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Viertes Kapitel Kein Gottesgericht und keine Hölle nach dem Tod?

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Angesichts der im Vorhergehenden demonstrierten Vereinbarkeit von Atheismus und Unsterblichkeit ist es umso unverständlicher, dass einige Atheisten und manche Linksintellektuelle wie verrückt, wie rasende Hysteriker auf jede kleinste Spur, jeden Hauch, jeden Schatten einer eventuellen Unsterblichkeit reagieren, sie sofort in das Reich des Esoterischen und Okkulten verbannen und über den sich zu ihr Bekennenden, ja sie auch nur hypothetisch Behauptenden sofort mit der Faschismus- und Sektenkeule herfallen. Das ist anscheinend nur so zu erklären, dass das Unterbewusste so manches Atheisten fürchterliche Angst vor der kleinsten Möglichkeit von Meta-Physik hegt, vor allem und jedem, was über das grob sinnlich Fass- und Feststellbare hinausgehen und ihre unnatürliche, anti-transzendente Blockierung aufbrechen könnte.

Dabei scheint es so, dass diese „atheistischen Mimosen“, zu denen, wie wir sahen, die aufgeklärtesten und vitalsten Atheisten ja gerade nicht gehören, nicht einmal Angst vor einem eigentlichen Gericht (Gottes) oder gar einer Hölle nach dem Tod zu haben brauchen. Demi das laut Kirchendogma sofort nach dem Tod eines Menschen stattfindende Gericht Gottes, der ihn aufgrund seines alsbald ergebenden Urteils in den Himmel oder das Fegefeuer oder die Hölle befördert, gibt es offenbar so nicht.

Viele Menschen, solche mit Nahtoderlebnissen, aber auch solche, die mit Hilfe eines Mediums vom Jenseits her zu uns zu sprechen behaupten, konnten jedenfalls weder Gottesgericht noch Hölle bezeugen (oder bestätigen), obwohl sie ansonsten so Manches aufgrund ihres angeblichen Einblicks ins Jenseits zu berichten wussten. Wir werden uns später mit der Frage der Glaubwürdigkeit ihrer Berichte auseinandersetzen. Hier und jetzt aber interessiert uns viel mehr, ob sie etwas zur Frage eines Gerichts nach dem Tod bzw. einer Hölle zu sagen haben. Wir werden sehen: Sie haben etwas zu sagen, aber das Gesagte unterscheidet sich wesentlich von den diesbezüglichen Vorstellungen der Priester und Kirchen, ja des konventionellen Christentums überhaupt. Und auch andere theistische Religionen, wie der Islam, die ein Gericht Gottes über die Ungläubigen bzw. die Sünder direkt nach dem Tod annehmen, liegen hier falsch.

Da ist z. B. Dr. Karl Nowotny, der sich durch ein Medium aus dem Jenseits gemeldet hat. Nowotny, 1895 in Wien geboren, 1965 verstorben, war in Österreich kein Unbekannter, sondern ein prominenter Arzt und Psychiater. Er war Schüler von Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, Mitbegründer der „Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie Wien“ und jahrelang im Vorstand der „Österreichischen Gesellschaft für psychische Hygiene“. 1960 erhielt er auf Grund seiner hervorragenden Leistungen das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Nowotny hatte sich 1946 an der Universität Wien für Neurologie und Psychiatrie habilitiert und fungierte 18 Jahre lang als Leiter der Wiener städtischen Nervenheilanstalt Maria Theresia Schlößl. Neben zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Arbeiten hat er auch ein „Handbuch der Individualpsychologie – die Technik der individualpsychologischen Behandlung“ veröffentlicht.

Aus dem Jenseits meldete er sich, um den „irdischen Menschen“ über Dinge aufzuklären, „die bisher … mit irdischer Auffassungsgabe nicht richtig erklärt wurden und über die noch viel gesprochen werden muss, ehe sie in der Lebensauffassung der heute auf der Welt lebenden Generation Eingang finden werden“.34 Der Neurologe und Psychiater Nowotny gibt vom Jenseits her nachträglich zu, dass er im Diesseits die Wahrheiten über das Fortleben und Fortwirken nach dem Tod aus Feigheit verschwiegen habe: „Alle Gedanken, die mir zu diesen ernsten Fragen auftauchen wollten, habe ich zurückgedrängt, weil ich vermeiden wollte, dass man mich für verrückt erklärt, was meine liebe Kollegenschaft dann auch bestimmt nicht versäumt hätte. Ich war niemals weiter mit meiner Erklärung gegangen als: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen wir keine Ahnung haben. Eine Ahnung haben viele, sie getrauen sich nur nicht ans Licht damit ...“35 Lehne doch die „Wissenschaft alle Theorien ab, die nicht durch exakte Beweise erhärtet werden können. Ich wäre daher in den Verdacht gekommen, oder man hätte ohne Weiteres angenommen, dass ich nicht Wissenschaftler, sondern ein abwegig veranlagter Schöngeist sei. Davor hatte ich Angst und fühlte mich nicht stark genug, gegen die nun einmal herrschenden Vorurteile aufzukommen. Es fehlte mir also der Mut“, eben weil „die Wissenschaftler meiner Zeit noch recht verbohrt und einseitig waren“.36

Umso mehr freue es ihn, jetzt im Jenseits die Möglichkeit erhalten zu haben, „meine Lehre aufzuzeichnen, noch dazu unter der Kontrolle geistiger Seher und Lehrer, das empfinde ich als eine besondere Gnade. Ich will … alles zu Papier bringen, was mir auf diesem Gebiet erlaubt ist und der leidenden Menschheit im irdischen Dasein von Nutzen sein kann“.37 Auch die Wissenschaft selbst werde sich ändern, diktiert Nowotny durch sein Medium: „Es wird bald die Wissenschaft davon eingenommen sein und Forschungen anstellen, Beweise finden, ganz abgesehen davon, dass solche schon vorliegen, aber der Mut fehlt, sich ihrer zu bedienen und sich mit Dingen zu befassen, die anscheinend für das irdische Leben bedeutungslos oder doch unwichtig sind.“38

Der jenseitige Nowotny wird nun nicht müde, in allen möglichen Variationen durch sein Medium darauf hinzuweisen, dass dort drüben einiges ganz anders ist, dass es somit dort auch kein Gericht Gottes und keine Hölle im Sinne der traditionellen Glaubenslehren und des kirchlichen Dogmas gibt. „Allein der Begriff von „Gut“ und „Böse“ ist ein ganz verschiedener hier und dort … Es gibt keinen rächenden und strafenden Gott, der nach dem Abschied des Geistes von der materiellen Welt das Register prüft und verdammt oder lobt. Die allmächtigen Gesetze sind von vornherein da, und jeder bedient sich ihrer in unumstößlicher Folgerichtigkeit. Jede Tat hat ihre entsprechenden Folgen in sich, und ob ein Mensch eine böse Tat, ein Verbrechen, noch zu Lebzeiten büßen muss oder erst nach seinem Abgang von der irdischen Welt, ist ganz gleichgültig. Niemand kann sich den Folgen einer bösen Tat entziehen, ebenso wie gute Taten, die im irdischen Leben unbeachtet und erfolglos scheinen, ihren Lohn im Jenseits finden. Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit ...“39

Leitmotiv, alles beherrschende Idee, höchste Zielvorgabe ist das Prinzip des Fortschritts in der Vollkommenheit. Nowotny drückt diesen Gedanken durch sein Medium folgendermaßen aus: „Es ist … auch notwendig, sich immer wieder klar zu machen, dass es nur einen Aufstieg gibt, eine Höherentwicklung, einen Fortschritt, um loszukommen von dem Gedanken, dass nach dem Abschied von der Erde ein Jüngstes Gericht, ein strafender Herrgott oder gar die Hölle zu erwarten ist. Das alles gibt es nicht. Es sind Irrtümer, die durch falsche Auslegung mancher Mitteilungen aus dem Jenseits entstanden sind und an denen mit mehr oder weniger Absicht und Unwissenheit gerne festgehalten wird.“40

Allerdings „das wahrhaft Gute“ ist im Jenseits für den, der aufrichtig will, „klar ersichtlich“, es kann dann nach Nowotny „durch nichts verdunkelt und durch nichts vorgetäuscht werden, während auf der irdischen Welt mancher für gut gehalten wird, der weit davon entfernt ist, weil reine Eitelkeit und Geltungsdrang ihn zu sogenannten guten Taten veranlassen, vielfach oder meistens aus reiner Berechnung. Das gilt aber nach höheren Gesetzen nicht als gut und ist so lange wertlos, bis gute Taten aus reinem Herzen an ihre Stelle treten.41

Dort drüben könne der Mensch jedenfalls, so er will, klar erkennen, dass er „im ganzen unendlichen All und der ebenso unendlichen Zeitrechnung nur ein ‚Zwischenwesen‘ ist und von einem Idealbild weit entfernt“. Es sei „Überheblichkeit ..., wenn jemand annimmt, der Mensch sei in der Form, wie er auf der Erde lebt, das höchstentwickelte Wesen.“42

Es gibt nach Nowotny kein Gericht im Jenseits und keine Hölle, wohl aber eine »Scheidung der Geister«. Manche Menschen wollen sich nach dem Tod gar nicht dem Licht, der tieferen Erkenntnis öffnen, sind nicht bereit, den Weg zu immer höherer Vollkommenheit zu beschreiten, der „schwer und mühsam ist“, den Zielpunkt anzustreben, der „allerhöchste Weisheit, gepaart mit allumfassender Liebe“ heißt. Aber denen, die sehen und sich mühen wollen, erscheint ein Licht, das ihnen klar macht: „Weisheit ist nicht nur Wissen und Gelehrsamkeit, es ist der Inbegriff alles Verstehens, die ewige Verbindung von Seele und Geist zu reiner Vollkommenheit.“ Als weise gilt dort drüben nur ein Wesen, das „mit unendlicher Güte und Liebe imstande ist, alles zu wissen und zu verstehen … Das Verstehen der Zusammenhänge der Naturgesetze im Weltall, ihren Sinn zu erfassen und imstande zu sein, ihnen in allem gerecht zu werden, das ist das Ziel, das uns allen gesteckt ist und das erst erreicht sein muss, wollen wir als Idealwesen gelten“. Wie gesagt, „der Weg dorthin ist schwer ..., aber auch unendlich freudvoll, wenn man bestrebt ist, seine geistige Existenz auf Liebe und Weisheit aufzubauen. Wunderbares birgt das All für uns alle, und das ist das Tröstliche im Kampf um den Aufstieg, um den Fortschritt … Wer nur Gutes leisten will, kann damit niemals fehlgehen oder geschädigt werden. Er wird im Gegenteil ungeahnte Kräfte empfangen und seine Leistungen über das normale Maß steigern kömlen“.43

Nochmals: Es gibt kein Gericht Gottes über den Sünder, den Ungläubigen, den Gottesleugner oder gar Gotteslästerer und keine Hölle. Aber dort drüben „erkennt jeder selbst, wo und weshalb er seine Pflichten nicht erfüllt hat“, und deshalb erlegt sich auch jeder selbst „ohne Richter seine Sühne oder Buße oder die noch zu erfüllenden Pflichten auf. Da kann keiner schwindeln wie in der Schule der irdischen Welt“.44 Durch keine Beichte bei einem Priester hier auf Erden noch bei einem höheren Geistwesen im Jenseits kann Schuld, die man auf sich geladen hat, getilgt werden. „Keiner kann“ so Nowotny, „seine Fehler und Irrtümer einfach abladen und sich durch Bitten und Betteln Absolution erflehen. Das ist ein ganz großer Unsinn. Jede Tat trägt ihr Urteil in sich, ob gut oder böse. Und böse Taten können nur durch gute gesühnt und wettgemacht werden … Jeder Mensch richtet sich selbst, nach ganz genauen und ewigen Gesetzen … Gott ist nicht eine Person, zu der man um Vergebung bitten kann. Sie wird von selbst gewährt, wenn die rechte Einstellung gefunden und der Irrtum erkannt ist. Das Erkennen eines Irrtums, verbunden mit dem ehrlichen guten Vorsatz, es ein andermal besser zu machen, bedeutet Fortschritt und bedarf keiner Sühne.“45

