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08. Mord in den besten Kreisen

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Max Bessmann hat einen Namen in der Stadt, selbst jetzt noch, nachdem er sich schon lange aus dem Immobiliengeschäft zurückgezogen hat. Als Makler hat er fast dreißig Jahre lang Büroetagen und Wohnblocks an den Mieter gebracht. Jetzt steht Kommissarin Marlene Kemper in seinem bestens gepflegten Garten vor der edel renovierter Gründerzeit-Villa, in der vor einer knappen Stunde Bessmanns Leiche gefunden worden ist. Nachdem sie sich die Füße abgetreten hat, geht sie ins Haus. Bessmanns Leiche liegt im Schlafzimmer auf dem Bett. Der Rechtsmediziner beendet gerade seine Untersuchung. »Er hatte ein schwaches Herz,« sagt er. »Und jemand, der das offensichtlich wusste, hat ihm Digitalis verabreicht. In flüssiger Form, als Tropfen wahrscheinlich.«

»Also Giftmord!«, stellt Marlene Kemper, obwohl sie weiß, dass sie damit einen der gefürchteten Kurzvorträge des Rechtsmediziners auslösen könnte.

Der Arzt nickt und referiert sofort: »Digitalis ist ein Präparat, das aus den Blättern des Roten Fingerhuts gewonnen wird. Es regelt die Herztätigkeit und verlangsamt den Puls. Als Medikament ist es rezeptpflichtig. Die Tropfen haben verschiedene Warnhinweise auf der Flasche. Ein Versehen ist also auszuschließen.«

Marianne Bessmann hat ihren Mann am Morgen gefunden und den Hausarzt gerufen. Dem kam Bessmanns plötzlicher Tod so seltsam vor, dass er die Polizei verständigt hat.

Unten, in der eleganten Wohnhalle der Villa, warten drei Personen auf die Kommissarin. Man beäugt Marlene Kemper ebenso misstrauisch wie neugierig. Fritz Bessmann, der Bruder des Toten, bedenkt die Kommissarin mit einem knappen Kopfnicken.

»Marianne hat mich angerufen«, sagt er. »Ich wohne in der Nähe und bin natürlich sofort herübergekommen.« Er wirft seiner Schwägerin einen kurzen Blick zu. »Anscheinend wollte Marianne sich in dieser Krise nicht allein auf ihren Liebhaber verlassen!«

Marianne Bessmanns Liebhaber heißt Hans Möller. Er ist ein gut aussehender Mittvierziger und sitzt mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck in einem der schweren Ledersessel.

»Verhaften Sie Möller!«, fordert Fritz Bessmann. »Seit einem Jahr hat Marianne ein Verhältnis mit ihm. Die beiden haben sich zuletzt nicht mal mehr die Mühe gemacht, es zu verbergen. Kein Wunder, dass Max' schwaches Herz die Aufregung nicht verkraftet hat.«

Hans Möller hat nur einen abschätzigen Blick für Fritz Bessmann übrig. »Ich habe gestern Abend mit Bessmann alles geklärt!«, sagt er ruhig. »Er hat in eine Scheidung eingewilligt, weil er endlich begriff, dass Marianne zu jung für ihn war.«

Marlene fragt: »In welcher Beziehung standen Sie eigentlich zu Herrn Bessmann?«

»Ich war sein Steuerberater!«, erwidert Möller. »Außerdem beriet ich ihn in Vermögensfragen. Ich war oft hier, dabei lernte ich Marianne kennen. Und lieben! Aber deswegen hatte ich noch lange keinen Grund, Bessmann zu hassen.«

»Das kann ich nur bestätigen!« Marianne Bessmann legt vertraulich ihre Hand auf seine Schulter. »Max wollte sich heute mit seinem Anwalt über die Scheidung unterhalten!«

»Bitte«, sagt Marlene Kemper. »Jetzt einmal der Reihe nach! Zuerst möchte ich wissen, was hier gestern Abend geschehen ist!«

»Wir haben zu viert zu Abend gegessen,« berichtet Marianne Bessmann. »Hans war hier, weil er mit Max über die Scheidung sprechen wollte. Fritz war da, weil er uns jeden ersten Dienstag im Monat besucht, das ist ein alter Brauch.«

»Und weiter?«, fragt die Kommissarin.

Hans Möller sagt: »Nach dem Essen ging ich mit Max Bessmann hinauf in sein Arbeitszimmer. Wir sprachen über die Scheidung. Er sagte mir, dass Marianne wegen der Gütertrennung nur einen geringen Unterhalt bekommen würde - aber das wusste ich ja schon aus seinen Steuerunterlagen.«

»Ich saß in dieser Zeit hier unten vor dem Fernseher«, mischt Fritz Bessmann sich ein. »Zusammen mit Marianne. Wir haben uns das Quiz im Ersten angesehen.«

»Hans und Max kamen gegen zehn Uhr wieder herunter«, fährt Marianne Bessmann fort. »Hans verabschiedete sich und ging. Max unterhielt sich noch kurz mit Fritz und mir, dann nahm er sein Konstitutionsmittel und ging zu Bett. Wir haben getrennte Schlafzimmer.«

