Читать книгу Energie und Klima - Horst-Joachim Lüdecke - Страница 4
Einleitung 1.1 Geleitwort von Arnold Vaatz, MdB
ОглавлениеUnter den Nicht-Fachleuten in Deutschland gilt es als weitgehend klar, daß die weitere Nutzung der Kernenergie die Bewohnbarkeit unseres Landes gefährde und die ungebremste Anreicherung von CO2 (Kohlendioxid) in der Atmosphäre eine Erderwärmung verursache, die den Fortbestand der Menschheit und überhaupt allen Lebens bedrohe. Um dies zu vermeiden, müsse sich die Energiebereitstellung der Menschheit von Grund auf ändern. Nukleare Energiequellen oder fossile Energieträger, aus denen man durch Verbrennung jene Wärme gewinnt, die man einerseits verheizt und andererseits in Strom oder Fahrleistung verwandelt, müssen durch solche ersetzt werden, die weder radioaktive Strahlung verursachen noch CO2 freisetzen. Um dies auch dem Letzten klar zu machen, haben sich die meisten Deutschen Medien daran gewöhnt, den „Atomstrom“ zu ächten und über das Naturgas CO2 meist nur noch mit dem Attribut „klimaschädlich“ zu sprechen.
Die Politik widmete sich diesem Thema auf der legendären Rio-Konferenz der Vereinten Nationen im Jahre 1992. Während die Stigmatisierung der Kernenergie im Wesentlichen ein deutsches Thema blieb, wurde die Bedrohung der Erde durch CO2 zum politischen Faktum erhoben. Schon damals formierte sich allerdings auch Widerspruch: Zunächst 425, im Laufe der Zeit bis heute mehr als 4.000 namhafte Persönlichkeiten, darunter 72 Nobel-Preisträger, unterstützen den Heidelberg-Appeal, der die dem Rio-Gipfel zugrundeliegende Prämisse generell in Frage stellt. Zahlreiche Petitionen und Manifeste von Klimaexperten sind später hinzugekommen.
Die Politik scherte sich nicht um solche Einwände. 2010 tagte im mexikanischen Cancun die Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Die Industriestaaten bekannten sich dort zu der Absicht, die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Überstiege eines Tages die Erwärmung der Erde diese zwei Grad, so habe dies für den Fortbestand des Lebens auf der Erde und damit für die gesamte Menschheit katastrophale Folgen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen konkretisierte, was zu tun sei: Eine Konzentrationsbegrenzung von CO2 in der Luft auf 0,045 % eröffne die Aussicht, das Zwei-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % einzuhalten. Ließe sich die CO2- Konzentration schon bei 0,04 % deckeln, so läge die Wahrscheinlichkeit für das Ausbleiben der Erderwärmung über die Schwelle zur Menschheitskatastrophe von zwei Grad sogar bei 70 %. Die Politik glaubt fest an diese absurden Aussagen. Sie meint, eine Art Erd-Thermostat einbauen zu können, der uns vor unerwünschten Klimaschwankungen zuverlässig schützt. Die neue Allmachtsphantasie des Menschen sieht ihn imstande, die Schöpfung zu bewahren und das Klima zu schützen. Man muss historisch einigermaßen informierten Menschen nicht erklären, was ähnliche Phantasien über die endgültige Lösung wirklicher oder vermeintlicher Lebensfragen der Menschheit schon mehrfach an Katastrophen hinterlassen haben.
Die Umwälzung ist im vollen Gange. Kaum eine Disziplin der Politik und der Wirtschaft, die nicht im Zuge dieser Forderung von Grund auf klimaschutzgerecht umfrisiert wurde. In den Ministerien und den nachgeordneten Ämtern der öffentlichen Hände schießen neue Verwaltungsgebilde, die der Energiewende dienen sollen, wie Pilze aus dem Boden. In den Ministerien entstehen Öko-Abteilungen, Förderprogramme lockern Steuermilliarden für den Klimaschutz, ganze neue Technologiebranchen entstehen, Ökofinanzprodukte erfreuen die Banken, und Hunderttausende investieren in Windmühlen und Sonnenkollektoren. Bei den Pastoren ist die Rettung der Welt an die Stelle der ewigen Seligkeit getreten.