Man steht nach dem Tod nicht einer richtenden göttlichen Person gegenüber, vielmehr haben „die ewigen, unendlichen Naturgesetze alles genau geregelt. Wer dagegen verstößt, ob im Diesseits oder Jenseits, muss es schwer büßen, aber nicht auf Grund eines Richterspruchs, sondern als einfache Reaktion auf die ungehörige Tat“. Die Auffassung der „Kirche … vom strafenden, rächenden Herrgott und von der Hölle ist weit entfernt von der Wahrheit und kann die freudige Erwartung auf das ewige Leben in einem besseren Jenseits kaum aufkommen lassen. Wird es erst so weit sein, dass sie mit ihren großen Irrtümern aufräumt, dann wird die Beerdigung eines Verstorbenen keine so herzzerreißende Trauer mehr verursachen wie dies heute so oft noch der Fall ist“.46

Auch die Tilgung der Schuld eines Sterbenden „geschieht sicher nicht durch eine Beichte am Totenbett und Zeremonien, wie sie die Kirche veranstaltet. Denn ich habe schon einmal gesagt, dass keiner seine Fehler abladen oder um Vergebung bitten kann. Was er im irdischen Leben nicht mehr gutmachen kann, das nimmt er als Bürde ins Jenseits mit und hat nach eigenem guten Willen die Möglichkeit zu büßen, wie es die Menschen nennen, oder eben durch gute Taten sie aufzuheben. Das ist oberstes Gesetz und muss immer wieder hervorgehoben werden“.47

Der als Arzt und Psychiater aus dem Jenseits sprechende Nowotny hält die Bindung vieler Menschen an die „materielle Welt“ für die Ursache diverser psychosomatischer Erkrankungen und sieht einen ganz entscheidenden Weg für die Heilung kranker Seelen in der „Konfrontierung mit dem außerirdischen Reiche, dem Sinn und Zweck des irdischen Daseins und der trostreichen Schlussfolgerung, dass es für alle Menschen nur ein Aufwärts gibt und niemals einen Rückschritt“. Deshalb ist „die Aufklärung über die außerirdischen Dinge ein Gebot der Zeit … Zur Zeit steht aber die Kirche mit ihrer festgefahrenen Verbohrtheit noch hindernd im Wege, weil viele Menschen den Mut nicht aufbringen, ihre von Kind auf geflissentlich gepflegte Auffassung vom Leben und Sterben, von Gott, Christus und der Hölle etc. aufzugeben. Nur wenige haben den Mut, offen zu bekennen, was sie darüber denken; mehr noch machen sich überhaupt keine Gedanken und sind zufrieden, dass sie mit der Masse gehen dürfen und keine Verantwortung für ihre Lebensauffassung zu tragen haben. Sie wurde ihnen ja eingegeben und aufgezwungen und so als ewiges Vermächtnis betrachtet, für unantastbar gehalten. Dass die Lehren über das außerirdische und jenseitige Leben so schwer zum Durchbruch gebracht werden können, hat seine Ursache hauptsächlich darin, dass so viele Unberufene sich damit befassen, aus falschem Geltungsbedürfnis oder rein materieller Berechnung“. Die „Einstellung zur Materie“ muss durch die richtige Lehre vom Jenseits „eine Wandlung erfahren“. Dann werden „Frohsinn und wahre Freiheit – ich meine Freiheit des Geistes – auf der Welt herrschen“.48

Das „Wissen um die Zusammenhänge mit dem Jenseits“ ist nach Nowotny die „Grundlage für eine gesunde Lebensauffassung und Erziehung“ im Diesseits. Das Wissen um „den Einfluss des Außerirdischen auf die materielle Welt trägt wesentlich zur Höherentwicklung der Menschheit bei und hilft auch bei der Suche nach den Ursachen vieler psychischer Leiden“.49

Leider wird dieses Wissen nach Nowotny durch die Kirchen verdunkelt bzw. verfälscht: „Die Konfessionen begehen einen großen Irrtum, da sie den Menschen zu einer jeweils einzigartigen Anschauung, zu einem Glauben zwingen, der niemals und in keiner Konfession die Wahrheit bedeutet.“ Selbst solche „Geistliche und Nonnen, Prediger etc.“, die „sich schon ein selbstständiges Urteil … gebildet haben, … haben alle nicht den Mut, ihre eigene Meinung zu sagen, gegen die Irrtümer der Kirche offen aufzutreten … Wer aber mit aller Kraft zu kämpfen bereit ist, wird von den Behörden der kirchlichen Organisationen allsogleich unterdrückt und abgeschafft“.50

Doch ist nach Nowotny „die Mehrzahl“ der Geistlichen „von der Richtigkeit ihrer Vorstellungen so überzeugt, dass sie gar nicht daran denkt, in irgendeiner Weise Kritik zu üben oder die ihnen eingefleischten Lehrsätze zu prüfen. In geradezu kindlichem Glauben, unselbstständig und – ich möchte sagen – aus großer Bequemlichkeit, huldigen sie widerspruchslos allem, was von ihnen verlangt wird. Man kommt ja so am unangefochtensten zur Vollendung im kirchlichen Sinne. Man glaubt, eine reine Seele zu haben, weil man in keine Gefahr kommt, sie zu schädigen. Das ist nicht der Sinn und Zweck des Lebens. Ernsthafte Geistliche, denen jedoch der erweiterte Horizont fehlt, weil sie eben von Kindesbeinen an schon in der kirchlichen Atmosphäre gelebt haben, steigern sich mit vollster Überzeugung in die Glaubenslehren hinein, bilden sich dementsprechend ihre Vorstellungen von Gott, Christus und dem heiligen Geist und sind überzeugt, dass es eine Hölle gibt, vor der zu bewahren ihre große Aufgabe ist“. Diese „kirchliche Auffassung ist weit entfernt von der Wahrheit“.51

Es gibt nach Nowotny deshalb sogar noch im Jenseits einige „verhältnismäßig hochstehende Geister“, die „immer noch im Irrtum“ der kirchlichen Dogmatik verharren „und, durch ihren Fanatismus gezwungen, von der irdischen Auffassung nicht loskommen“. Wenn solche Geister „mediale Mitteilungen“ machen, geschieht das zum Schaden der Irdischen!52

Es muss eben „bedacht werden, dass nicht jeder, der herüberkommt, gewillt ist und die Kraft aufbringt, alle Vorurteile und eingefleischten Glaubenssätze einfach über Bord zu werfen und … bescheiden von vom anzufangen … In materieller Lebensauffassung verfangen, wollen viele ihren Rang nicht ablegen, den sie im Irdischen eingenommen haben. Höhere und höchste Priester, ja auch Päpste, bleiben daher oft darauf beharrlich stehen, und ihre Äußerungen sind dann noch den irdischen Glaubenslehren angepasst oder sogar identisch. In ihrer Verbohrtheit sehen sie nicht nach oben, wollen die Wahrheit nicht erkennen und beharren auf allem, was sie ihrer Meinung nach als richtig erkannt haben“. Es kann deshalb im Jenseits „ein kleiner Geistlicher weit höher stehen als ein großer Kirchenfürst“, wenn ersterer die kirchlichen Lehren über den strafenden Gott und die Hölle, die er im Diesseits predigte, als Irrtum eher erkennt als die Kirchenfürsten.53

Zwar „reift im Jenseits die Erkenntnis viel leichter als auf der materiellen Welt“54, aber auch dort drüben ist der (irdische) Glaube noch nicht gänzlich und automatisch zugunsten des Wissen verschwunden. Es gibt auch im Jenseits immer höhere Stufen des Wissens und der Einsicht. Je höher die Stufe der Vervollkommnung eines Jenseitigen, um so umfangreicher und tiefer geworden ist sein Wissen um die großen Seins- und Sinnfragen und umso kleiner ist dann der noch übrig gebliebene Bereich seines Glaubens, bis dieser im „letzten Himmel“ gänzlich verschwindet, d.h. dem allumfassenden Wissen Platz macht.

Mediale Mitteilungen aus dem Jenseits sind deshalb mit Vorsicht zu behandeln. Denn wenn diese Mitteilungen aus niedrigeren, dunkleren Schichten des Jenseits stammen, stellen sie keine reine Übermittlung von Wissen dar, sondern noch immer eine Mischung aus Glauben und Wissen. Nowotny will „in diesem Zusammenhang nur betonen, dass auch religiöse Mitteilungen nicht immer von hohen Geistwesen vermittelt werden und dass sie nicht unterscheiden zwischen Glauben und Wahrheit“. „Mitteilungen aus dem Jenseits“ sollten aber „nicht auf Glauben, sondern nur auf Wissen aufgebaut sein“.55 Aber auch niedere Geister werden ja dort drüben von niemandem daran gehindert, sich eines Mediums zu bedienen und unverantwortliche Mitteilungen an die Diesseitigen zu machen.

lm Jenseits fallt natürlich die »Unterscheidung der Geister« leichter. Es gibt dort nach Nowotny „ein untrügliches Zeichen“, um die „Verkehrtheit“ einer falschen Einstellung zu erkennen: die „Ausstrahlung“ der Jenseitigen. Die Irdischen „aber nehmen ihre Mitteilungen als das einzig Wahre auf, ohne zu bedenken, dass keines dieser Geistwesen in der Lage ist, … in höchste Sphären Einblick zu gewinnen. Was sie mitteilen, ist auch nur Glaube und Nichtwissen“. Auch Nowotny selbst bekennt bescheiden von sich und gleichgesinnten, auf einer ähnlichen Stufe wie er stehenden Jenseitigen: „Wir haben noch nicht die Höhe erreicht und können noch nicht so hoch sehen, dass wir erkennen könnten, wo … die letzte Wahrheit – und dazu gehört der letzte Himmel, wenn ich es so nennen darf – ist … Die menschliche Existenz und das Jenseits, von dem wir bestenfalls zu sprechen in der Lage sind, sind so winzig klein und unbedeutend, dass es eine Anmaßung wäre, von allerhöchsten Wesen und Sphären … eine Gestalt zu wählen oder vorzustellen, die im Irdischen einen Vergleich zuließe.“56

„Umlernen“, Fehler ablegen heiß also die Devise, wenn man nach dem Tod in jenseitige Sphären übergeht. Als Beispiel erwähnt Dr. Nowotny seinen „Freund Viktor“, der „in seinem irdischen Dasein Geistlicher gewesen“ sei. „Er ist vor mehr als 20 Jahren herübergekommen, nachdem er im Leben ernst und mit voller Überzeugung der Kirche gedient hatte. Er war ein sehr fortgeschrittener Geist, aber durch Milieu und Erziehung irregeführt. Er hat nun Zeugnis darüber abgelegt, wie qualvoll die Zeit des Umlernens für ihn gewesen sei, die Erkenntnis, dass er auf einem falschen Weg gewandelt war. Man kann sich das ein wenig vorstellen, wenn man zum Vergleich einen Idealisten im irdischen Dasein nimmt, der zu der Überzeugung gebracht wird, dass das, was er sich zum Ideal erkoren hat, weit davon entfernt oder sogar das Gegenteil ist.“57

