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Wer bin ich schon gegen China?

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Anfang August 1964 droht der bis dahin lokal begrenzte Vietnamkrieg ein Konflikt zwischen den Supermächten zu werden. Die USA sind im Begriff, direkt in den Krieg gegen das kommunistische Nordvietnam einzugreifen. Genau in diesen Wochen befindet sich Hugo Portisch im Rotchina Mao Zedongs – eine ungeheure Sensation, denn westlichen Journalisten bleibt China gewöhnlich verschlossen. Eines Tages wird Portisch zu einem Gespräch mit dem dritten Mann der obersten KP-Nomenklatura eingeladen, dem Außenminister Chen Yi.

Da fängt der Marschall Chen Yi an, mit mir zu reden. Ich begreife nicht gleich, was das soll. Er erzählt mir über Vietnam. 1964 erzählt er mir etwas über Vietnam! Und dass China überhaupt kein Interesse an diesem Land hat. Es sei ihnen völlig egal. Das ist ja nur Dschungel mit Giftschlangen, hat er wörtlich gesagt. Nicht einmal genug Reis für die eigene Bevölkerung gibt es dort. In Vietnam ist für China gar nichts zu holen.

Denke ich mir, warum sagt er mir das?

Natürlich, das amerikanische Engagement in Südvietnam war mir schon geläufig, dass die Amerikaner dort sind und so weiter. Ich frage ihn: Betrifft das den Krieg in Vietnam? Sagt er, ja, das betrifft den Krieg in Vietnam. Sage ich, den amerikanischen Krieg in Vietnam? Sagt er, ja, den amerikanischen Krieg in Vietnam. Dann sagt er mir, Sie wissen doch, die Amerikaner haben Hanoi bombardiert. Ich wusste es natürlich nicht. Ich hatte auch kein Funkgerät. Jetzt war mir also klar, dass die Amerikaner Hanoi bombardiert hatten. Das muss dieser Tage gewesen sein, vor ein paar Tagen oder sogar am Tag vorher. Habe ich gesagt: Ist das Ihrer Meinung nach der Beginn einer amerikanischen Invasion in Nordvietnam? Da hat er gesagt, das ist durchaus möglich, dass es eine amerikanische Invasion in Nordvietnam gibt. Wir haben allerdings dort keine Interessen. Habe ich gesagt, das heißt, dass es nicht so sein würde wie in Korea? Denn dort haben die Chinesen damals mit einer Riesenarmee eingegriffen.

Mir ist die Spucke weggeblieben. Hier sagt mir der Außenminister, ein Marschall, ein Weggenosse und Politbüromitglied und einer der engsten Mitarbeiter Mao Zedongs, dass, wenn die Amerikaner in Nordvietnam einmarschieren, die Chinesen nichts tun werden.

Er will offenbar, dass ich diese Botschaft hinaustrage. Ich? Wer bin ich schon? Der Chefredakteur des „Kurier“ in Wien. Was ist das im Verhältnis zu China und Amerika? Vielleicht weil es glaubhaft ist, wenn es über ein neutrales Land kommt?

Portisch bricht seine Chinareise ab und reist schleunigst nach Hongkong aus. Zwei Tage danach erscheint das Interview mit Chen Yi im „Kurier“.

Tags darauf schreibt die „New York Times“ ganz groß: „China does not want to go to war“. China will nicht in den Krieg ziehen. Die USA haben Chen Yi zwar richtig verstanden, sind aber trotzdem nicht in Nordvietnam einmarschiert, obwohl das der einzige Weg gewesen wäre, den Krieg zu gewinnen. Eigentlich hatten sie grünes Licht von Peking, haben es aber nicht genützt.

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