Ein Konstitutionsmittel, erfährt Kommissarin Marlene Kemper, ist ein homöopathisches Präparat zur Steigerung der allgemeinen Abwehrkräfte. Max Bessmann hat die Tropfen regelmäßig genommen. Marlene Kemper lässt sich von Marianne Bessmann das Fläschchen mit dem Mittel zeigen. Es steht im Medizinschränkchen im Bad. »Eine schwache Phosphorlösung gegen Erschöpfungszustände«, erklärt die Witwe. »Max glaubte an Homöopathie und nahm jeden Abend vor dem Schlafengehen einen Teelöffel von diesem Mittel und schwor darauf, dass es ihm half.«

Marianne Kemper nimmt das Medizinfläschchen und bringt es zu dem Rechtsmediziner, der draußen bereits seine Utensilien im Wagen verstaut. »Ah!«, sagt der Arzt und zieht eine Augenbraue hoch. »Ein Konstitutionsmittel.«

Angesichts seines Tonfalles zieht nun Marlene eine Augenbraue hoch.

»Zur Stärkung der allgemeinen und einer ganz speziellen Konstitution«, grinst der Arzt und holt tief Luft. »Eine Art homöopathisches Viagra. In seiner Wirkungsweise natürlich ähnlich einigen anderen pflanzlichen...«

»Untersuchen Sie es einfach!«, unterbricht Marlene ihn.

Nach ein paar Tests kann der Arzt der Kommissarin ein vorläufiges Ergebnis mitteilen: »Das Phosphorpräparat ist mit dem tödlichen Digitalis vermischt worden!«

Als Marlene ins Haus zurückkehrt, verharrt sie an der Wohnzimmertür, weil da drinnen offenbar Streit unter den Verdächtigen ausgebrochen ist.

»Ich habe genau gesehen, wie du gestern in der Küche mit einem Medizinfläschchen hantierst hast!«, sagt Fritz Bessmann. »Und du warst früher einmal Krankenschwester. Das gibt einem doch sehr zu denken.«

»Du bist doch total verrückt!«, erwidert Marianne Bessmann scharf. »Es war keine Medizin, sondern ein Portionsfläschchen Sherry, das ich zum Kochen gebraucht habe.«

Als die Kommissarin in der Tür erscheint, verstummen die beiden. Hans Möller gibt sich immer noch unbeteiligt.

»Haben Sie eigentlich Vorteile von Herrn Bessmanns Tod?«, erkundigt sich Marlene Kemper bei ihm.

»Nur indirekt!«, gibt der junge Mann offen zu. »Ich werde jetzt eine reiche Erbin heiraten!« Er zieht Marianne an sich.

»Liebe, die über Leichen geht!«, murmelt Fritz Bessmann bösartig.

»Genau wie deine Liebe zur Börse!«, faucht Marianne. »Jeden Euro, den Max dir lieh, hast du zu in deine windigen Aktienspekulationen gesteckt.«

Hans Möller sagt: »Max erwähnte gestern, dass er heute mit einem Anwalt nicht nur über die Scheidung, sondern auch über ein neues Testament sprechen wollte. Ein Testament, in dem Fritz nur noch sein Pflichtteil bekommen sollte.«

Kommissarin Marlene Kemper sieht Möller erstaunt an. »Sie kennen also das alte Testament?«

Möller nickt. »Danach erbt Fritz ein Drittel und Marianne zwei Drittel des Vermögens.«

»Ich bin nicht auf sein Geld angewiesen!«, verteidigt sich Fritz Bessmann. »Ich habe einen guten Job als Botaniker am biologischen Institut der Universität und verdiene genug. Ich habe überhaupt keinen Grund gehabt, sein Konstitutionsmittel zu vergiften! Für Möller dagegen kommt der Tod meines Bruders sehr gelegen. Er hat sich bei der Vergrößerung seines Steuerberatungsbüros hoch verschuldet. Dass Max sich scheiden lasen wollte, war ihm nicht genug, denn danach hätte Marianne ja kaum Geld gehabt. Deshalb hat er ihn umgebracht und sie dadurch zu einer reichen Erbin gemacht, die er heiraten und dann wie eine Weihnachtsgans ausnehmen kann!«

Für einen Augenblick herrscht eisiges Schweigen in dem großen Raum. Dann sagt Marlene Kemper: »Ich muss Sie jetzt verhaften, Herr Bessmann. Sie haben Ihren Bruder umgebracht.«

Fritz Bessmann zuckt zusammen, aber er behält die Fassung. »Wie wollen Sie das beweisen?«

»Sie haben es zwar schlau eingefädelt«, meint Marlene, »aber wie immer sitzt der Teufel im Detail - und da haben Sie einen Fehler gemacht, mein Lieber!«

Was ist Marlene Kemper aufgefallen?

Lösung:

Fritz Bessmann vergiftete seinen Bruder Max, um zu verhindern, dass er ihn in seinem neuen Testament enterbte. Er verriet sich, als er beim Verhör seiner Schwägerin vorwarf, sie habe das homöopathische Konstitutionsmittel von Max vergiftet. Zu diesem Zeitpunkt wusste nur Kommissarin Kemper, dass das tödliche Gift in diesem Mittel gewesen war, denn der Rechtsmediziner hatte es erst unmittelbar zuvor festgestellt. Als Botaniker war Bessmann natürlich bekannt, dass der Rote Fingerhut Digitalis enthält und er konnte es am biologischen Institut der Universität, wo er arbeitete, selbst herstellen.

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