Es ist eben ein Vorurteil der Irdischen, die an ein Jenseits glauben, wenn sie annehmen, dass der Mensch „schon mit dem Abschied von der Erde ein reiner und wissender oder sogar allwissender Geist ist. Der Mensch neigt dazu, anzunehmen, dass der irdische Tod an sich als Sühne wirkt und alle bösen Taten und Eigenschaften mit dem Ende des Lebens ausgelöscht sind. Das ist ein großer Irrtum“. In Wirklichkeit „geht der Mensch mit all seinen Irrtümern und Fehlern hinüber“. Und er muss auch im Jenseits erst einmal „seine Irrtümer einsehen“ und sie dann „bekämpfen“. Es ist ganz entschieden wichtig, festzuhalten, „dass der Mensch durch seinen Abschied von der materiellen Welt noch lange nicht besser ist als er bis zu seinem Abschied war. Darum ist es ein Irrtum, wenn man glaubt, dass man von solchen Geistwesen nur Gutes lernen kann, wenngleich sie im Leben nichts davon geäußert und bewiesen haben“.58

Was Dr. Nowotny hier sagt, stimmt mit dem überein, was ein anderer Jenseitiger durch das hellschreibende Medium G. zu Papier gebracht hat.59 Er fragt: „Was berechtigt dich zu der Annahme, dass der Tod eine solche Zauberwirkung habe, dass er den derb-materiellen Geist in die Möglichkeit versetzt, in geistige Gesetze emporgehoben zu werden? Es wäre dies ja eine Sprache, die er nicht verstünde.“ Bei den meisten Menschen reiche ein Erdenleben nicht aus, „sich ihres Lebenszweckes bewusst“ zu werden und „mit ungeteilter Kraft ihre erkannte Aufgabe zu erfüllen … Ist es der Grad seiner Entwicklung, der den Geist in die Materie fuhrt, so kann es auch nur wieder der Grad seiner weiteren Entwicklung sein, der ihn von der Materie befreit. Wie wenig aber lernt der Geist in einem Menschenleben! Wie schwach ist seine Erkenntnis wahrer Liebe und Güte … Bis aber ein Geist die Lehren und relativen Wahrheiten einer Welt erfasst, erkannt und bestätigt hat, ist er an diese Welt gebunden. Und so macht er alle Klassen dieser einen großen Schule durch – denn für den Durchschnittsgeist eurer Sphäre ist ein Sandkorn wie diese Erde eine große Schule. Erst wenn diese Lehren ihn nichts mehr zu lehren haben, ist er reif für höhere, weil geistigere Lehren. Daraus ergibt sich das Gesetz der Wiedergeburt“. Nur „der Geist, der in der Materie sich seines Geistlebens bewusst ist und der die Materie als das, was sie ist, erkennt und ihr dadurch jede Macht über ihn nimmt – der erfüllt seine Aufgabe und macht sich frei von der Materie und allen endlichen Gesetzen, um in den Lichtkreis der ewigen Gesetze zurückzukehren und dort größere Freiheit, höhere Seligkeit zu finden Die Vergeistigung der Materie ist eine der vornehmsten Aufgaben der verkörperten Geister aller materiellen Welten".60

Die Vergeistigung der Materie! Aber es gibt eben auch Stufen und Grade der Materialisiertheit, der Materiegebundenheit. Die Masse der Menschen des gegenwärtigen Zeitalters scheint derart an die Materie des Geldes, des Konsums, des Gaumen- und Geschlechtsgenusses gebunden, dass diese Menschen auch nach dem Tod ihre Verstricktheit in sie nicht einfach ablegen können. Sie nehmen nach dem Ableben kein Licht wahr, das ihnen helfen könnte, Gewissenserforschung zu halten, also jene einzige Form von Gericht über sich selbst auszuüben, die es da drüben gibt. Diese geistfernen und geistverlassenen Seelen verlieren nach dem Tod ja nicht ohne Weiteres ihre tiefe Versunkenheit in die Materie, in ihre Selbst- und Profitsucht, ihre Egozentrik. Nichts geschieht automatisch. Alles organische Leben – das zeigt auch die terrestrische Evolution – muss sich konsequent Schritt für Schritt höherentwickeln. Und dieses Entwicklungsgesetz gilt auch für das Leben nach dem Tod, so dass der ins Jenseits Übergegangene seine Entwicklung von genau dem Punkt aus weiter betreiben muss, an dem sie sein Tod abgebrochen hat. „Der Vorgang des Todes, das Ablegen der sterblichen Hülle, nimmt dem Weisen nichts von seiner Weisheit, macht aber aus einem Narren keinen Weisen, sondern belässt ihn bei seiner gewohnten Narrheit … Mit welchem Ergebnis, in welchem Reifegrad der Mensch diese Vorschule (des Diesseits) verlässt, das ist grundlegend und maßgebend für die weitere Gestaltung seines Schicksals auf jenseitigen Ebenen, wo seine Entwicklung in unerschütterlicher Folgerichtigkeit ihren Fortgang nimmt.“61

Vor fast 150 Jahren schrieb der berühmte Naturwissenschaftler Gustav Theodor Fechner, damals ordentlicher Professor der Physik an der Universität Leipzig: „Das ist die große Gerechtigkeit der Schöpfung, dass jeder sich die Bedingungen seines künftigen Lebens selbst schafft … Denn wer hier langsam geht, wird dort lahm gehen; und wer hier seine Augen nicht auftut, wird dort ein blödes Gesicht haben; und wer Falschheit und Bosheit übt, wird seine Disharmonie mit dem Chor der wahren und guten Geister als Schmerz fühlen, der ihn noch in jener Welt treiben wird, das Übel zu bessern und zu heilen, was er in dieser verschuldet, und ihn nicht Rast und Ruhe finden lassen wird, bis er auch seine kleinste und letzte Übeltat abgestreift und abgebüßt. Und wenn die anderen Geister schon lange in Gott ruhen, oder vielmehr leben als Teilhaber Seiner Gedanken, wird er noch umgetrieben werden (als Besessenheitsgeist) in Trübsal und in der Wandelbarkeit des Lebens auf der Erde; und sein Seelenübel wird die Menschen plagen mit Ideen des Irrtums und Aberglaubens, sie fuhren zu Laster und Torheiten; und indem er selber dahinten bleibt auf seinem Wege in der jenseitigen Welt zur Vollendung, wird er sie, in denen er fortlebt, zurückhalten auf ihrem diesseitigen Entwicklungswege.“62

Gibt es auch keine von irgendeinem Gott geschaffene Hölle, so werden doch die noch ganz materieabhängigen Menschen nach ihrem Tod, wie auch Fechner betont, ihre ureigene Hölle erleben, die Hölle ihrer Selbst- und Habsucht, die nach den großen Weisen Laotse und Buddha die Quelle aller Übel ist, also von Eifersucht, Neid, Hass, Missgunst, Feindseligkeit, Mordlust usw. „Das, was ihr >Hölle< nennt“, sagt ein Jenseitiger durch sein Medium, „ist die tiefste Stufe“ der Wirklichkeit. Aber auch diese Stufe ist keineswegs ewig, wie die kirchliche Dogmatik behauptet; vielmehr „enthält auch die Hölle eine Anzahl von Besserungs-Sphären, durch die ein Geist kraft Besserung seiner Gesinnung sich emporarbeiten kann.“63

So wie es keine Hölle im kirchlich-dogmatischen Sinn gibt, so auch keine Teufel gemäß der kirchlichen Glaubenslehre. Die materieabhängigen, „erdgebundenen Geister sind die ,Teufel‘ … ,Teufel‘ menschlicher Herkunft, Erzeugnisse menschlicher Selbstsucht, falscher Lehren und Unwissenheit, die, völlig blind auf die geistige Ebene gelangt, dort in den Banden ihrer Unwissenheit festgehalten werden! – Der Einfluss dieser entkörperten Wesenheiten ist die Ursache vieler unerklärlicher und geheimnisvoller Ereignisse hier im Leben und trägt die Schuld an einem großen Teil des Elends dieser Welt“.64

Ein Jenseitiger, der im Diesseits als Methodistenprediger tätig gewesene Dr. Yates klagt durch sein Medium: „Es ist eine große Schmach, dass so viele Geister so völlig unwissend aus ihren Körpern heraustreten und darum in die Finsternis gehen müssen … Sie haben ihr Unterscheidungs- und Urteilsvermögen von vornherein … so eingeschläfert, dass sie gar nicht gewahr werden, dass sie verstorben sind … Wenn wir nach unserem Tode die unmittelbar um die Erde herum gelegene Äthersphäre durchqueren, dann kommen wir ja gerade durch die Sphäre, in welcher die meisten Geister im Finstern leben. Wir nennen sie ,erdgebundene Geister‘. Dort ist alles Eigensucht und Unwissenheit … Sie wissen nicht, was es heißt, für andere zu leben und zu schaffen; sie haben nur für sich selber gelebt … Ich wollte, ich könnte Sie in die Sphäre der Selbstmörder führen, in die Sphären der Kirchen, der Spelunken, der Geizhälse usw. Dort sind die Geister im Finstern und schreien nach Hilfe. Viele sind völlig ratlos. Sie nehmen ihre Zuflucht zu Menschen und versuchen, sich in deren Körper hineinzudrängen. So vergällen sie ihnen das Leben und merken gar nicht, was sie damit anrichten … Hat einer ein Leben der Selbstsucht hinter sich, in dem er gänzlich und einzig nur für sich selber gelebt hat, dann … hat er keine Gesellschaft außer sich selbst. Man sieht vor sich nur seine eigensüchtigen Gedanken, nach denen man sein Leben gestaltet hat.“65

Daher brauchen manche „nur ein einziges Menschenleben“, um auf die geistigen Stufen des Jenseits zu gelangen, „andere quälen sich Hunderte, wieder andere gar Tausende von Jahren … auf der Suche nach dem Gold des Glückes in den Falschmünzerstätten der Finsternis, von … Irrlichtern … aus der einen Irre in die andere gelockt. Es ist ihre eigene Schuld, dass sie öfters Mensch werden müssen und so spät den Weg des Lichtes finden“. Hat sich also „ein Menschengeist im irdischen leben … nicht vervollkommnet, so wird er wieder Mensch. Jedes Leben ist ein Examen. Wer durchfällt, muss es so oft machen, bis er es besteht. Das sind göttliche Gesetze, die für die ganze Schöpfung gleichmäßig Geltung haben … es gibt keine Willkür … die meisten Menschengeister müssen wiederholt zur Erde zurück. Denn der Abschluss ihres diesseitigen Lebens ist immer wieder unzureichend … Betrachte … das Leben der meisten Menschen! Ist nicht ihr ganzes Sinnen und Trachten auf das Irdische gerichtet? Wie viele … tun das Gute? … Die goldenen Fallstricke Mammons sind es vor allem, die den Menschen gefährden. Mit dem Geld besitzen die Mächte der Tiefe ein Mittel, durch das sie über den größten Teil der Menschheit eine unumschränkte Herrschaft ausüben … Nun kann aber der Geist logischerweise erst dann von einem Gesetz, das ihn in die Materie zwingt, entbunden werden, wenn er ihm entwachsen ist … Solange ein Geist … – auf ganz niedriger Stufe stehend – um der Lust des irdischen Lebens willen in das Menschenleben tritt, solange hat er die Schule der Materie nicht absolviert und ist folglich nicht fähig, in höhere Stufen einzutreten.“66

Das alles aber geschieht, wie wiederholt gesagt, nicht auf Grund eines Gottesgerichts, sondern automatisch, genauer: karmisch, nämlich aufgrund der Schuldenlasten, die man sich selbst aufgebürdet hat: „Jeder Mensch schafft sich sein jenseitiges Leben selbst … Lernt man in einem Leben nichts, so fällt man zurück. Dieses Zurückfallen aber ist ein neues Erdenleben.“67

