Читать книгу So sah ich. Mein Leben. Mein Österreich. Die Welt - Drei Bände. Life is a story - story.one - Hugo Portisch - Страница 14
Bin Türke. Komme!
ОглавлениеAnfang der 50er-Jahre ist Hugo beim Österreichischen Informationsdienst des Generalkonsulats in New York angestellt. Er trifft auch Exilösterreicher wie den ehemaligen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg. Der bittet Portisch und andere österreichische Journalisten, Details über tschechische Waffenlieferungen an den sozialdemokratischen Schutzbund im Bürgerkrieg des Jahres 1934 herauszufinden.
Denn dann wäre doch die Niederschlagung des Schutzbundes im Jahr 1934 gerechtfertigt gewesen? – Wir sind dort mit offenem Mund gesessen und sagten: „Bitte, wir haben die Russen im Land, Österreich ist vierfach besetzt. Wo ist der Schutzbund? Wann war 1934? Und was sind unsere heutigen Sorgen?“ Aber das hat er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz kapiert …
1954 betreut Portisch Bundeskanzler Julius Raab (ÖVP), der nicht Englisch kann, bei dessen Staatsbesuch in den USA. Am letzten Tag sitzen sie zusammen im Hotel und ziehen Bilanz:
Auf einmal klopft es und ein Page kommt herein. Er hält ein Schreiben in der Hand und sagt: „I’ve got a cable for Mr. Portisch.“ Sagt der Raab: „Was ist das?“ Sag ich: „Offenbar ein Telegramm.“ „Von wem ist es denn?“, fragt der Bundeskanzler. Es war vom Journalisten Hans Dichand, der schrieb: „Bin soeben Chefredakteur des ‚Neuen Kurier‘ geworden. Lade dich ein, mit mir die Zeitung zu machen. Schon die Türken fanden, dass es sich auszahlt, von weither zu kommen, um Wien zu erobern. Dein Hans.“ Ich lese das leise vor mich hin. Der Kanzler sitzt daneben, beugt sich herüber, liest das Ganze mit und sagt dann: „Das werden Sie doch machen, nicht?“ – „Ja, ich nehme an, dass ich’s machen werde.“ Das war also die Einladung vom Dichand, zurück nach Österreich zu kommen. Sofort, in der nächsten Stunde, habe ich schon geantwortet: „Bin Türke. Komme. Dein Hugo“.
Es hat sich dann zwar noch ein paar Monate verzögert, weil mich die aus New York nicht gleich weglassen wollten, aber so bin ich dann zum „Kurier“ gekommen. Der Dichand war Chefredakteur und ich wurde sein Stellvertreter und habe die Außenpolitik übernommen. Gleich zu Beginn hatte ich ein großes Glück: Da starb Einstein, ich konnte meinen ersten Leitartikel über ihn schreiben. Das war ungewöhnlich, denn in Österreich hat man Albert Einstein damals noch nicht wirklich als großen Mann wahrgenommen – wir aber sehr wohl! Ab da habe ich – im Gegensatz zu Dichand, der das nie getan hat – in der Regel die Leitartikel geschrieben. Damit war ich im „Kurier“ der Meinungsmacher.
Interessanterweise hat Julius Raab unsere Zusammenarbeit beziehungsweise meine Hilfsdienste in Amerika nicht vergessen. Denn er hat mich sehr bald danach zum Kaffeetrinken eingeladen und hat das auch beibehalten, ich wurde in gewissen Abständen immer wieder eingeladen. Dabei hat er mir dann auch so manchen seiner politischen Pläne enthüllt. Er hatte gute Gründe, mit mir Gedanken auszutauschen: „Damit ich Ihre Leitartikel, wenn schon, dann zu Recht angreife und nicht zu Unrecht!“