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VI

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Zweiter Sonntag.

ch hatte mir vorgenommen, meinen Landsmann Gustav zu besuchen und ihn einzuladen zu einer Bergpartie auf den „Steinkopf“. Da jedoch der Himmel bewölkt war, verschob ich das Unternehmen auf später.

Nachmittags setzte ich mich unweit des plätschernden Baches und machte Aufzeichnungen in mein Tagebuch.

Bald gesellte sich ein Kamerad aus der Shanty, ein biederer Irländer, zu mir und sah mir zu. Ich merkte während des Schreibens, wie er unruhig wurde, hin und her rutschte und sich räusperte. Endlich platzte er heraus: „Es ist doch was Schönes, wenn der Mensch schreiben und lesen kann!“

„Kannst du nicht schreiben und lesen?“ frug ich teilnehmend. Aus Erfahrung wusste ich ja, dass Schulbildung die schwächste Seite der Hibernianer bedeutet.

„Verdammt!“ erwiderte er. „Wenn ich das jetzt lesen könnte, was du zusammenschreibst in diesem Schreibheft, ich schaffte den ganzen Winter umsonst!“

„Was würdest du tun, wenn du’s könntest?“

„Ein Buch kaufen, eine Zeitung, und den ganzen Sonntag lesen.“

„Denkst du dir das so schön?“

„Schön?!“ stieß der Irländer hervor, und sein Gesicht, das unverkennbare Spuren schlummernder Intelligenz zeigte, überschattete sich. „Denkst du, es sei schön, zuschauen zu müssen, wenn andere Bücher und Zeitungen lesen und dann miteinander über Politik und anderes sprechen und unsereiner dasitzt wie ein Maulaffe?“

„Freilich ist das nicht sehr erhebend“, erwiderte ich. „Aber warum hast du nicht lesen und schreiben gelernt? Es gibt doch Schulen genug!“

„Ja, hier in Amerika gibt es Schulen; aber drüben in Irland sieht’s faul aus. Wenn man zu Haus bliebe, ging’s noch an, kommt man aber nach Boston, dann merkt man’s erst, wie dumm einer ist.“

„Du kannst dir ja Zeitungen von einem, der’s versteht, vorlesen lassen.“

„Kann ich’s? Ja, wenn ich erst herumbettle wie ein Hund, bis mir der und der den Gefallen tut. Und wie sieht das aus?“

„Ich werde dir jederzeit den Gefallen tun.“

„So — dann lies mir einmal vor, was du eben geschrieben hast! Mich wundert’s.“

Ich las: „Gegen Abend begann es zu regnen; doch wollten wir einen vollen Tag machen und hielten bei der Arbeit aus bis sechs Uhr — —“

Der Irländer schnitt ein so verdutztes Gesicht, dass ich vor Lachen aufhören musste.

„Potz Teufel!“ sagte er nach einer Pause. „Bin ich ein Rindvieh, nicht einmal das Vorlesen versteh’ ich.“

„Weil’s deutsch ist“, tröstete ich ihn.

„Weil's deutsch ist? Das ist wirklich jammerschade, weil’s deutsch ist. Wenn’s englisch wär’, dann hätt’ ich — verdammt, ich hätt’s getan!“

„Was?“

„Eine Bitte gestellt an dich.“

„Was für eine Bitte?“

„Nun ja, du sollst mir einen langen Brief schreiben an meine Frau“

„An deine Frau?“

„Ja, an meine gute Bridget.“

„Pat! ich bin jung und ledig. Kannst du keinen deiner Landsleute bitten — einen verheirateten, mein’ ich. Es sind sechs oder mehr in der Shanty.“

„Und keiner kann schreiben!“ platzte der Irländer heraus. „Mein Gott! ich hab’ ein Weib und drei Kinder in Boston, und sie wissen nicht ob ich lebe oder gestorben bin. Es ist zum Verrücktwerden, wenn man nicht einmal einen lumpigen Brief zusammenschreiben kann; und Bridget kann’s auch nicht.“

„Was nützt es dann, einen Brief nach Hause zu schicken, wenn deine Frau ihn doch nicht lesen kann?“ frug ich.

„Kann sie ihn nicht jemand geben zum Vorlesen? Ich würd’s auch so machen, wenn Bridget mir schriebe.“ Des Irländers Augen füllten sich mit Tränen ehrlichster Sorte.

