurde es still und alle schauten nach vorne.

Herr Oberreut hatte etwas von seiner stattlichen Figur verloren. Sein Anzug schlackerte und sein Gesicht sah fahl im Licht der Bühne aus. Auweia, schoss es Sophie durch den Kopf. „Ich heiße euch alle hier willkommen“, ertönte die volle Stimme ihres Mittelstufendirektors durch den Raum. „Zuerst einmal möchte ich mitteilen, dass die Schule nicht geschlossen, sondern weitergeführt wird“, verkündete er mit fester Stimme und blickte in die Gesichter der Schüler, Eltern und anwesenden Lehrer. Erst vereinzelt, dann im Chor klatschten die Anwesenden vor Erleichterung. Gut, gut, gut, dachte Sophie erleichtert und schaute ihre Freundinnen an. Ontas Gesichtsausdruck war entspannt wie immer, Suki hatte Tränen in den Augen, Albas verkniffener Gesichtsausdruck hatte sich gelöst und auch Lulus Körpersprache signalisierte, dass sie erleichtert war. Freudig drückte Sophie Sukis Hand. „Allerdings wird das Schuljahr ohne Direktor Grün stattfinden“, mit diesen Worten holte sich Herr Oberreut die Aufmerksamkeit der Anwesenden zurück. „So wie es bisher aussieht, wird der Prozess erst im Januar beginnen.“ Er machte eine Pause und drehte sich nach hinten, zu jemand, der im Seitengang der Bühne stand hin. Eine Frau trat aus dem Schatten. Alle reckten ihre Köpfe, um einen Blick zu erhaschen. „In der Zwischenzeit wird Frau Sturmvoll die Schule leiten“, sprach er betont laut aus, um das Scharren der Stühle zu übertönen, während die neue Direktorin in den Vordergrund trat. „Frau Sturmvoll, bitte schön“, bat er die zierliche Frau an das Mikrofon. „Ist die jung!“, entfuhr es Onta und anderen, als alle höflich zur Begrüßung klatschten. Tatsächlich sah Frau Sturmvoll nicht älter aus als fünfundzwanzig, trotz ihrer strengen Hochsteckfrisur, dem grauen Kostüm und der Perlenkette. „Vielen Dank, für das Willkommen und dem Vertrauen, dass der Stiftungsrat und Herr Oberreut in mich setzen“, durchflutete ihre melodische Stimme das Auditorium. „Ich freue mich sehr darauf, hier an dieser renommierten Schule, die Rolle eines Interimsdirektors ausfüllen zu dürfen“, erklärte sie. Jeder im Saal spitzte die Ohren, um kein Wort zu verpassen. „Und dank der Unterstützung durch die Kollegen und der tollen Vorbereitung des Schuljahrs durch Herrn Grün und seiner Frau denke ich auch, dass das neue Schuljahr zu aller Zufriedenheit in einer Woche beginnen kann“, erläuterte sie und nickte Herrn Oberreut zu. Ganz so entspannt, wie man hätte annehmen können, sah der allerdings nicht aus, fand Sophie - eher ein bisschen zu angestrengt.

„Da gab´s bestimmt Knatsch“, meinte Onta mit einem selbstsicheren Nicken, als sie die Stufen der Schultreppen nach unten gingen. Jede von ihnen hatte es bemerkt, das etwas nicht stimmte. „Ich frag mal meinen Vater, nach Frau Sturmvoll. Vielleicht erzählt er mir, ja was“, meinte Lulu nachdenklich. „Und wir schauen Mal im Netz nach“, erklärten Sophie und Suki mit einvernehmlichem Nicken. Die ist einfach zu jung um Direktorin zu werde, dachte Sophie grüblerisch, als sie die Haustüre aufschloss. „Und wie war es?“, wollte ihre Mutter wissen, kaum das sie die Tür geschlossen hatte. „Gut“, antwortete Sophie langsam. Ihre Mutter zog die Augenbraue hoch und schaute ihre Tochter skeptisch an. „Das Schuljahr beginnt, wie immer in einer Woche“, erklärte Sophie lapidar. „Das ist doch prima!“, meinte ihre Mutter freudestrahlend. „Warum, dann so ein Gesicht meine Kleine?“, fragte sie nachdenklich, während sie ihrer Tochter in einer zärtlichen Geste über den Kopf strich. „Ach, weil die neue Direktorin so komisch ist“, äußerte sich ihre Tochter unwirsch. „Und wenn schon, sobald Herr Grün freigesprochen ist, ist doch alles wieder beim Alten. Und nun komm, ich habe uns ein wunderbares Abendessen vorbereitet“, erklärte Frau Morgenbesser und nahm ihre Tochter beim Arm und führte sie in die Küche. Sophie reckte ihre Nase, schloss ihre Augen und schnupperte: sie roch Koriander, Vanille und irgendetwas sehr Würziges, das sie in der Nase kitzelte, sie aber nicht zuordnen konnte. Der Wochenendkochkurs, den ihrer Mutter absolviert hatte, hatte sich definitiv gelohnt, dachte Sophie beim anschließenden Abwaschen des Geschirrs.