Es ist aber nicht bloß die materialistische, eigennützige, selbstsüchtige Grundeinstellung vieler Menschen, die sie am geistigen Fortschritt in immer höhere Bereiche des Jenseits hindert. Fast ebenso erschwerend für die jenseitige Fortentwicklung sind die dogmatisch-ideologischen Verbohrtheiten vieler Menschen. „Sehen wir uns einmal die Kirchen auf der Erde an“, klagt der jenseitige Dr. Yates, „sie sind der Tummelplatz von Geistern, die in strengem Kirchenglauben hinübergegangen sind. Sie finden sich dort in großen Scharen zusammen und machen keinerlei Anstalten zu begreifen, dass sie noch geistig schlafen. Denn noch nie haben sie sich gefragt: Wer bin ich? Wo komm ich her? Wo gehe ich hin? Wo ist das wahre Leben? – Sie haben sich selber eingeschläfert mit ihren Glaubensvorstellungen über Jesus Christus und den lieben Gott, wie er auf einem Throne sitzt mit Christus zu seiner Rechten und Gericht hält über die guten und bösen Menschen. Die einen, so glauben sie, kommen in die flammende Hölle, und die anderen dürfen in den Himmel zur Herrlichkeit Gottes eingehen. Das ist ihr Glaube, den sie hegen, und obgleich sie ,tot‘ sind, bleibt die Mehrzahl dieser Wortgläubigen auf der Erde und geht in die Kirche. Sie möchten gar nicht fort von der Erde, singen ständig dieselben Lieder und plappern dieselben Gebete. Sie meinen alles, was sie zu tun hätten, sei Singen und Beten. Viele wissen gar nicht, dass sie gestorben sind. Sie nehmen sich nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken, warum ihre Familie und ihre Freunde nicht mehr mit ihnen reden, wie sie es früher doch getan haben. Es ist sehr schwierig für uns, an solche Verstorbenen heranzukommen. Viele singen und beten nur, andere wandern allein umher und versuchen herauszufinden, was eigentlich mit ihnen los sei. Dann wieder gesellen sie sich Menschen bei und beeinflussen sie so stark mit ihren Glaubensvorstellungen, dass die Betreffenden besessen werden und wegen religiösen Wahnsinns ins Irrenhaus gebracht werden müssen.“ Selbst „einigen meiner Freunde muss ich helfen. Obwohl sie schon lange vor mir gestorben sind, befinden sie sich noch im Finstern, weil ihnen das Verständnis für das wahre Leben noch nicht aufgegangen ist … Wenn Sie doch nur mal sehen könnten, wie jeden Abend, wenn Sie Ihre Sitzung haben, zahlreiche verunstaltete und unglückliche Geister zuhören und nach Hilfe verlangen, um in das jenseitige Leben eingehen zu können. Die Menschheit sollte endlich erwachen, damit nicht gar so viele als unwissende Geister auf die andere Seite hinüberkommen. Denn als solche drücken sie sich nur auf der Erde herum und bringen Unheil über die, die noch auf der Erde leben … Gegenwärtig herrscht Kampf und Gesetzeszwang.“68

Ein anderer Jenseitiger, der Arzt und Philosoph Dr. Adams, betont: Das „Fortleben nach dem Tode … ist ein Leben wahrer Erkenntnis und nicht bloßen Glaubens. Wenn man bloß glaubt, dann findet man sich im Finstern wieder vor einer verschlossenen Tür, eben weil man nur glaubt und von der anderen Welt nichts weiß … In Zukunft werden die Menschen wissen, dass sie, wenn sie Unrecht tun, dafür zu leiden haben. Die meisten Bilder von der flammenden Hölle haben sie schon abgetan, und daher haben auch die Kirchen die Menschen nicht mehr so in ihrer Gewalt wie in früheren Zeiten“. Die Menschen sollten sich versammeln „zu lebendiger Anbetung und nicht bloß glauben“. Auch so mancher Priester meint, „so etwas wie eine Geisterwelt gäbe es ja gar nicht. Wenn wir stürben, dann würden wir eben ins Grab gelegt und blieben darin liegen bis zum jüngsten Tage.

– Dann werden wir auferweckt werden, und Gott wird auf Seinem Throne sitzen und die Sünder auf die eine und die Gerechten auf die andere Seite rufen. Die einen werden zur Hölle in die ewige Verdammnis geschickt und die anderen in der Herrlichkeit des Himmels leben. Ist das nicht entsetzlich? Damit behaupten sie doch geradezu, Gott habe die einen für die ewige Verdammnis und die anderen für die himmlische Seligkeit geschaffen … Da gingen die einen in den Himmel und sahen die anderen im Feuer der Hölle liegen!“ Die Hölle sei eine Erfindung cleverer Religionsmanager. Die „malten ... die Hölle so grausig aus wie nur möglich, als einen großen brennenden Ofen, mit Gerippen da und dort und loderndem Feuer. Und der die Menschen ins Feuer warf, das war der Teufel, der sie sie auf einer Forke anbrachte“.69

Die Menschen „sind unfrei, durch … Glaubensformeln gebunden“, erklärt eine weitere Jenseitige durch ihr Medium. „Viele halten sich für heilig, doch ist ihre Heiligkeit eine ganz Oberflächliche“.70

Eine andere Jenseitige behauptet: „Die allermeisten Menschen bleiben nach dem Ablegen des Körpers geraume Zeit an ganz demselben Orte, wo sie ihr Leben verbracht haben, ganz gleich, ob sie gelehrt oder ungebildet sind.“ Wenn sie die Freiheit und Selbstständigkeit ihres Geistes, seine Loslösung von allen religiösen und weltanschaulichen Vorurteilen nicht betrieben haben, daher auch „vom Jenseits nichts wissen“ (da zum Geist eben auch die Unsterblichkeit gehört), „dann bleiben sie da stehen, wo sie gerade gestorben sind. Viele liegen in tiefem Schlaf oder gar in schwerer Bewusstlosigkeit … Manche wiederum haben sich selber in einen tiefen Schlafzustand versetzt durch den religiösen Glauben, dass sie bis zum jüngsten Tage im Grab zu liegen hätten, oder durch die Vorstellung, dass mit dem Tode alles aus sei. Dann gibt es viele aus allen möglichen religiösen Bekenntnissen, die überhaupt nicht wissen, dass sie gestorben sind.“71

Ein weiterer Jenseitiger bedauert den „Zerfall der Kirchen“, sieht die Ursache dafür aber darin, dass sie blind und geistlos seien, daher selber nur den Glauben lehren könnten. Aber „die Menschen verlangen heute nach klarem Wissen, nicht mehr nach Glauben, und wenn die Kirchen wahre Religion lehrten, dann wären die Menschen auch besser. Viele Geistliche wissen in ihrem Herzen sehr wohl, dass die Menschen an die alten Geschichten nicht mehr glauben. Es ist auch hier das ‚goldene Kalb‘, der ‚Mammon‘, dem sie dienen, wenn sie sich dennoch auf die Kanzel stellen und wider ihre bessere Überzeugung predigen … Die Menschen müssen die Wahrheit erfahren, dann werden sie auch nach ihrem Ableben nach der geistigen Welt Ausschau halten und statt eines eingebildeten ,Himmels‘ ein glückliches Heim im Jenseits finden: Himmel und Hölle sind nur innere Gemütszustande, und den ,Himmel‘ muss ein jeder in seinem eigenen Innern gefunden haben, bevor er in der geistigen Welt glücklich sein kann … Im geistigen Leben … gibt es keine Glaubenssätze … Zum ,Jüngsten Tage‘ kann dem Menschen jeder beliebige Tag werden, nämlich der Tag, an dem er seine Selbstsucht und Unwissenheit ablegt; denn nur diese sind der ,Tod“. Leben ist Liebe und Weisheit … Denkt man aber nur an sich selbst und klammert sich an Bekenntnisformeln, dann hat man Kummer und Sorgen und muss sich diese durch Leiden austilgen lassen … Der Himmel ist keine besondere Örtlichkeit. Wer sich vorstellt, er gehe in den Himmel, der muss diesen Himmel schon mitbringen, denn er ist ein Gemütszustand. Wer da leidet, ist in der Hölle … Wer dagegen glücklich ist, ist im Himmel, – in dem Himmel, den jeder in sich trägt.“

„Die Menschen haben sich allerhand Lehren zurechtgedacht. Der eine hat sich diese, ein anderer wieder jene Ansicht zu eigen gemacht. Einer geht in diesen, der andere in jenen Winkel, der eine hält diesen, der andere jenen Weg für den richtigen; und so hat jeder sein eigenes Glaubensbekenntnis. Sie laufen in einem engen Kreise herum und vergessen ganz, dass sie ja im Mittelpunkte des Lebens, in Gott selbst stehen … Warum solltet ihr euch zum Gottesdienst an einen bestimmten Ort begeben? ,Gehe in dein Kämmerlein und bete zu deinem Vater im Verborgenen' … In der Geisterwelt macht es uns bei sehr vielen Verstorbenen große Schwierigkeiten, wenn ihnen erst hier die geistigen Augen geöffnet werden müssen. Sie sind alle so verblendet durch ihre Bekenntnisformeln und Glaubenssätze, und wir müssen alle unsere Kräfte anspannen, ihnen begreiflich zu machen“, dass es auf diesen „Bekenntnis- und Dogmenkram“ gar nicht ankommt. „Wenn wir erst wissen, was Liebe ist, und sie in die Tat umsetzen – nicht, was die Menschen hier auf Erden Liebe nennen, sondern die Liebe, die allenthalben hervorsprießt, – dann wirkt diese Liebe wie die Sonne. Habt ihr solche Liebe in euren Herzen, so seid ihr für andere wie eine Sonne … Wer dagegen an Bekenntnisformeln und Glaubenssätze gebunden und voller Eigenliebe ist, bleibt unwissend und fühlt sich bedrückt und unglücklich … Verstorbene dieser Art bekommen die Augen ihrer Seele nicht auf und fragen nicht nach dem Licht … Diese kommen in tiefer Finsternis im Jenseits an, sie rotten sich zusammen, ein Trupp hier und dort ein anderer, alle in tiefstem Dunkel … Es ist sehr schwer, ihnen begreiflich zu machen, dass sie ins Jenseits übergetreten sind. Es muss sie natürlich auch sehr hart ankommen, wenn sie erwachen und sehen, was für Irrtümern sie anheimgefallen sind, indem sie sich auf Glaubenssätze und Bekenntnisformeln festlegten. Sie haben sich selbst in Dunkelheit gehüllt und alles Licht abgesperrt, das sie ihr Leben lang hätte durchstrahlen sollen.“72

In den bisherigen Ausführungen dieses Kapitels wurden vor allem Aussagen bereits Verstorbener, also Jenseitiger, wiedergegeben. Im Großen und Ganzen stimmen damit die Aussagen Diesseitiger überein, die ein Nahtoderlebnis hatten. Auch sie berichten nicht über ein Gericht Gottes an der Schwelle zwischen Leben und Tod und auch nicht über Hölle und Himmel im dogmatisch-kirchlichen Sinn.