„Weißt du was“, sagte ich, denn des Unglücklichen Leiden ertrug ich nicht länger, „ich werd’ deiner Frau einen Brief schreiben; sag mir, was“

„Gott segne dich!“ schluchzte Pat. „Verdammt! Wenn ich den Brief nicht hätte geschrieben bekommen, wär’ ich am nächsten Zahltag nach Boston gefahren, so schreckliches Heimweh hab’ ich nach meinen Kindern.“

„Und nach Bridget doch auch?“ frug ich scherzend.

„Freilich Bridget auch. Wenn man ‚Kinder‘ sagt, meint man doch auch die Mutter.“ — Der Irländer öffnete seinen Rock, dann die Weste, dann die mit einer Stecknadel verschlossene Westentasche. Mit ehrfurchtsvoller Scheu, als hätte er ein Tabernakel geöffnet, zog er ein zerknittertes, mit einem Rosenkranz umwickeltes Missionsbuch hervor. Beim Aufmachen des Buchs fielen nebst mehreren Heiligenbildern ein Briefumschlag mit Postmarke und ein sauber gefaltetes Blatt Papier heraus. Das reichte er mir. „Zwei Wochen lang trag’ ich das schon herum; ich kaufte es drunten im Gesellschaftsladen für fünf Cent.“

Unterdessen hatte ich meinen Bleistift frisch gespitzt; das weiße Blatt auf mein Notizbuch legend, begann ich nach Patriks Diktat einen Brief zu schreiben an die Lady in Boston.

Schwerlich bekam je ein Priester eine ehrlichere, naivere, vollständigere Beichte zu hören, wie ich jetzt. Es war zum Weinen und Lachen. Jede Regung des menschlichen Herzens- — der Gatten- und Vaterliebe, Qualen einer verwaisten Seele, Sehnsucht, Heimweh, Reue über gehabte Familienzwistigkeiten, deren es ja in armer Leute Haushalt geben muss — konnte ich aus dem unbehilflichen Diktat herauslesen.

Nach dem Herzenserguss, der meinen Nachbar sichtlich erleichtert hatte, ging es — plumps! — zur Prosa über. Breitspurig musste ich Bridget nun fragen, wie ihr Befinden stehe — was die lieben Kinder machen — ob Bridget die vierzehn Dollar bekommen habe vom Augustmonat — was ihr schlimmes Bein mache?

Dann kam noch zum Schluss eine verzwickt heikle Angelegenheit, bei der Pat, und ich auch, ein wenig erröteten. Aber gefragt musste das noch junge Weib werden.

„Pat!“ sagte ich, den vollbeschriebenen Briefbogen im Umschlag verschließend und die Adresse schreibend, „wenn das Letzte da auf Weihnachten fällt, wie Bridget und du hoffen, und ich Weihnachten noch hier bin, dann schick’ ich deinem Vierten, ob’s ein Bub oder Mädel wird, eine nagelneue Dollarnote.“

„Gott segne dich!“ stammelte der Mann noch einmal und steckte mit sichtbarer Glückseligkeit den Brief in seine innere Westentasche. Dann räusperte sich der Wissensdurstige zu einem neuen Angriff.

„Sag ’mal,“ begann er, „was mir oft bei der Arbeit und wenn ich allein bin, im Kopf herumgeht — ich meine halt, wenn der Mensch seine Augen auftut, dann sieht er’s — wie kommt? —, dass ihr Deutsche und die Amerikaner alle schreiben könnt und lesen und wir Irländer können’s nicht? oder nur einige, die reichen Leute?“ Seltsam: diese nämliche Frage hatte ich mir selber oft und oft vorgelegt und zufriedenstellend gelöst, und jetzt vermochte ich sie doch nicht zu beantworten. Es ging mir wie dem Baumeister, der auf festem Grund einen Turm erbaute und einen ähnlichen „Himmelzeiger“ auf einer andern Stelle nicht errichten kann, weil absolut kein Fundament vorhanden ist. Pat, das wusste ich wohl, hat kein Fundament, um meine Beantwortung der Frage verstehen zu können.

