Читать книгу Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums - Horst-Joachim Rahn - Страница 69
2.7.1 Aggression
ОглавлениеEine Aggression ist ein affektbedingtes Angriffsverhalten des Menschen gegen Mitmenschen, Tiere, Organismen oder Gegenstände. Sie geschieht in vielen Fällen in der Absicht, anderen Menschen zu schaden, z. B. als verbale Diffamierung, Ausgrenzung oder als tätlicher Angriff, z. B. in Form von Gewalt. Sie dient der Durchsetzung eigener Interessen, z. B. im Alltag, aber auch sehr häufig im Sport. Beispielsweise im heutigen Spitzenfußball werden Aggressionen zum Teil in nicht mehr vertretbarer Weise ausgelebt, wie die langen Verletztenlisten belegen. Dagegen tut aber niemand etwas, vor allem nicht die Schiedsrichter. Hauptmotivation für die Aggressionen manchen Spieler ist wohl das viele Geld, das im Spitzenfußball verdient wird.
Aggression hat viele Ursachen. Sie kann auch eine Reaktion auf die Bedrohung der eigenen Machtsphäre sein. Zum Teil ist sie auf Frustrationen oder auch auf milieubedingte Verhaltensprägungen zurückzuführen, z. B. auch auf Alkoholeinfluss. Bei Tieren ist die Angriffsbereitschaft gegen Rivalen weit verbreitet, z. B. im direkten Wettbewerb um Ressourcen, um Nahrungsaufnahme oder wenn es um die Fortpflanzung geht. Aggressionen können auch mit Angriffshandlungen eines Staates gegen einen andern Staat verbunden sein. Die Bewertung von Aggression ist heute sehr unterschiedlich, zum Teil sogar ärgerlich.
► Nach Meinung des dänischen Therapeuten Juul kann Aggression nach durchaus konstruktiv sein:214Aggressionen bei Kindern sind normal. Seine Meinung: „Kinder sind, Opfer’! Eltern als, Rabauken’!“ Die Wut des Kindes ist zu respektieren. Aggressionen bei Kindern dürfen nicht unterdrückt werden! Unterdrückte Wut macht krank!“ Und er geht noch weiter: „Die Gewalt der Freundlichkeit kann mehr Schaden anrichten als ein Wutausbruch“ (J. Juul).
Der deutsche Aphoristiker P. Rudi sagt es vorsichtiger: „Leidenschaft ist der besser Teil der Aggression und mitunter ihre „bessere Hälfte.“ Wir müssen uns manchmal nicht wundern: „Wo keine Gerechtigkeit herrscht, da entsteht mit der Zeit Aggression“ (O. Demir). Denn: „Wenn wir Angst haben, werden wir gewalttätig“ (J. Krishnamurti).
► Mit der obigen Argumentation von Juul bin ich zum großen Teil nicht einverstanden. Eltern als Rabauken zu bezeichnen ist eine Unverschämtheit. Viele Kinder werden aber falsch erzogen, weil die Eltern zu viel durchgehen lassen und in ihrer Erziehung nicht konsequent sind. Ich fordere seit Jahren, dass wir für eine bessere und konsequentere Erziehung kämpfen müssen.215 Denn viele Eltern wissen nicht mehr, was es heißt, Eltern zu sein.216 Nicht die totale Selbstverwirklichung und das Ausleben der Kinder kann das Ziel sein, sondern konsequente Erziehung zu Nächstenliebe, Fleiß und Disziplin. Konservative Werte werden heute zum Teil mit Füßen getreten. Statt Pflichterfüllung werden nur die Rechte wahrgenommen. Wir müssen uns also nicht wundern, wenn sich aus unseren Kindern zum Teil kleine Tyrannen herausbilden.217
Auch für Erwachsene gilt: „Aggressives Verhalten macht Menschen krank und ist nicht zu tolerieren, sondern zu bekämpfen!“* Frechheiten, Rotznasigkeiten und Respektlosigkeiten müssen nicht sein: „Respektlosigkeit ist der erste Schritt in Richtung Revolte“ (F.F. Kovacs). Und: „Aggressive Worte tun anderen Menschen weh und verletzten sie“ (K. Rinpoche). „Aggressive Menschen befinden sich vor allem im Krieg mit sich selbst“ (R. Schützbach). Deshalb brauchen sie gute psychologische Betreuung. Überraschend ist die Spannbreite der Aggression bei P. Rudi: „Aggression ist eine beunruhigende Dimension, die vom skrupellosen Massenmord bis zuweilen gutem Sex reicht.“ Zum Schluss: „Jede Aggression sucht sich zu rechtfertigen. Angefangen hat doch immer der andere“ (F. Hacker).
► Was lernen wir daraus? Bevor wir über Menschen negativ urteilen, sollten wir immer prüfen, warum jemand aggressiv ist. So sieht es auch Autor Juul. Außerdem sollten wir genauer zwischen Aggressionen bei Kindern bzw. Pubertierenden und bei Erwachsenen unterscheiden. Aggressionen sind bei Kindern nicht zu verhindern, z. B. toben, spucken, kratzen, beißen und schlagen. „Wer Kindern aber locker zugesteht, ihre Wut massiv an Anderen auszulassen, lässt den Ungehorsam galoppieren.“* Hier muss gegengesteuert werden: Zuerst sollte man das Kind beruhigen und dem Kind pädagogisch verdeutlichen, dass klare Grenzen zu beachten sind. „Wer sich als Kind voll ausleben kann und die Beherrschung nicht rechtzeitig lernt, wird später bei der Eingliederung in die Erwachsenenwelt und den Arbeitsprozess große Probleme bekommen.“* „Die Erziehungskatastrophe trifft dann aber keinen der Erzieher, sondern die ehemaligen Kinder.“*
Weil es im Spitzenfußball zu viele Fouls gibt, sagte der geachtete Weltmeister Paul Breitner218: „Ich behaupte, wir müssen den Jugendlichen lehren, foul zu spielen.“ Das unterstütze ich überhaupt nicht. „Gute Erziehung ist wichtiger als ein Fußballspiel zu gewinnen.“* Hier beziehe ich mich gern auf das Vorbild M. Ghandi, der sagte: „Ich glaube an die Gewaltlosigkeit als einziges Heilmittel.“ Es gibt nämlich keine „sinnvolle“ Aggression. Auch dem Ausleben von Aggressionen bei Erwachsenen sollte man entgegentreten. „Wer Aggression toleriert oder gar sät, wird weitere Aggression ernten.“* Im Umgang mit aggressiven Menschen heißt es Ruhe bewahren und sich nicht provozieren lassen. Dabei Aggressivität nicht ignorieren, sondern die weiteren Folgen dieses Verhaltens aufzeigen. Die Erklärung für Aggressionen liegt in den Wurzeln: „Es ist ein Unterschied, ob man von Kindheit an lernt, die Hände zu falten oder sie zur Faust zu ballen“ (H. Walters). Der griechische Philosoph Platon sagte treffend: „Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen.“ Also kämpfen wir weiter für das Gute.