Aber was ist überhaupt ein Nahtoderlebnis? Nahtoderlebnisse lassen sich – grob vereinfacht – in vier Kategorien unterteilen: Da geht es zum ersten um die Erfahrungen von Menschen, die reanimiert, also wiederbelebt worden sind, nachdem sie »klinisch tot« waren. (Als »klinisch tot« gilt, wer noch reanimiert werden kann, dessen Gehirnzellen also durch Sauerstoffmangel noch nicht irreparabel geschädigt worden sind. Der klinisch Tote befindet sich in einer Phase zwischen Herzstillstand und Hirntod, den die Mehrheit der Mediziner als eigentlichen Tod des menschlichen Organismus ansieht, als sein unumkehrbares Lebensende, weil dann das Gehirn keinerlei lntegrationsfunktionen gegenüber den körperlichen Organen mehr ausüben kann. Die Dauer dieser Phase wird unterschiedlich festgesetzt, im Allgemeinen auf höchstens fünf Minuten. Aber es gibt Sterbeerfahrungen, in denen die Zeit zwischen dem Eintreten des Herzstillstandes und der Wiederbelebung sehr viel länger war als diese fünf Minuten. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die die Schulmedizin nicht oder kaum für möglich hält. Aber auch die Schulmedizin kennt Fälle, in denen Menschen nach dem Herzstillstand viel längere Zeit überlebten, z. B. reanimierte Erfrorene, deren Unterkühlung offenbar bewirkte, dass ihre Gehirnzellen mit einem Minimum an Sauerstoff auskamen. Auch bei Vergiftungen kommt es vor, dass die Hirnströme nicht mehr messbar sind, der Hirntod also eingetreten zu sein scheint, der Patient aber dennoch wiederbelebt werden kann).

Zum zweiten gelten als Nahtoderlebnisse die Erfahrungen Sterbender, die gar nicht klinisch tot waren, sich aber kurz vor ihrem Tod noch über diese Erfahrungen vor Anwesenden äußern konnten. Zum dritten gelten als Nahtoderlebnisse auch die Erfahrungen jener, die weder klinisch tot noch Sterbende waren, aber durch schwere Krankheiten oder Unfälle dem Tod nahe waren. Und schließlich geht es bei Nahtoderlebnissen viertens auch um die Erfahrungen unheilbarer Kranker, unter großen Schmerzen Leidender, die mit Opiaten, halluzinogenen

Drogen, LSD u. ä. behandelt wurden.

Die Mitteilungen der Menschen, die zu einer dieser vier Kategorien gehören, sind also keine Berichte aus dem Jenseits, wie sie uns durch Medien oder die sogenannte Außersinnliche Wahrnehmung (ASW) übermittelt werden. Es sind Mitteilungen an der Schwelle zum Tod, im Grenzgebiet des Todes, aber noch aus dem Diesseits. Aber auch als solche sind sie höchst interessant und aufschlussreich. Und sie bestätigen die oben dargelegten Aussagen der Jenseitigen, der tatsächlich Verstorbenen, dass es kein von einem Gott ausgeübtes Gericht über den Sünder nach dem Tod und keine von diesem Gott verhängte Hölle gibt, wohl aber ein »ethisches Selbstgericht« der im Sterben oder fast im Sterben befindlichen Personen.

Dieser ethische Zentralkern des notwendigen menschlichen Reifungsprozesses scheint also auch durch Sterbeerfahrungen und den sogenannten Lebensfilm bestätigt zu werden. Es gibt eine große Anzahl von Aussagen und Berichten Sterbender oder klinisch Totgewesener. Sie unterscheiden sich, wie nicht anders zu erwarten, natürlich in vielen Hinsichten. Trotzdem gibt es unabhängig von Geschlecht, Altersstufe, nationaler, rassischer, weltanschaulicher oder religiöser Zugehörigkeit einige erstaunliche Gemeinsamkeiten, die in allen Aussagen wiederkehren. Ein solcher gemeinsamer Grundzug ist die ethische Komponente. Bei Todesgefahr oder im Vorgang des Sterbens scheint das ganze Leben in dichtester, konzentriertester Form und trotzdem in allen wichtigen Einzelheiten wie in einem Film vor dem geistigen Auge des Gefährdeten oder Sterbenden abzulaufen. Noch erstaunlicher ist, dass der Sterbende bzw. in Todesgefahr Schwebende alle diese Einzelheiten in ihrem sittlichen Wert erkennt und beurteilt.

Zur Illustration sei hier die Erfahrung des Züricher Architekten Stefan von Jankovich angeführt. Jankovich war nach einem schweren Autounfall etwa fünf Minuten klinisch tot. In dieser Zeit hatte er ein Sterbeerlebnis, das mit einer großartigen Bewusstseinserweiterung verbunden war. Es kam auch bei ihm zu dem für Sterbende offenbar typischen Ablaufen des Lebensfilmes. Er berichtet: „Der Lebensfilm war bisher mein großartigstes Erlebnis. Ich konnte als Beobachter ganz deutlich sehen, wer ich bin und wie ich bin! Eine dramatische Vorführung des eigenen Charakters mit allen in mir vorhandenen guten und schlechten Eigenschaften. Eine Selbsterkenntnis, wie sie sonst nie möglich ist, wurde dargeboten. Ein schmerzliches Erwachen: bin ich wirklich so? … Der Lebensfilm zeigte mir, dass wir für alle Taten und auch Gedanken die Verantwortung zu tragen haben … Bei der Beurteilung spürte ich, dass das ganze Leben eine Probe war, voll mit Problemen … Wichtig war, wie man diese Probleme, diese Situationen, im Sinne der Harmonie löste … Ich betrachtete mich von allen Seiten und hörte zu, was ich selber sagte. Ich registrierte mit allen meinen Sinnesorganen, was ich sah, hörte, spürte, und auch was ich gedacht hatte. Auch die Gedanken wurden irgendwie Wirklichkeit.“ Etwa 2000 Szenen seines Lebens seien auf dem Lebensfilm gewesen, jede Szene sei in sich abgeschlossen gewesen, habe einen regelrechten Anfang und ein logisches Ende gehabt, er selbst habe sich bei all diesen Szenen immer zugleich als Hauptdarsteller und Beobachter gesehen. Jankovich war von seinem Sterbeerlebnis derart erfasst, dass er versuchte, selbst den Papst mit dem Inhalt dieses Erlebnisses bekanntzumachen. Während des Schweiz-Besuches von Johannes Paul II. am 16. Juni 1984 bekam er in Luzern Gelegenheit, sein diesbezügliches Buch und einen Brief dem Papst mit ein paar kurzen Erklärungen persönlich zu überreichen. In diesem Brief heißt es u.a.: „Als mein Geist aus meinem Körper herausgetreten war, erfuhr ich mit unbeschreiblicher Intensität und Klarheit sehr vieles, was einem Menschen im Erdenleben verhüllt ist. Der ablaufende Lebensfilm, welcher mit einer kosmischen Beurteilung verbunden war, zeigte mir den ursprünglichen Sinn des Lebens und dessen Ziel: die geistige Entwicklung. Merkwürdigerweise ist mir auch der Sinn meiner früheren Inkarnationen, die als Lehrgang, als Teilstrecke zu Gott gewertet wurden, klargeworden. Der Inhalt der Begriffe wie Liebe, Gnade, Gut, Böse, Vergebung, Erlösung, Leben, Tod, Leiden, Glaube, Wahrheit usw., ist mir in einem anderen, viel klareren Licht als früher beleuchtet worden Ich bin mir bewusst, dass meine Erlebnisse vom ewig-göttlichen Standort her gesehen ganz bescheiden sind, doch glaube ich fest daran, dass die daraus gezogenen Folgegedanken nützliche Denkanstöße für alle Menschen abgeben können. Ich kann meine Erlebnisse sehr gut in meinen christlichen Glauben integrieren. Für mich bedeuten sie nützliche Ergänzungen, die die Menschen auch von der Kirche erwarten.“73

Rein wissenschaftlich ist selbstverständlich auch das, was Stefan von Jankovich widerfahren ist, keine echte, endgültige Todeserfahrung (diese ist ja auch, anders als bei Reanimierten, d. h. klinisch Totgewesenen und dann Wiederbelebten, nicht umkehrbar, nicht kommunizierbar, und sie überschreitet klinisch unwiderruflich die Todesschwelle). Es handelt sich also um ein naturgemäß subjektives Sterbeerlebnis. Aber auf unsere Subjektivität, auf ihre tiefsten Erlebnisse sind wir, wie bereits gesagt, ganz entscheidend für unseren Reifeprozess und unsere Bewusstseinserweiterungen angewiesen. Und es ist doch erstaunlich und beachtenswert, dass alle Berichte Sterbender oder in Todesgefahr Befindlicher einige wesentliche Übereinstimmungen aufweisen und vor allem die ethische Beurteilung des eigenen Lebens in diesen Aussagen und Berichten stets eine so wichtige Rolle spielt. Der Mensch hat seinem Lebensplan gemäß eine in seinem tiefsten Sein verwurzelte Berufung zur ethischen Höherentwicklung und Vervollkommnung. Kein Wunder, dass dieser Lebensplan und die Art, wie man ihn realisiert oder verfehlt hat, in einem so entscheidenden Augenblick wie dem des Todes oder der Todesgefahr noch einmal ganz virulent und intensiv im Bewusstsein gegenwärtig werden. Selbsterkenntnis, Selbstarbeit, Selbstvervollkommnung und Selbstveredelung sind jedenfalls der Sinn des menschlichen Lebens auf der Erde, gleichgültig, ob wir nur einmal auf ihr sind (und dann entsprechend in irgendeiner Art von jenseitigem Purgatorium oder Fegefeuer weiterreifen müssen) oder mehrmals wiederkehren.

Auch der berühmte Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung, dem 1944 ein Sterbeerlebnis nach einem Herzinfarkt widerfuhr, schildert den Vorgang des menschlichen Selbstgerichts: „Es war, als ob ich alles, was ich je gelebt oder getan hatte, alles, was um mich geschehen war, nun bei mir hätte. Ich könnte auch sagen: Es war bei mir, und das war ich. Ich bestand sozusagen daraus. Ich bestand aus meiner Geschichte und hatte durchaus das Gefühl, das sei nun Ich.“74

Ähnlich hatte ja auch Jankovich behauptet: „Meine Seele war ein ganz sensibles Gerät, mein Gewissen wertete mein Handeln sofort aus und beurteilte mich selbst und meine Taten.“ Jankovich geht sogar so weit, dass er aufgrund seines Todeserlebnisses meint, unsere herkömmlichen Moralbegriffe hätten „im Jenseits keine Gültigkeit. Seit jener Zeit bin ich allen menschlichen Moralbegriffen gegenüber kritisch eingestellt.“75 Kommentar des Magazins „Der Spiegel“ dazu und zu einer ganzen Reihe weiterer Nahtoderlebnisse: „Sterbende nehmen ihr Lebenspamorama also nicht passiv entgegen wie einen Film, sondern sie sind zugleich Zuschauer, Hauptdarsteller und Kritiker. Sie sind Richter in eigener Sache.“76

Auch die Ärztin und Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross, die um die tausend Fälle wiederbelebter Patienten untersucht hat (vornehmlich in der Psychiatrischen Abteilung der Universität von Chicago) und die wohl die berühmteste Sterbeforscherin (Thanatologin) ist, vor allem seit ihrem Aufsehen erregenden Buch „Interviews mit Sterbenden“, betont, sie sei vor der Konfrontation mit den mannigfachen Erfahrungen Sterbender in religiösen Dingen recht gleichgültig gewesen, ein „Wischi-Waschi-Protestant“. Erst das habe sie „eigentlich religiös gemacht: dass es offenbar keinen strafenden, verurteilenden Gott gibt“, aber jeder die „großartige … Chance“ habe, „sein eigener Richter zu sein … Was wir Himmel und Hölle nennen, existiert dann also gar nicht.“ Allerdings könne es „sehr wohl die Hölle sein“77, wenn sich jemand in allen Details seiner Lebensgeschichte überprüfen müsse und dann merke, wie sehr er seinem Lebensprogramm, seiner Lebensbestimmung zuwidergehandelt und dabei auch anderen schwer geschadet habe.78

Ein anderer berühmter Sterbe- und Todesforscher, wie Frau Kübler-Ross ein Pionier der Thanatologie, ist Raymond A. Moody. Er promovierte nach dem Studium der Philosophie (Spezialgebiete: Logik, Linguistik, Ethik) zum Dr. phil., begann dann ein Studium der Medizin, promovierte auch da zum Dr. med. und ergänzte dieses Studium noch durch eine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Nervenheilkunde. Dr. Moody hat, vor allem als Psychiater an der Universitätsklinik von Virginia, insgesamt 300 Fälle von Menschen untersucht, die klinisch tot gewesen waren, dann aber doch reanimiert werden konnten und ihm über ihre Erfahrungen an der Todesgrenze berichteten. Über diese Erfahrungen und deren Deutungsmöglichkeiten hat Moody zwei klassische Bücher publiziert, die in deutscher Übersetzung im Rowohlt-Verlag erschienen sind. Es sind dies die Bücher: „Leben nach dem Tod“ und „Nachgedanken über das Leben nach dem Tod.“79

In beiden Büchern betont der Autor, dass die Mehrheit der wiederbelebten Patienten das Modell eines Jenseits mit Lohn und Strafe, mit Gottesgericht, Himmel und Hölle als mit ihren Erfahrungen nicht übereinstimmend abgelehnt habe. In den meisten Fällen hätten das auch jene gemacht, die mit diesem Modell aufgewachsen waren und vorher die entsprechende dogmatische Denkweise pflegten. Kein Patient, so Moody, sprach von Himmelstoren, goldenen Wegen, geflügelten Engeln oder von einer Flammenhölle mit furchterregenden, womöglich noch gabelschwingenden Teufeln.