Ich räusperte mich denn auch verlegen und sagte: „Das ist allerdings seltsam. Die Irländer sind doch ebenso geformte Menschen wie die Yankees und die Deutschen; haben auch zwei Hände, zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf auf breiten Schultern. Ehrlich gesprochen, Pat, deine Landsleute sind ein Menschenschlag, der ganz oben stehen sollte, nicht allein in physischer Kraftleistung, sondern auch in geistiger. Warum ihr in letzterer zurückgeblieben seid, das möchtst du also wissen. Nun, beantworte mir etliche Fragen und die Sache mag sich klären. Warum kannst du nicht lesen und schreiben?“

„Ich hab’s nie gelernt“, meinte Pat·

„Warum hast du’s nicht gelernt?“

„Wenn mir’s niemand zeigt, wie soll ich’s denn können?“ „Du verstehst doch den Rosenkranz zu beten, das Vaterunser und ‚Heilige Maria bitt für mich‘. Wo hast du das her?“ „Das wurde mir vom Priester in der Kirche gelehrt“ „So habt ihr also Kirchen in Irland?“

„Gewiss haben wir Kirchen in Irland.“

„Und Schulen?“

„Nicht so viele, nur hie und da eine.“

„Warum gingst du nicht in die Schule, wenn hie und da eine offen steht?“

„Meine Eltern schickten mich nicht.“

„In die Kirche, meinst du, schickten deine Eltern dich nicht?“

„Was! In die Kirche musst’ ich gehen im Sommer und im Winter. Ich glaub’ nicht, dass ich eine Messe — am Sonntag wenigstens — versäumte in dreißig Jahren.“

„Da liegt’s, mein lieber Freund!“ sagte ich. „In die Kirche musstest du gehen, in die Schule nicht. In Deutschland und Amerika ist es umgekehrt; die Kinder in Amerika und Deutschland müssen in die Schule. Die Regierung, die Gesetzgebung zwingt die Eltern, ihre Kinder unbedingt in die Schule zu schicken; das Kirchengehen überlässt man dem freien Willen.“

„Verdammt! Warum machen sie drüben nicht auch solche Gesetze, dass jedes Kind die Schule besuchen soll und was lernt?“ schrie der Irländer.

„Wer macht die Gesetze?“ frug ich.

„Ich denke, diejenigen, die etwas zu sagen haben, machen die Gesetze“

„Wer hat am meisten zu sagen, zum Beispiel in deinem Dorf, wo du herkommst?“

„Hm, ich glaube das ist der Herr Pfarrer.“

„Und im nächsten Dorf wahrscheinlich auch der Herr Pfarrer; in Limerick, Galway, Cork ist’s der Herr Bischof, in Dublin der Erzbischof. — Pat!“ rief ich, „es tut mir selber weh, deine wundeste Stelle berühren zu müssen; aber wenn du wissen willst, warum ihr armen Irländer so hinter der Zeit einher hinkt, dass ihr nicht einmal eine Zeitung lesen könnt — die Antwort lautet: eure Priester sind schuld daran.“

Ich machte eine Pause, um Pat Zeit zu lassen, sich von dem Schlag zu erholen. Der Irländer war, wenn nicht zum Tod erschrocken, doch zum Verzweifeln verlegen. Sein Gesicht bekam eine noch rötere Färbung als in der Stunde des Briefdiktierens. Drei-, viermal nickte er wie bejahend, aber ohne mich anzusehen.

„Soll ich schweigen oder weiterreden?“ frug ich nach einer Weile.

„Sag’s nur heraus“, seufzte er. „Ich hab’ derartige Gedanken schon selber gehabt; nur nie so kecke.“

„Also gut, wir steigen die Leiter hinauf!“ fuhr ich fort. „Der Herr Pfarrer steht also über den Leuten im Dorf — das stimmt mit deinem Glauben, wie? — Aber der Bischof steht über dem Pfarrer, das ist ebenfalls richtig. Und der Erzbischof steht über dem Bischof. Und über dem Erzbischof steht der Papst. Und über dem Papst — wer steht über dem?“

„Jesus Christus“, sagte Pat und bekreuzte sich andächtig.

