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DIE GRÖSSTE NIEDERLAGE ALLER ZEITEN
Unsere Vorbereitungen auf die Spiele gegen Saint-Étienne im Herbst 1979 waren sehr intensiv. Im Europapokal der Landesmeister waren wir bereits zweimal gegen die Franzosen ausgeschieden, jetzt spielten wir gegen sie im UEFA-Cup. Das erste Duell war das Heimspiel am 24. Oktober.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir vor dem anstehenden Match in Eindhoven mit dem Auto von Kees Rijvers zu einem Ligaspiel von Saint-Étienne in Straßburg gefahren sind, um uns die Partie anzuschauen. Adrie van Kraaij, Willy van der Kuijlen und ich saßen mit im Auto. Wir hatten allerdings nicht gewusst, dass Kees Rijvers’ Frau Annie ihm beim Autofahren immer alles sagen musste, wie zum Beispiel: Stopp, es ist rot! Wir fuhren auf einer Ringstraße mit einigen Ampeln, und Rijvers fuhr fröhlich über jede rote Ampel. Er war so sehr beschäftigt, dass er nichts davon mitbekam. Adrie, Willy und ich haben uns dann später beim Fahren abgewechselt und sind so heil am Ziel angekommen.
Wir haben sehr professionell trainiert. Videoaufzeichnungen gab es bei uns damals noch nicht, aber nach dem Spiel in Straßburg wussten wir genau, wie Saint-Étienne spielte. Zuhause machten wir dann gegen Saint-Étienne ein gutes Spiel und gewannen 2:0. Vor dem anstehenden Rückspiel gab es bei uns einige Verletzungen, und ich glaube, zwei oder drei andere haben versucht, sich fitspritzen zu lassen. Aber ansonsten liefen die Vorbereitungen ausgezeichnet. Wir waren in einem guten Hotel untergebracht, alles war perfekt organisiert.
Doch kurz nach Spielbeginn lagen wir dann tatsächlich innerhalb von fünf Minuten mit 0:3 im Rückstand. Später hat mir jemand erzählt, dass er noch kurz vor Anpfiff zur Toilette gegangen ist. Als er zurückkam, stand es 0:3. Ich war wirklich fassungslos. So etwas hatte ich noch nie erlebt und würde es auch nicht noch einmal erleben. Rijvers griff bereits nach einer Viertelstunde ein. Er holte ausgerechnet mich aus dem Spiel und wechselte Adrie Koster ein. Dabei war ich einer der wenigen unter uns, der noch fit war. Ich habe das nicht verstanden.
Mann, war ich da sauer. Ich bin in die Umkleide gegangen und habe der Tür einen ordentlichen Tritt versetzt, so dass in ihr danach ein riesiges Loch klaffte. Ich habe die Tür später auch noch bezahlen müssen. Sie haben mir eine Rechnung über umgerechnet 240 Gulden nach Hause geschickt. Ein Betrag, für den sie sich dann eine richtig gute Tür leisten konnten. Aber egal, ich habe die Tür einfach bezahlt.
Nach der Pause stand es noch immer 0:3, und ich habe die Mannschaft angefeuert: „Jetzt aber los, Jungs. Viel Erfolg!“ Denn mit einem Tor für unser Team hätte es 1:3 gestanden. Das wäre eine Basis gewesen, auf der wir hätten weitermachen können. Schließlich ging das Spiel 0:6 aus. Dem Team fehlten jegliche Sicherheit und Selbstvertrauen. Nach dem Spiel bekam Rijvers von seiner Frau eine ordentliche Standpauke zu hören. Auch sie war empört, weil er mich aus dem Spiel genommen hatte. Ich habe lieber nichts gesagt und ihn auch nicht angesehen. Ich war noch immer unglaublich sauer und wahnsinnig enttäuscht. Aber nicht so sehr, weil er mich nach so kurzer Zeit aus dem Spiel genommen hatte, das hatte er gegen Telstar einmal noch viel schneller gemacht.
Telstar spielte damals mit Monne de Wit als hängender Spitze, die sich ins Mittelfeld zurückfallen ließ. Dazu hatten sie zwei Außenstürmer, die immer nach innen gezogen sind. Ich war eigentlich überflüssig, und deswegen wechselte Rijvers mich bereits nach sechs Minuten aus. Das habe ich damals durchaus verstanden, und wir haben das Spiel dann auch gewonnen. Rijvers hat mir alles erklärt und einen Mittelfeldspieler für mich eingewechselt, das war sein gutes Recht. Unangenehm war allerdings, dass meine Mutter damals zum ersten Mal im Stadion saß, um sich ein Spiel mit mir im Trikot der PSV anzuschauen. Sie war extra aus Eindhoven zu der Begegnung gekommen und hat mich nur sechs Minuten spielen sehen …
Nun gut, nach dem Spiel gegen Saint-Étienne kam Rijvers irgendwann zu mir und sagte: „Jetzt hab ich doch tatsächlich deinetwegen Streit mit meiner Frau.“ Ich hab noch erwidert: „Und was kann ich dafür? Hättest mich nicht auswechseln sollen.“
Rijvers erklärte mir, dass es ihm auch schwergefallen sei, aber er habe etwas unternehmen und riskieren müssen, um Tore zu erzielen. Er sah durchaus ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und er das nicht hätte tun sollen. Er hat mit mir ganz offen darüber geredet. Nach außen gab er seinen Fehler nicht zu, aber intern schon. Für mich war die Sache damit erledigt.
Das war jedenfalls das seltsamste Spiel, das ich jemals erlebt habe, und eine heftige Niederlage. Ich muss aber auch sagen, dass Saint-Étienne eine großartige Mannschaft hatte, mit Spielern wie Michel Platini, Dominique Rocheteau, Patrick Battiston und nicht zu vergessen Johnny Rep. Im Nachhinein hatte der Abend auch etwas Lustiges, denn bei uns lief wirklich alles schief. Das Spiel hätte genauso gut 0:9 ausgehen können. Das war ganz ehrlich der Tiefpunkt in meiner Karriere.
Ich glaube, dass diese Niederlage noch lange nachgeklungen hat. Wir spielten keine besonders gute Saison und wurden schließlich Dritter. Eine Folge war der Abschied von Kees Rijvers im Januar 1980. Eine Rolle hat dabei gewiss auch der Abend in Saint-Étienne gespielt.