Читать книгу Wie ein Stein im tiefen Wasser - Ian Malz - Страница 5

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Kapitel I

Es war wieder einer dieser wunderschönen, warmen Tage. Die Sonne stand zur Mittagszeit nicht mehr so hoch am Himmel und deutete an, dass es bald Herbst werden würde.

Der Sommer war sehr heiß gewesen und so, als wolle er mit letzter Kraft seine Wärme in die nun kälter werdende Jahreszeit retten, ließ er die Sonnenstrahlen auf die Dächer von Travestra sinken. Die braunroten Dachpfannen speicherten diese Wärme und selbst die Zisternen hatten noch genug davon abbekommen, um einem Badenden noch warmes Wasser zu spenden. Dicht an dicht standen die Häuser, als rückten sie zum Winter hin noch enger zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Selbst in den engen Gassen, die vom Capitol her parallel zwischen den Häuserzeilen verliefen, bis sie am befestigten Ufer des Mare Mediterrane mündeten, dort, wo die Handelsschiffe an den Pollern vertaut wurden, selbst hier stand noch die warme Luft. Der leichte Wind kam vom Meer her und verwirbelte so manchen Geruch in den schmalen Straßen, der sich mit den Gerüchen der Kanalisation und den Fischständen am Hafenbecken vermengte. Kinder liefen spielend und lachend die leicht abwärts führende Straße hinab, übersprangen gleich drei, oder, wer konnte, vier und mehr Stufen, bis sie unten an der Kaimauer standen. Der Kai hatte eine Länge von vielen hundert Schritten. In gleichmäßigen Abständen waren Poller in den Kai eingelassen, an denen schon einige Fischerboote vertäut lagen. Am Ende des Kais, zu den fast senkrecht abfallenden Felsen hin, befand sich ein großes Tor, vor dem Soldaten standen und aufpassten, dass kein Unbefugter in den militärischen Teil des Hafens eindringen konnte. Zum Land hin, vor den ersten Häuserzeilen, verlief eine breite Straße, die für die Wagengespanne im mittleren Bereich gepflastert war. Zwischen Straße und Häuser gab es einen unbefestigten, sandigen Streifen.

Der Jubel war bei den Kindern riesig, als sie auf das Meer hinausschauten und die heimkehrenden Fischerboote erspähten. Sie liefen zu den Booten hin, die gerade mit ihren Fängen in den Hafen einliefen. Stundenlang konnten die Knaben auf den Steinsockeln sitzen und den Fischern bei der Arbeit zusehen, wie sie die Netze an Land brachten und die Körbe mit den Fischen den Händlern feilboten, die aus den nahe liegenden Tavernen, wo sie die Zeit bis zur Ankunft der Fischer bei Wein und Gesprächen verbracht hatten, an ihre Verkaufstische eilten, um sogleich das günstig Erworbene mit einem entsprechenden Preisaufschlag weiter zu verkaufen. Andere wiederum verstauten ihre Waren in großen Körben und brachten sie auf ihren Lasttieren ins Landesinnere, um sie dort auf Märkten zu verkaufen. Ein hartes Geschäft, mussten doch die Fische schnellstens an Ort und Stelle gebracht werden, damit sie noch mit einer einigermaßen frisch verkauft werden konnte. Die Nacht war durch ihre Kühle ein guter Garant dafür, dass die verderbliche Ware noch gut erhalten ihr Ziel erreichte. Einige Frauen, zum Teil von ihren Sklavinnen begleitet, gingen von Tisch zu Tisch und deuteten - die Nase mit einem Tuch vor dem doch unangenehmen Geruch der Fische schützend - auf diesen oder jenen gefangenen Meeresbewohner. Worauf der Händler mit dem Feilschen begann. Schnell war man sich aber meistens über den Preis einig und die Sklavinnen oder die Herrin selber legten den Fisch in den mitgebrachten Korb auf die Kräuter oder das kurz zuvor erstandene Gemüse, das am Morgen, beim ersten Einkauf, noch nicht vorrätig gewesen war. Alles zusammen wurde natürlich dringend für das abendliche Essen benötigt; sei es, um dem heimkehrenden Ehemann mit seinem Lieblingsmahl eine Freude zu bereiten, sei es, um überraschend eintreffende, ehrwürdige Gäste standesgemäß zu bewirten.

Die Sonne verschwand nun doch recht schnell hinter der felsigen Landzunge, die sich wie ein schützender Arm um die Bucht zu legen schien. Die schneeweißen Häuser veränderten zunehmend ihre Farbe. Erst wurden sie hellgelb, als wenn die Sonnenstrahlen sich in die Wände gefärbt hätten. Aus dem hellen Gelb wurde nach und nach ein orangenfarbiges Glühen, das zur Grundmauer hin immer dunkler und schattiger wurde. Nun leuchteten nur noch die Ziegel in einem warmen Licht und warfen wellige Schatten. Der Grat der Landzunge schien zu leuchten und es wurde merklich kühler. Die Händler begannen ihre Tische zu räumen und die Ware zu verstauen. Die Frauen machten sich auf den Heimweg, um das Gekaufte zu verarbeiten. Wie würde sich der Gemahl über den Fisch freuen und wie mehr noch würde er der Hausherrin’ Kochkunst bei seinen Gästen zu rühmen wissen?