Allerdings berichtet auch Moody aufgrund seiner Erfahrungen mit Sterbenden, dass in der Phase des Übergangs zwischen Leben und Tod oft eine Lichtgestalt auftrete, zwar kein Gott, aber ein gestalthaftes Licht, das eine wunderbare Wärme und Güte auf den Sterbenden ausstrahle, jedoch zugleich als Hilfe bei der durchdringenden Gewissenserforschung fugiere. Ebenfalls als Fragesteller: Bist du schon bereit, das Diesseits für immer zu verlassen? Was bringst du als deine Lebensernte hinüber? Fragen, die aber von dem Lichtwesen offenbar nicht anklagend gestellt werden. Vielmehr vermittelt es dem Sterbenden eine Erleuchtung von durchdringender Klarheit, wodurch erst die umfassende, alles erkennbar machende Gewissenserforschung des an der Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits Stehenden ermöglicht wird.

Halten wir uns aber zunächst noch einen Moment bei der Lichtgestalt selbst auf. Moody charakterisiert sie auf der Grundlage der von ihm durchgearbeiteten Berichte als „ein sehr helles Licht“, das „seine Helligkeit … sehr rasch bis zu überirdischer Leuchtkraft steigert“. Es greife trotz seiner „unbeschreiblichen Helligkeit“ die Augen in keiner Weise an, blende nicht noch hindere es daran, andere Dinge in der Umgebung wahrzunehmen. Dieses Licht sei aber keine Sache, es sei zweifelsfrei „ein lebendes Wesen, ein Lichtwesen … es hat personalen Charakter und besitzt unverkennbar persönliches Gepräge.“ Es ströme „unbeschreibliche Liebe und Wärme“ auf den Sterbenden aus. „Er fühlt sich davon vollkommen umschlossen und ganz darin aufgenommen, und in der Gegenwart dieses Wesens empfindet er vollkommene Bejahung und Geborgenheit. Er fühlt eine unwiderstehliche, gleichsam magnetische Anziehungskraft von ihm ausgehen. Er wird unausweichlich zu ihm hingezogen“, spürt, dass eine „uneingeschränkte Liebe und Bejahung“ von diesem Wesen ausgeht.80

Die Kommunikation des Sterbenden mit der Lichtgestalt geschieht nicht mittels seiner Sinnesorgane. Er hört keine Stimme, keinen Laut, nichts Akustisches, keine Worte aus der eigenen Muttersprache. Er fängt vielmehr Gedanken auf, diese allerdings ganz direkt, ganz ungehindert und ungehemmt, so dass er sofort genau weiß, was das Lichtwesen will bzw. ihm mitteilt. Es handelt sich hierbei um eine durch nichts verfälschte Gedankenübertragung, so dass jegliches Missverständnis, „auch jegliches Lügen dem Licht gegenüber von vornherein ausgeschlossen“ ist.81 Der Sterbende versteht den Sinn der vom Lichtwesen ausgehenden Gedankenströme augenblicklich und sonnenklar. Aber er hat gewisse Schwierigkeiten, sie nach seiner Wiederbelebung in die menschliche Sprache zu übersetzen. Er kommt ja aus einer anderen Dimension, einem anderen „Raum“ in unsere diesseitige Welt zurück.

Obwohl das Lichtwesen von denen, die Nahtoderlebnisse hatten, recht übereinstimmend charakterisiert wird, geben sie ihm nach ihrer Reanimation unterschiedliche Namen, die aus ihrer eigenen Vorstellungs- und Glaubenswelt herkommen. Reanimierte mit christlichem Hintergrund identifizieren die an sich anonyme Lichtgestalt meist mit Christus, reanimierte Juden, Muslims, Hindus und Buddhisten mit einem Engel, einem Abgesandten, geistlichen Führer oder einem Boddhisatva, wobei aber besagtem Engel weder Flügel noch Harfe noch menschliche Gestalt zugesprochen werden.

Hier der Bericht einer wiederbelebten Christin, der eine Variante dieser Identifizierungen noch anschaulicher macht: „Ich hörte die Ärzte noch sagen, ich sei tot – und von jenem Augenblick an hatte ich dann das Gefühl, durch Finsternis, eine Art eingegrenzten Raum, zu fallen oder eher vielleicht zu schweben. Das kann man nicht richtig beschreiben. Es war alles pechschwarz, nur ganz weit in der Ferne konnte ich dieses Licht sehen, dieses unglaublich helle Licht. Am Anfang schien es nicht sonderlich groß zu sein, doch wuchs es immer mehr an, je näher ich kam. Ich versuchte, mich zu diesem Licht dahinten hinzubewegen, weil ich glaubte, dass es Christus war; ich gab mir alle Mühe, diesen Punkt zu erreichen. Das Erlebnis machte mir keine Angst – es war eher freudig. Da ich Christ bin, hatte ich das Licht nämlich sofort mit Christus in Verbindung gebracht, der ja gesagt hat: ‚Ich bin das Licht der Welt.‘ Ich meinte zu mir selbst: ,Wenn es jetzt soweit ist, wenn ich jetzt sterben muss, dann weiß ich, wer da am Ausgang in jenem Licht auf mich wartet.‘“82

Auch Dr. George Ritchie, nach seinem Nahtoderlebnis Psychiater am Arlington House Hospital in Charlottesville, Virginia, und Verfasser des Buches „Return from Tomorrow“, identifizieren die Lichtgestalt mit Christus. Er hatte als Soldat mit doppelseitiger Lungenentzündung im Armeehospital von Camp Barkeley, Texas, gelegen und war dort am 20. Dezember 1943 für tot erklärt worden. Der Arzt, Dr. Donald Francy, und zwei Assistenten hatten übereinstimmend den Tod festgestellt. Fast zehn Minuten lang war Ritchie schon ohne Herzschlag und Atmung gewesen, als ein Soldat, der den „Toten“ für die Leichenhalle zubereiten sollte, merkte, dass dieser noch zu leben schien. Dr. Francy injizierte ihm daraufhin Adrenalin direkt ins Herz und holte ihn so endgültig wieder ins Diesseits zurück.

Aber während seiner „Jenseitsreise“ begegnete auch Ritchie der Lichtgestalt und war dabei zweifelsfrei überzeugt, dass es Christus ist: „Das Licht, das den Raum erfüllte, war Christus. Ich wusste das, denn tief in meinem Innern formte sich der Gedanke: ,Du erlebst die Gegenwart von Gottes Sohn.“ Es war eine so freudvolle, so allumfassende Gegenwart, dass ich mich für immer in diesem Wunder verlieren wollte.“83

Es scheint, dass Sterbende ohne spezifisch konfessionellen Hintergrund, auch nichtfanatische Agnostiker und Atheisten mit offenem Horizont die Lichtgestalt in ihrem irgendwie personalen, aber eben anonymen Charakter objektiver zu sehen vermögen. Dazu zwei diesbezügliche Berichte: „Ich war aufgestanden und durch die Diele gegangen, um mir etwas zu trinken zu holen, und dabei muss dann mein Blinddarm geplatzt sein, wie man später feststellte. Ich bekam einen Schwächeanfall und fiel zu Boden. Da überkam mich auf einmal das Gefühl, zu schweben, mich mit meinem wahren Sein aus meinem Körper heraus- und wieder hineinzubewegen, und zugleich hörte ich wunderbare Musik. Ich schwebte die Diele hinunter und zur Tür hinaus, auf die mit einem Gitter umgebene Veranda. Da schien mir fast, als ob sich auf einmal ein Wölkchen oder, besser gesagt, ein rötlicher Nebel um mich erhob, und dann schwebte ich geradewegs durch das Gitter, so als ob es überhaupt nicht vorhanden wäre, und weiter hinauf in dieses reine, kristallklare Licht – ein leuchtendweißes Licht. Es war wunderschön und so hell, so strahlend, aber es tat den Augen nicht weh. So ein Licht kann man hier auf Erden überhaupt nicht beschreiben. Ich sah das Licht eigentlich nicht als Person an, aber es hat doch unzweifelhaft eine persönliche Individualität. Es ist ein Licht höchsten Verstehens und vollkommener Liebe. Da erreichte der Gedanke mein Bewusstsein: ,Liebst du mich?‘ Er kam nicht ausdrücklich in Form einer Frage, aber ich glaube doch, dass das Wesen damit zugleich sagen wollte: ,Wenn du mich wirklich liebst, dann geh zurück und vollende, was du in deinem Leben begonnen hast.‘ Währenddessen fühlte ich mich die ganze Zeit in überwältigende Liebe und Barmherzigkeit eingehüllt.“

2. Bericht: „Ich wusste, dass ich starb und dass es nichts gab, was ich dagegen hätte tun können, weil mich doch keiner mehr hörte … Ich befand mich außerhalb meines Körpers, ganz ohne Zweifel. Ich konnte ihn da auf dem Operationstisch liegen sehen. Meine Seele war ausgetreten! Zunächst drückte mich all das furchtbar nieder, aber dann erschien dieses gewaltig helle Licht. Am Anfang war es wohl ein bisschen matt, aber dann schwoll es zu einem Riesenstrahl – es war einfach eine enorme Lichtfülle, mit einem großen hellen Scheinwerfer überhaupt nicht zu vergleichen, wirklich ungeheuer viel Licht. Außerdem strahlte es Wärme aus; ich konnte sie deutlich spüren. Das Licht war von einem hellen, geblichen Weiß, jedoch mehr zum Weißen hin. Es war außerordentlich hell, einfach unbeschreiblich. Obwohl es alles zu bedecken schien, konnte ich doch meine ganze Umgebung deutlich erkennen – den Operationssaal, die Ärzte und Schwestern, wirklich alles. Ich konnte deutlich sehen. Es blendete überhaupt nicht. Als das Licht erschien, wusste ich zuerst nicht, was vorging. Aber dann – dann fragte es mich, es fragte mich irgendwie, ob ich bereit sei, zu sterben. Es war, als spräche ich mit einem Menschen – nur dass eben kein Mensch da war. Es war wahrhaftig das Licht, das mit mir sprach … Inzwischen glaube ich, dass die Stimme, die mit mir gesprochen hatte, tatsächlich merkte, dass ich noch nicht zum Sterben bereit war. Wissen Sie, es ging ihm wohl vor allem darum, mich zu prüfen. Dennoch habe ich mich von dem Augenblick an, in dem das Licht mit mir zu sprechen begann, unendlich wohl gefühlt, geborgen und geliebt. Die Liebe, die es ausströmte, ist einfach unvorstellbar, überhaupt nicht zu beschreiben. Es war ein Vergnügen, sich in seiner Nähe aufzuhalten, und es war auch humorvoll auf seine Art, ganz gewiss!“84