„Gut. Jesus Christus steht über dem Papst. Jesus Christus ist Gott. Gott ist aber die Wahrheit, er sagt es selber: ich bin die Wahrheit und das Leben“. Die Wahrheit steht also hoch über allen Menschen, über Kaisern, Königen, Präsidenten und Päpsten — auch über dem Pfarrer von Wexford. Eine Wahrheit verwerfen, oder nicht anhören wollen, oder nicht befolgen, heißt: den lieben Gott ins Gesicht schlagen.

Nun werd’ ich dir etliche Wahrheiten sagen, aber nur Wahrheiten und Tatsachen; ich hab’ es nicht nötig, Lügen zu meinem Beistand anzurufen, um dich überzeugen zu können.

„Schau dich um — —“

Wieder musste ich stocken. Der Unglückliche da versteht ja nichts von Naturgeschichte, Weltgeschichte, Geographie! klagte es in meinem Innern. Gott! wie sind dir und deiner Wahrheit, deiner Pracht und Herrlichkeit, deinem Zug in die Seelen der Menschen die Türen verrammelt durch Unwissenheit! — Sagen musste ich aber doch etwas, und so begann ich ziemlich missmutig: „Pat, ich weiß nicht recht, wie ich dir überhaupt beikommen kann; du bist geradezu uneinnehmbar. Vielleicht schießt der Zufall eine Bresche, also horch: Deutschland, England, Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, Schweiz, Vereinigte Staaten, das sind Länder mit überwiegend protestantischer Bevölkerung; und sieh, welche Fortschritte diese Länder in der Schulung ihrer Jugend gemacht haben. Jetzt lass’ die katholischen Staaten Parade laufen: Spanien, Portugal, Italien, Polen, Irland, und sieh die Rückständigkeit, die da herrscht, die Gleichgültigkeit. Sogar Frankreich, dieses hochentwickelte Reich, wie es keucht und nachhinkt mit seinem Volksschulwesen. Das ist doch nicht reiner Zufall, das ist der kernige Beweis, dass überall, wo die römische Klerisei ein Wort zu sprechen hat, die Schulbildung der Kinder als minderwertig behandelt wird. Und nicht der Kinder allein. Pat! in Deutschland haben die ungeistlichen Geistlichen einen Kopernikus dem Teufel verschrieben, weil er Gottes Stimme predigte. In Italien haben sie einen Galilei ins Gefängnis geworfen und zum Lügen gezwungen. Hundert Schritte von der Tür des Vatikans haben sie einen Apostel der Wahrheit bei lebendigem Leibe gebraten.“ —

Ich musste aufhören, Pat schüttelte mit solcher Steigerung seinen Kopf, dass ich Gefahr für ihn witterte, mit verrenktem Genick in den Graben zu kollern.

„Nein, Deutscher!“ sagte der Irländer. „Was du mir da eben erzählt hast, haben wir beide nicht miterlebt; ich nicht und du nicht. Das sind alles nur Geschichten aus alter Zeit, die ebenso leicht erlogen sein können wie wahr. Ich beurteile die Priester wie sie heute sind.“

„Und die sind?“ frug ich, keineswegs verblüfft; ich hatte zu viele Turniere mit Fanatikern ausgefochten, um nicht auf jeden Hieb gefasst zu sein.

„Die heutigen Priester sind Väter! Wie ein Vater sorgt für seine Kinder, sein Weib, sein Hauswesen, so bekümmert sich der Priester um die ihm anvertraute Gemeinde. Wenn du katholisch wärst, dann würdest du es selber erfahren, wie gut unsere Paters sind; wie ganz anders als die protestantischen oder gar jüdischen. Wie manchen Kummer müssen sie leiden ob der bösen, sündhaften Welt; wie manche Nacht müssen sie opfern mit Kranke und Sterbende besuchen. Denkst du, es sei ein Herrenleben, dann probier es und sitz im Beichtstuhl drei, vier Stunden lang; lies Messe am Sonntag, mit leerem Magen bis Mittag; studiere eine Predigt; steh Nachts auf und geh bei Sturm und Regen zu Sterbenden, die oft mit gefährlichen Seuchen behaftet sind; hör das Klagen und Jammern armer Leute, die dem Pfarrer schier das Haus weglaufen. Nein, Deutscher! des Priesters Brot ist ein hartes Stückchen Brot; und Priester muss es geben, sonst ging’ die Welt ganz zum Teufel!“