Eine Welle der Erleichterung machte sich am Abend in den unterschiedlichen Häusern und Wohnungen der Stadt breit. Die meisten Schüler und Eltern waren erfreut über die Nachricht, dass die Schule nicht geschlossen wurde. Allerdings glühte das Netz förmlich vor Nachfragen nach einer gewissen Frau Sturmvoll.

„Und was habt ihr herausgefunden?“, fragte Aimee mit Charlotte auf dem Arm leicht amüsiert als sich das Törtchen-Team vollzählig am nächsten Tag, im Garten des Zuckerstückchens traf. Neugierig setzte sie sich dazu, platzierte Charlotte so auf ihrem Schoss, dass die Kleine nicht an die Törtchen kam, und schaute die Runde mit fragenden Augen an. „Also … “, druckste Sophie herum. „Im Prinzip ….“, setzte Suki an. Die beiden blickten frustriert in die Runde. „... nicht so viel“, gab Sophie leise zu. Suki fasst ihre Ergebnisse schnell zusammen, was nicht viel mehr war als das, was auf der Schulhomepage zu lesen war. Frau Sturmvoll, war entgegen ihres jugendlichen Äußeren, schon fünfunddreißig und hatte einen Abschluss in Kommunikationswissenschaft, mehre Praktika in unterschiedlichen Firmen und war laut ihrem Lebenslauf Single. Ansonsten war nichts über sie zu finden gewesen, wie Sophie und Suki zugeben mussten. „Aber warum setzt man ein so unbeschriebenes Blatt auf eine solche Position?“, fragte Aimee laut und runzelte die Stirn. „Tja, das ist die Frage“, murmelte Sophie und zerteile nachdenklich ihr Zitronentörtchen. Die anschließende Stille wurde nur durch Charlottes fröhliches Quicken unterbrochen, als ein Schmetterling auf dem Teller ihrer Mutter landete. Die Flügel des Tagpfauenauges öffneten sich immer wieder und präsentierten jedem, der es sehen wollte, seine großen Augen. Lulu räusperte sich. „Vielleicht kann ich noch ein bisschen was zu Frau Sturmvoll beitragen, auch wenn mein Vater nicht viel rausgerückt hat.“ Alle schauten sie mit auffordernder Miene an. Langsam nahm Lulu einen Schluck von dem Assamtee aus ihrer Porzellantasse. Zeitschinderin, dachten alle. „Nun sag schon“, drängelte Onta. „Also gut, Frau Sturmvoll hat erst im zweiten Anlauf studiert“, erklärte sie mit geheimnisvoller Stimme. „Ja, und weiter“, wollte Sophie wissen. „Zuerst hat sie eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht, bevor sie zehn Jahre beim Militär war.“ Aimee gluckste hörbar, während Onta und Alba sich beinah verschluckten. Mit Tränen in den Augen japste Aimee so stark, dass Charlotte ihre Mutter überrascht anlächelte und dann mitlachte. „Was bitte schön, gibt es da so zu lachen?“, fauchte Onta ihre ältere Schwester an. „Die Frau ist einfach perfekt für euch“, entfuhr es Aimee stoßweise, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. Lulu nickte und sagte mit einem gewissen Sarkasmus in der Stimme: „Das fand der Stiftungsrat auch.“ In Sophies Kopf ratterte es: Frau Sturmvoll konnte demnach mit Kinder umgehen, das hieß, dass sie mit dem Lehrkörper zurechtkommen sollte. Ihre Erfahrung aus dem kommunkationswissenschaftlichen Studium würde ihr helfen, die Schule während des Prozess gut durch die Tücken der ungewollten Aufmerksamkeit zu manövrieren. Und die militärische Ausbildung? „Hat dein Vater gesagt, was sie beim Militär gemacht hat?“, wollte Sophie von Lulu wissen. „Leider nein. Ich habe natürlich nachgefragt“, gab sie mit einem Schulterzucken und einer entschuldigenden Geste zu. „Doch zu diesem Punkt hat er keine weiteren Details rausgerückt. Er hat mich nur schelmisch angelächelt und dann laut gelacht“, erklärte sie unwirsch und goss Milch in ihre Teetasse.

Herr Goldblatt hatte manchmal schon einen komischen Humor, fand Sophie und schaute die anderen nachdenklich an. Wozu brauchte eine Direktorin eine militärische Ausbildung? Um den Schülern Disziplin beizubringen? Dafür hatten sie doch Madame Fine!

„Egal“, seufzte Suki und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hauptsache wir haben Unterricht.“ Alle nickten zustimmend, das war das Wichtigste. Und so schnell würde die neue Direktorin keine Neuerungen einführen, hoffte Sophie.

Das Törtchen-Team packt die Koffer

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