Nachdem wir das Wesen der Lichtgestalt einigermaßen umschrieben haben, wollen wir uns noch dem Lebenspanorama zuwenden, das (meist) in Gegenwart des Lichtwesens vor dem Sterbenden abläuft. Stefan von Jankovich beschreibt es als „ein phantastisches vierdimensionales Theaterstück“, das aus unzähligen Bildern bestand und alle wichtigen Szenen seines Lebens wiedergab. Das Lichtwesen bezeichnet er dabei als Regisseur. „Der ,Regisseur‘ hat seltsamerweise dieses ganze Theaterstück so zusammengestellt, dass ich die letzte Szene meines Lebens, d. h. meinen Tod auf der Straße bei Bellinzona, zuerst sah, während die letzte Szene dieser Vorstellung mein erstes Erlebnis war, nämlich meine Geburt.“85

Eine Sterbende, die reanimiert wurde, berichtet: „Als das Licht erschien, sagte es als erstes zu mir: ,Was hast du in deinem Leben getan, das du mir jetzt vorweisen kannst?‘ oder so ähnlich. Im selben Augenblick fingen die Rückblenden an. ,Nanu, was ist denn jetzt?' dachte ich, als ich mich plötzlich in meine Kindheit zurückversetzt sah. Von da ab durchschritt ich dann praktisch jedes einzelne Jahr meines Lebens, von meiner frühen Kinderzeit bis zur Gegenwart … Die vergangenen Ereignisse, die ich jetzt noch einmal vor mir sah, rollten in derselben Reihenfolge wie im Leben ab, und sie waren vollkommen lebensecht. Die Bilder wirkten so, als ob man sie draußen in Wirklichkeit vor sich sähe; sie waren ungemein plastisch und in Farbe – und sie waren bewegt. Bei der Szene, als ich mein Spielzeug zerbrach, konnte ich zum Beispiel alle meine Bewegungen sehen. Es war nicht so, dass ich alles aus meiner damaligen Perspektive beobachtet hätte, beileibe nicht. Das kleine Mädchen, das ich sah, schien jemand anderes zu sein, eine Gestalt aus einem Film, irgendeine Kleine unter all den anderen Kindern, die sich da auf dem Spielplatz tummelten. Und doch war ich es selbst. Ich sah mich selbst als Kind in all diesen Situationen, in genau denselben Situationen, die ich erlebt hatte und an die ich mich erinnern kann. Ich hatte das Licht nicht mehr gesehen, während ich mit der Rückblende beschäftigt war. Sobald es mich nach meinem Leben gefragt hatte, war es verschwunden und die Rückschau hatte begonnen. Dennoch wusste ich, dass es die ganze Zeit über bei mir war und mich durch die Rückblenden aus meinem Leben führte, weil ich seine Gegenwart spürte und weil es ab und zu Bemerkungen machte. Es wollte mir mit jedem dieser Rückblicke etwas zeigen. Es ging ihm nicht darum, zu erfahren, was ich in meinem Leben getan hatte – das wusste es bereits –, sondern es suchte ganz bestimmte Ereignisse aus und führte sie mir vor, damit ich sie wieder frisch im Gedächtnis hätte. Es betonte immer wieder, wie wichtig die Liebe sei. Am deutlichsten zeigte es mir das an den Stellen, an denen meine Schwester vorkam, zu der ich immer ein sehr enges Verhältnis gehabt hatte. Erst führte mir das Wesen einige Beispiele vor, wo ich mich ihr gegenüber selbstsüchtig verhalten hatte, dann jedoch auch genauso viele Male, wo ich liebevoll und freigebig gewesen war. Es erklärte mir, ich solle versuchen, auch an andere zu denken und mich dabei nach Kräften bemühen. All das enthielt jedoch nicht den geringsten Vorwurf. Zu den Vorfällen, bei denen ich egoistisch gehandelt hatte, meinte das Wesen nur, dass ich auch aus ihnen gelernt hätte. An Wissensfragen schien ihm ebenfalls sehr zu liegen. Wiederholt machte es mich auf Dinge aufmerksam, die mit dem Lernen zu tun hatten, und es erklärte ausdrücklich, dass ich auch in Zukunft weiterlernen würde. Selbst wenn es mich das nächste Mal riefe (zu diesem Zeitpunkt hatte es mir schon gesagt, dass ich zurückkehren würde), ginge die Suche nach Wissen doch immer weiter. Es sprach davon als von einem kontinuierlichen Prozess; deshalb nehme ich an, dass sie auch nach dem Tode andauern wird. Ich glaube, dass das Lichtwesen die Rückblenden mit mir durchging, um mich zu belehren.

Es war alles überaus seltsam: dass ich dort war, tatsächlich diese Rückblenden sah und mich in so raschem Tempo durch die ganzen Szenen hindurchbewegte. Dennoch waren sie nicht so schnell, dass ich sie nicht mehr hätte aufnehmen können. Das Ganze hat trotzdem nicht lange gedauert, glaube ich. Anscheinend erschien zuerst das Licht, dann verfolgte ich die Rückblenden, und danach kam das Licht zurück. Ich nehme an, dass es auf jeden Fall weniger als fünf Minuten, wahrscheinlich aber mehr als dreißig Sekunden waren; aber genau kann ich es Ihnen nicht sagen. Angst überkam mich nur an einer einzigen Stelle, nämlich als es schien, als ob ich mein Leben hier nicht zu Ende führen könnte. Trotzdem habe ich mir diese Rückschau gerne angesehen. Sie hat mir Spaß gemacht. Ich habe es genossen, in meine Kindheit zurückzukehren, sie gewissermaßen beinahe noch einmal zu erleben. Ich wurde in die Vergangenheit zurückversetzt und überschaute sie in einer Weise, wie man es eben normalerweise nicht kann.“

Ein weiterer Bericht eines Wiederbelebten: „Nach dem ganzen Krachen und dem Durchgang durch diesen langen dunklen Tunnel fand ich an seinem Ende alle meine Kindheitsgedanken vor mir ausgebreitet, und mein ganzes Leben blitzte noch einmal vor meinen Augen auf. Es ging eigentlich nicht in Bildern vor sich, mehr auf Gedankenebene, glaube ich. Ich kann es Ihnen nicht genau beschreiben. Es war wirklich alles darin enthalten, ich meine, alle Ereignisse meines Lebens kamen zugleich darin vor. Es war nicht so, dass immer nur eine Sache für sich so ein bisschen aufgeflackert wäre, nein – ich sah mein ganzes Leben auf einmal, alle Erlebnisse gleichzeitig. Meine Gedanken verweilten bei meiner Mutter, bei all den Gelegenheiten, wo ich Unrechtes getan hatte. Nachdem ich die Bosheiten, die ich als Kind begangen hatte, noch einmal vor mir gesehen und mir dann meine Eltern ins Gedächtnis gerufen hatte, da wünschte ich bloß, ich hätte das alles damals nicht getan, und nichts wäre mir lieber gewesen als hingehen und alles ungeschehen machen zu können.“86

In den folgenden zwei Berichten trat das Erlebnis nicht nach dem klinischen Tod auf, sondern aufgrund von akutem physiologischem Stress oder bei Verletzung.

„Die ganze Situation hatte sich überraschend entwickelt. Ich hatte mich schon seit etwa vierzehn Tagen nicht wohl gefühlt und leichtes Fieber gehabt, doch in dieser Nacht verschlechterte sich mein Zustand rapide. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich im Bett lag und meine Frau aufwecken wollte, um ihr zu sagen, dass es mir schlechter gehe, aber ich konnte mich auf einmal überhaupt nicht mehr rühren. Mehr noch: ich fand mich mit einem Mal in absoluter Finsternis, im Leeren, wieder, und mein ganzes Leben rollte blitzartig vor mir ab. Es begann in der Zeit, als ich sechs oder sieben war … Es war mir bewusst, dass ich sterben würde, und ich weiß noch, dass ich dachte: Aber ich muss doch meine Familie ernähren! Um keinen Preis wollte ich jetzt sterben, wo ich manches, was ich in meinem Leben getan hatte, bereute und bei einigen anderen Dingen bedauerte, sie unterlassen zu haben. Diese Rückblende lief in Form von >geistigen Bildern< ab, würde ich sagen, die jedoch verglichen mit gewöhnlichen Bildern ungleich lebendiger waren. Ich erlebte nur die Höhepunkte, und zwar so rasend schnell, dass es mir vorkam, als durchblätterte ich im Lauf von Sekunden mühelos das ganze Buch meines Lebens. Es zog wie ein ungeheuer rasch ablaufender Film an mir vorüber, und doch war ich in der Lage, alles richtig aufzunehmen und zu verarbeiten. Die Bilder riefen jedoch nicht die Gefühle der Vergangenheit noch einmal in mir wach, weil es dafür viel zu schnell ging. Während dieses Erlebnisses sah ich sonst nichts weiter. Abgesehen von den Bildern befand ich mich in äußerster Finsternis. Doch fühlte ich die ganze Zeit über ganz deutlich die Gegenwart eines sehr machtvollen, schrankenlos liebenden Wesens in meiner Nähe. Es ist wirklich faszinierend: dank diesem Erlebnis hätte ich in der Zeit meiner Genesung jedem ausführlich und gründlich über jede kleine Einzelheit in meinem Leben Auskunft geben können. Es war eine beeindruckende Erfahrung. Sie ist schwer in Worte zu fassen, weil alles so blitzschnell abläuft, doch ist sie von außerordentlicher Klarheit.“

Es junger Kriegsteilnehmer schildert seine Lebensrückschau: „Als ich in Vietnam diente, wurde ich verwundet, was dazu führte, dass ich >starb<. Die ganze Zeit über erlebte ich jedoch ganz genau alles mit, was mit mir vorging. Als es passierte und ich von sechs Maschinengewehrkugeln getroffen wurde, geriet ich überhaupt nicht außer Fassung. Im Herzen fühlte ich mich nach der Verwundung tatsächlich erleichtert. Ich empfand Wohlbehagen. Das Ganze hatte nichts Beängstigendes für mich. In dem Augenblick, als ich getroffen wurde, erschien auf einmal mein ganzes Leben als Bilderbogen vor mir. Ich sah mich in die Zeit zurückversetzt, als ich noch ein kleines Kind war, und von da ab bewegten sich die Bilder weiter durch mein ganzes Leben. Ich konnte mich wirklich an alles erinnern. Alles stand so klar und lebendig vor mir. Von den frühesten Ereignissen, an die ich mich gerade noch eben erinnern kann, bis herauf zur Gegenwart war alles genauestens aufgezeichnet, und es lief in Windeseile vor mir ab. Das Ganze war überhaupt nicht unangenehm; ich empfand dabei weder Bedauern noch irgendwelche herabsetzenden Gefühle mir selbst gegenüber. Der treffendste Vergleich, der mir dazu einfallt, wäre der mit einer Bilderserie, einer Dia-Reihe vielleicht. Es war etwa so, als ob jemand Dias vor mir projiziert hätte, in außerordentlich raschem Tempo.“87