Pat hatte sich gehörig in Feuer geredet; sein Gesicht glühte, seine Augen leuchteten. Zwei Reihen Zähne schimmerten durch seine bärtigen Lippen, als er, wie in Verklärung, zu lächeln begann: „Wir hatten einen Priester in Tralee — der Herr segne seine Seele, er ist jetzt tot — einen Priester, der hat sich rein zu Grunde gerichtet mit seiner Gutherzigkeit, mit Helfen und Hergeben. Schulden hat er gehabt, wie er gestorben ist, Hypotheken auf seinen Büchern und Möbeln!“

„Und ich hab’ einen Priester gekannt“, fuhr ich dazwischen, „der hatte zehntausend Dollar in Staatspapieren im Koffer liegen; und zehn Türen von seinem Palast hat sich eine Witwe den Hals abgeschnitten und ihre beiden Kinder erwürgt in der Verzweiflung.“

„Das sind Ausnahmefälle“, sagte schier höhnisch der Irländer.

„Ist dein Vater von Tralee“ nicht auch eine Ausnahme? Sind alle Priester so menschlich und barmherzig wie deiner?“

„Unsinn! Alle können sie nicht gleich sein; aber am Besten nehm’ ich mir ein Beispiel. Was der mir vormacht, versuch’ ich ihm nachzumachen; was der mir anrät, befolge ich. ‚Pat!‘ sagte mein Priester beim Abschied, ,wenn jemand auf deine Religion schimpft, dem weiche aus wie einer Schlange!‘ Und wenn du mir nicht diesen schönen Brief geschrieben hättst, ich würde dir gewiss nicht so lange das Wort gelassen haben zu deiner Gotteslästerung.“

„Gotteslästerung?“

„Jawohl, Gotteslästerung!“ schrie der Irländer. „Aber freilich, du bist protestantisch und weißt es eben nicht besser.“

„Pat, ich bin so katholisch erzogen worden wie du.“

„Katholisch — du?!“ — Des Irländers Augen ruhten mit einem geradezu giftigen Blick auf mir. „Dann schäme dich!“

„Huh!“ lachte ich, aber meinen Ärger nur halb durch erkünstelte Heiterkeit zudeckend. „Warum soll ich mich schämen?“

Pat wollte sich erheben, um dem „Gottseibeiuns“, den er wohl in mir angetroffen zu haben glaubte, entfliehen zu können.

Ich hielt ihn zurück und sagte mit voller, wiedergewonnener Ruhe: „Nein, Pat! so im Zorn lass’ ich dich nicht von mir. Du bist ein viel zu goldkörniger Mensch, als dass mir deine Freundschaft gleichgültig wäre. Recht hast: es gibt zahlreiche Geistliche, die Seelsorger sind, die Märtyrer sind einer Religion, welche auch heute, nach zweitausend Jahren, noch zu früh erschienen ist, die Welt zu erlösen. Gott segne die guten Priester! Diese armen, entsagenden Auch-Proletarier ihres —“

Handwerks, wollt’ ich noch beisetzen. Aber von neuem die Schlacht zu beginnen fiel mir nicht ein; ich hatte sie ja doch verloren, und Rückzugblasen war das vernünftigste.

* * *

Wir verabschiedeten uns nach einer halben Stunde gemütlichen Plauderns über allerlei ringsherum liegende Kleinigkeiten. Pat versprach mir die von seiner Bridget einlaufende Antwort zum Vorlesen zu geben. Ich versprach ihm, einen zweiten und dritten Brief aufzusetzen.

„Aber das solltest du nicht unterlassen“, mahnte der Irländer, ehe er aufstand und den Weg zur Hütte einschlug, „das solltest du unbedingt nicht versäumen, wenn du wieder nach Neuyork kommst: in die Kirche gehen und beichten.“

„Wahrlich“, seufzte ich dann, dem langsam Fortschreitenden mit den Augen folgend, bis er in den Büschen verschwand, „wahrlich! der Mensch hat doch schließlich recht. Was, um Gottes willen! hat dieser arme, Unwissende, von Weib und Kind gerissene Mann Besseres, um sein Elend zu versüßen, wie den Trost einer ihm zu Herzen gehenden, leichtbegreiflichen Religion.“

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Bob, der Sonderling

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