Das hat ganz profane Folgen. Bezahlt werden diese alternativen Stromerzeuger durch horrende Einspeisesubventionen, die von den konventionellen Stromerzeugern zunächst über die Netzbetreiber an die Windmüller und Solardachbesitzer ausgezahlt und dann über den Strompreis an den Stromkunden weitergegeben werden. Da die Zahlungen an die Erzeuger 20 Jahre garantiert werden und auch dann anfallen, wenn die Netze den von ihnen erzeugten Strom wegen Überlastung nicht aufnehmen können, sind hierfür mittlerweile Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 400 Mrd. Euro aufgelaufen, von denen ca. 75 Mrd. bereits geflossen sind und die übrigen 325 Mrd. in den nächsten 20 Jahren anfallen. Wir verursachen mit alternativem Strom sporadisch auftretende Überlastungen unserer Netze, was uns famose Exportmöglichkeiten eröffnet. Das Dumme ist nur, dass wir durch dieses Überangebot leider die Strombörsenpreise drücken. Der Börsenpreis, der sich normalerweise um die 45 Euro pro Megawattstunde bewegt, ist allerdings als Verkaufspreis schon wenig genug, weil an die alternativen Stromerzeuger schon 170 Euro für diese Kilowattstunde zu entrichten war. Beim Export von 10 Terawattstunden (im Jahr 2012 waren es fast 15) bedeutet das selbst bei diesem Börsenpreis etwa 1,25 Milliarden Euro Verlust, für den der Stromkunde aufzukommen hat.
Was ist aber, wenn wir die Gefahr, die vom CO2 ausgeht, einfach maßlos übertreiben? Gut, mag der gemäßigte Betrachter sich bisher gesagt haben: Wenn an der CO2-Geschichte doch nichts dran sein sollte, dann sparen wir doch wohl an den ohne Zweifel endlichen Ressourcen! Sollte man meinen. Es wäre dann wie beim Alchimisten Johann Friedrich Böttger, der eigentlich prahlte, Gold herstellen zu können und dann stattdessen die Porzellanherstellung erfand. Seitdem wir das CO2 aus dem Kraftwerk direkt in die Erde verpressen wollen, wird auch dieses Argument – sollte es jemals gegolten haben – hinfällig. Nicht einmal Porzellan anstelle von Gold, in diesem Falle Ressourcenschonung anstelle von Klimarettung, sondern weder das eine noch das andere könnte sich einstellen, denn die CO2-Verpressung verschlingt zusätzliche Ressourcen – erst recht, wenn auch noch die schon jetzt ressourcenschonende und bei Fortentwicklung noch günstigere Nutzung der Kernenergie aufgegeben wird; und der Input an fossiler Energie zur Bereitstellung der immer riesigeren Windkraftmaschinerie, der astronomische Rohstoffverbrauch für Zuleitungen, Aufbauten und Herstellungstechnologie kommen hinzu.
All dies lässt die Frage nach der Zuverlässigkeit der Prämissen für diesen gigantischen energiepolitischen Kurswechsel um so dringlicher werden – zumal wir uns in Deutschland in Bezug auf die Kernenergie als Geisterfahrer gegenüber nahezu allen entwickelten Industrie- und Schwellenländern fortbewegen und mit unserem schwankenden Stromnetz nun auch noch zu einem Fremdkörper im europäischen Stromversorgungssystem geworden sind.
Ich drücke Horst-Joachim Lüdecke und diesem Buch, das nun von ihm vorliegt, die Daumen, weil ich glaube, dass von einem wirklichen Erkenntnisgewinn in Sachen Energie und Klima unsere Zukunft abhängt. Wir müssen zu der Forderung nach naturwissenschaftlich soliden Erkenntnissen und ingenieurtechnisch realistischen Gestaltungswegen als Grundlage von politischen Entscheidungen zurückfinden. Ein gesinnungsethischer Konformitätsdruck ist eine schlechte Grundlage für energiepolitische Entscheidungen.
Dieses Buch ist ein leidenschaftlicher Aufruf zu intellektueller Redlichkeit und zugleich ein Meisterwerk in der plausiblen Vermittlung komplizierter physikalischer Sachverhalte. Ich wünsche ihm viele Leser. Es gehört in jeden Schulunterricht einer Abiturklasse. Allerdings bin ich Realist und ahne, was kommen wird: Man wird zunächst versuchen, es zu ignorieren. Aber es wird nicht fruchten, dazu ist das Buch zu souverän, zu überzeugend, zu präzise. Daher wird sich die Empörungsindustrie mit ihm befassen und es auf den medialen Index setzen.
Nur: Über die Frage, ob CO2 ein Klimakiller ist oder nicht und welche Faktoren für das Leben wirkliche und welche eingebildete Risiken sind, entscheiden weder politische Mehrheiten noch religiöse Überzeugungen noch der kollektive Wille der deutschen Medienlandschaft. Daher wird dieses Buch zumindest eines Tages von der Realität bestätigt werden. Wie viele schwer reparable Fehler bis dahin in der deutschen Energiepolitik gemacht sein werden, ist eine andere Frage.
Arnold Vaatz, MdB