Es ist in einigen Berichten Wiederbelebter auch die Rede von weiteren jenseitigen Wesen, die zeitlich vor und dann räumlich neben der Lichtgestalt auftreten und sich teilweise nicht ganz so positiv repräsentieren wie diese. Dazu zum Abschluss dieses Kapitels noch ein Bericht: Die Sterbende sah verschiedene „Gestalten, die mir völlig fremd waren, und es schien mir, als würden sie aus einer ganz anderen Welt kommen … sie kamen bei jedem Erscheinen etwas näher, und nun hatten sie meine Hände erfasst. Sie standen zu beiden Seiten meines Lagers, und eine hielt ihre Hände auf meine Stirn … Diese mich umstehenden Gestalten … waren nicht so menschlich, und doch hatten sie etwas den Menschen gleich … Nun wollten sie mich führen und sagten, sie möchten jetzt mit mir diesem Raum entfliehen und nachher mit mir reden. Ich solle nicht länger darauf achten, was meine Angehörigen über mich, über die Erbschaft, über die Beerdigung und dergleichen redeten … So entflohen sie mit mir aus dem Hause, und es ging so schnell, dass ich nichts wahrnehmen konnte, was rechts oder links von mir geschah. Ich stand plötzlich in einer für mich fremden Welt, vor einem Haus, in das sie mit mir eintreten wollten. Doch zuvor sagten sie mir: ,Das ist das Haus, in dem du nun wohnen wirst. Alles andere liegt hinter dir. Jetzt wollen wir eintreten und deine Ernte betrachten.‘ Was meinten sie wohl mit dieser Ernte? Ich fing an, darüber nachzusinnen. Doch was ich um mich sah, brachte mich zum Erstaunen. Die Welt, in der ich mich befand, hatte so viel Ähnlichkeit mit derjenigen, die ich zurückgelassen hatte, und dennoch fühlte ich, dass ich an einem ganz anderen Ort war. Als ich so erstaunt um mich blickte, da sah ich plötzlich meine [verstorbenen] Eltern. Sie kamen auf mich zu, denn sie hatten mich in diesem Hause erwartet. Es waren aber nicht nur meine Eltern anwesend, ich hatte noch weitere [verstorbene] Verwandte und Freunde hier angetroffen. Sie hießen mich willkommen und wünschten mir Glück. Meine Mutter sagte dann leise zu mir: ,Man spricht zuerst über die Ernte, wir werden uns nachher wiedersehen.‘ Ich aber bat die Mutter: ,Bleib bei mir, geh nicht fort, ich habe Angst!‘ Ich bat auch den Vater: ,Bleib auch du bei mir, ihr könnt mir doch behilflich sein, ich habe Angst!‘ Da hörte ich eine mir fremde Gestalt zu mir sagen: ,Du hast Angst? Warum und vor wem hast du Angst?‘ Ich hätte einfach Angst, entgegnete ich, es wäre alles so fremd hier. Darauf wandte sich wieder ein anderer an mich, der mir völlig fremd war: ,Komm, jetzt sprechen wir über die Ernte, die du mitgebracht hast!‘ Über die Ernte wollten sie sprechen? Ich zerbrach mir den Kopf vergebens, was wohl damit gemeint sein könnte. Ob sie wohl über die Verdienste aus dem Leben sprechen würden? Ob sie wohl das mit der Ernte meinten? Sie schienen meine Gedanken lesen zu können, denn einer sagte: ,Gerade das ist es, darüber reden wir mit dir.‘ Doch alles, was da mit mir vorging, war für mich etwas ungemütlich. Deshalb bekam ich Angst. Sie aber sprachen: ,Du brauchst dich nicht zu ängstigen vor uns.‘ Aber gerade ihr vornehmes Aussehen hatte mich beunruhigt, weil ich darin eine gewisse Macht erkannte. Ich musste annehmen, dass sie für mich eine Obrigkeit waren in der neuen Welt … Ich dachte schnell an mein irdisches Eigentum, das ich zurückgelassen hatte. Dann hatte ich mich auch selbst betrachtet, aber da konnte ich nichts Erfreuliches feststellen. Ich war angetan mit einem gräulichen Gewand, das mich fest umhüllte vom Hals bis auf den Boden. Ich konnte gar nicht feststellen, was das für eine Bekleidungsart war. Aber ich spürte doch meinen Leib, meine Hände, und dann überlegte ich mir, welche Möglichkeit ich wohl hätte, mein Aussehen zu verbessern. Ich wollte zu einem anderen Gewand kommen, denn dieses gefiel mir nicht … Dann aber sprach einer eifrig auf mich ein, und meine Angst wurde immer größer und steigerte sich immer mehr. ,Was hast du heimgebracht?‘ fragte er ganz energisch. Ich wusste darauf nichts zu antworten. Was hatte ich heimgebracht? Nichts … Selbst nicht einmal ein rechtes Kleid hatte ich mitgebracht … Ich wusste ja nicht, was sie meinten, und ich entgegnete ihnen: ,Meinen Besitz musste ich ja zurücklassen.‘ Sie antworteten mir: ,Wir sprechen nicht vom Vergänglichen. Was du zurückgelassen hast, ist alles der Vergänglichkeit geweiht, das interessiert uns nicht. Uns interessiert, was unvergänglich ist. Hast du gute Werke getan? Von dieser Ernte möchten wir mit dir reden!‘ Ich wusste nicht, was ich Unvergängliches getan hatte, ich wusste darauf keine Antwort zu geben. ,Gute Werke habe ich auch getan‘, sagte ich schließlich. Aber sie schienen damit nicht zufrieden zu sein. Das brachte mich in immer größere Verlegenheit, und ich konnte kaum mehr reden. Denn sie schienen immer energischer zu werden und zu fragen, was ich denn mitgebracht hätte. Ich wusste ihnen darauf nicht zu antworten. Aber als ich so verzweifelt war, kam plötzlich ein Wesen auf mich zu, bei dessen Anblick ich sofort erkannte: dieses ist mir wohlgesinnt. Es hatte ein Lächeln auf den Lippen und erhob gleich eine Hand zum Zeichen, die anderen möchten für eine Weile ruhig sein. Und die überaus schöne Gestalt stellte sich neben mich hin, und gleich fing ich an aufzuatmen. Ja, wirklich aufzuatmen. Denn ich fühlte mich jetzt viel freier – endlich, endlich hatte ich Hilfe bekommen, endlich stand jemand für mich ein. Plötzlich fühlte ich mich geborgen durch die Anwesenheit dieses hinzugetretenen Wesens … Nun begann dieses schöne Wesen von meinem Leben zu erzählen. Es sprach von meinen Fehlern und von meinen guten Taten, den Verdiensten, und dieses gütige Wesen schien weniger von meinen Fehlern reden zu wollen als von den guten Werken. So sah ich bald: hier hatte ich einen Verteidiger erhalten. Dann und wann machte ein anderer eine Einwendung; dieses Wesen aber sprach weiter und schien die Oberhand zu bekommen. Dann wurden die anderen, die mich zuvor bedrängt und nach meiner Ernte gefragt hatten, plötzlich milder gestimmt, und ihr Antlitz wurde mir gegenüber friedvoller. Welche Überraschung, welche Freude für mich! Die Angst wich immer mehr von mir. Man fragte mich nichts mehr. Jetzt sprachen die anderen nur noch mit meinem Verteidiger – ich nenne ihn so – über mich und mein Leben, und so gab es ein Hin und Her … Dann schienen sie sich geeinigt zu haben über meine Zukunft. Ich war nicht mehr fähig gewesen, ihren Worten zu folgen. Ich verstand ja nichts von einer geistigen Ordnung und ihren Gesetzen. Es war mir alles fremd, was ich da zu hören bekam – von Wiedergutmachung, von Wiedergeborenwerden, von Karma, von Läuterung und dergleichen … Ich hätte ihnen nichts entgegnen können, und ich war auch vorsichtshalber still. So hatte mein Verteidiger für mich gesprochen. Schließlich verließen uns die anderen. So stand ich jetzt allein mit meinem Verteidiger da, und ich kniete dankend vor ihm nieder und küsste seine Hände, dass er mir geholfen habe. Und liebevoll stand dieses göttliche Wesen vor mir, richtete mich auf und sprach mir Mut und Trost zu und sagte: ,Ja, du hast schon vieles falsch gemacht in deinem Leben, und deine Ernte ist nicht besonders groß. Du wirst viel nachholen müssen...‘ Liebevoll sprach der Geist Gottes auf mich ein … Ich könnte [sagte er] auch Verbindung mit anderen aufnehmen, die sich in meiner Nähe aufhalten, mit Geistgeschwistern, mit denen ich künftig zusammen zu leben hätte. Noch eine weitere Möglichkeit nannte er: ich könnte, wenn es mich danach verlange, wieder in mein irdisches Haus zurückkehren, doch sei das gar nicht ratsam. Denn indem man an die Stätte des Erdenlebens zurückkehre, halte man nur seinen eigenen Aufstieg auf … Er habe jetzt das für mich getan, was ihm erlaubt gewesen sei zu tun als Fürbitte-Engel. Jeder Zurückkommende bekomme einen solchen Beistand, wenn sein menschliches Leben nicht allzu sehr belastet war … Also hatte ich das Glück, diesen Fürbitte-Engel zu haben, und selbstverständlich war ich sehr interessiert, diese neue Welt kennenzulernen. Mein Verteidiger verabschiedete sich und versprach, gelegentlich nach mir zu schauen. Jetzt wusste ich ja: ich bin wahrhaftig gestorben und lebe in einer ganz anderen Welt. Den irdischen Leib habe ich der Welt zurückgelassen … Ich interessierte mich eigentlich weniger für diese neue Welt als für das, was meine Verwandten [auf Erden] getan hatten nach meinem Tode … Und ich überlegte: Wenn man schon, wie man mir sagte, Gelegenheit hat zurückzugehen, will ich diese Gelegenheit wahrnehmen. Ich kann ja dann später noch lange genug in dieser neuen Welt zubringen … Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und ging meinem Drange nach ...“88

Beschließen wir dieses Kapitel mit dem Urteil der kompetentesten Sterbeforscherin überhaupt, die ihre Erfahrungen mit Tausenden von Sterbenden in Bezug auf die Frage nach Gottesgericht und Höllenstrafe folgendermaßen zusammengefasst hat: „Gott ist kein strafendes, verurteilendes Wesen. Nachdem Sie den physischen Körper endgültig abgelegt haben, gelangen Sie dorthin, was man als Hölle oder Himmel bezeichnet, wobei dies nichts mit dem Letzten Gericht zu tun hat. Was wir von unseren Freunden hören, die hinübergegangen sind, was wir von Leuten erfahren, die wieder zurückgekehrt sind, ist die Versicherung, dass jeder Mensch nach seinem Hinübergehen – wobei er das Gefühl des Friedens, der Ausgeglichenheit und der Ganzheitsfülle erleben durfte und wo ihm eine geliebte Person begegnete, die ihm bei diesem Übergang behilflich war –, dass also ein jeder von uns etwas betrachten muss, das einer Fernsehmattscheibe sehr ähnlich sieht, auf der sich jede unserer irdischen Taten, Worte und Gedanken widerspiegeln. Hiermit wird uns die Gelegenheit gegeben, selbst über uns anstelle eines gestrengen Gottes zu Gericht zu sitzen. Sie erschaffen sich schon durch Ihre diesseitige Lebensführung Ihre jenseitige Hölle oder Ihren jenseitigen Himmel.“

So lautet das Urteil einer Ärztin, die „zwanzigtausend Fälle auf der ganzen Welt von Menschen studiert [hat], die man klinisch bereits für tot erklärt hatte und die dann wieder zum Leben zurückgerufen wurden. Einige wachten ganz natürlich wieder auf, andere erst durch Wiederbelebungsversuche.“89


Jenseits der Todesschwelle

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