Den ganzen Nachmittag saß Quintus am Kai oder ging die Mole entlang bis hin zu der Stelle, an denen Soldaten ihm den Zugang zum Hafen verweigerten. Er wusste schon, dass er nicht weitergehen durfte. Hatte er doch schon oft genug einen Rüffel bekommen, der ihn darauf aufmerksam machte, dass es bis hierhin und nicht weiter ging. Aber was er sehen wollte, sah er auch von hier aus. Wie gerne würde er einmal eines dieser majestätischen Schiffe sehen, die auf der anderen Seite der Bucht, im Militärhafen, vor Anker lagen. Wie gerne würde er einmal auf einem solchen Schiff sein dürfen. Sein Weg von zuhause bis hinunter zum Hafen war ziemlich weit, denn er wohnte mit seiner Familie oberhalb von Travestra, gut fünfhundert Schritte vom letzten Haus entfernt, inmitten eines Olivenhains. Sein Vater machte das beste Olivenöl weit und breit und verkaufte es bis in die höchsten Kreise der römischen Senatoren. Trotzdem versuchte Quintus doch täglich hinunter an den Hafen zu kommen, um die ein- und ausfahrenden Schiffe zu sehen. Wenn der Wind von Westen her um die Landzunge wehte, konnte er sogar noch das dumpfe Hämmern der Takttrommeln vernehmen, die die Ruderer auf Tempo hielten. Weiter draußen würden dann die Segel gesetzt und die Riemen eingezogen werden. Sicherlich die angenehmste Zeit der unten im Bauch des Schiffes rudernden Soldaten. Von dort aus, wo Quintus wohnte, sah er zwar noch den Kamm der Landzunge, aber nicht mehr den Hafen. Nur ganz fern, wenn er sich auf das Dach seines Elternhauses stellte, konnte er dort, wo die vor ihm liegenden Häuser niedriger waren als die anderen, noch das Meer weit draußen sehen. Mit viel Glück und Ausdauer erspähte er - wenn auch nur für kurze Zeit - das eine oder andere Schiff, das gen Westen segelte oder aber die Küsten Afrikas anlief.

Auf den Schiffen und in den Tavernen wurden nach und nach die Öllampen entzündet. Zeit für Quintus, nach Hause zu gehen. Er kam an den Stoff-Händlern vorbei und beim Töpfer Macremus, den er freundlich grüßte, lieferte der doch für seinen Vater die Behälter für das Öl. Und Macremus´ Krüge waren die besten. Bevor Quintus in den Weg einbog, der geradewegs zu seinem Elternhaus hinaufführte, blickte er noch einmal zurück zum Hafen, um vielleicht doch noch ein auslaufendes oder einfahrendes Schiff zu erspähen. Aber alles blieb ruhig und der Hafen lag schon im Dunkeln des großen Schattens, den die Landzunge über das Hafenbecken legte.

Zwischen den Häusern, dort, wo die Sonne nicht mehr die Luft erwärmen konnte, wurde es nun merklich kühler. Quintus fröstelte. Mit großen Schritten und manchen Sprüngen eilte er zum Hause seiner Eltern, dem auch die Fabrikationsräume angegliedert waren. Leicht keuchend erreichte Quintus die steinerne Mauer, die, halb hoch, das Anwesen umfriedete. Sie reichte ihm in etwa bis zu den Schultern. Obenauf die gleichen Dachpfannen wie auf den Dächern der Häuser. Er erinnerte sich, dass es eine Zeit gab, da konnte er nicht einmal über diese Mauer hinwegsehen. Nun war er hochgewachsen. Und seine Mutter schien recht gehabt zu haben, als sie ihm prophezeite, er würde einmal ein großer Mann werden. Ihr Vater und ihre Geschwister waren auch von großer Statur. Ja, das habe er von ihrer Familie. Die familiäre Seite des Vaters war eher klein und rundlich. Nur gut, hatte Mutter einmal schmunzelnd bemerkt, dass ihr Sohn nach ihrer Familie zu geraten schien. Die etruskische Abstammung war einfach nicht zu leugnen.

Es war ein schönes Haus. Fast quadratisch und von einem Säulengang umgeben. Der Weg durch den Vorgarten, vom Eingangstor bis zur Halle, war mit Pflaster belegt. Wie zur Dekoration standen einige Krüge und Amphoren seitlich des Weges. Ein überdachter Gang verband das Haupthaus, in dem die Eltern und er wohnten, mit dem Gebäudeteil, aus dem man die gleichmäßigen Mahlgeräusche der Olivenpresse hören konnte. Zwei Sklaven drehten dort einen aufrecht stehenden Stein in einem großen Bottich. Bei dieser Vorarbeit wurde das Fruchtfleisch sorgfältig vom Kern gelöst, denn zermahlene Kernsteine machten das Öl bitter und als Nahrungsmittel fast ungenießbar. Als billiges Lampenöl oder Leinöl war es dann gerade noch zu gebrauchen. Vater wurde auch immer recht zornig, wenn er klein gehacktes Kerngehäuse in der matschigen Masse fand.

Aus diesem Kollergang wurde die Masse der eigentlichen Presse zugeführt. An langen Hebeln hingen mitunter zwei oder drei Arbeiter, um den Druck auf das Presswerkzeug zu erhöhen, bis schließlich aus der Nase am Boden des Bottichs das wertvolle Öl herauströpfelte. Im angrenzenden Raum verhandelte Livius, Quintus’ Vater gerade mit einigen Händlern aus Rom und Pisa. Das Geschäft ging gut und per Handschlag wurde ein solches auch in diesem Moment besiegelt. Sein Verhandlungsgeschick und seine Korrektheit, vor allem aber seine gute Ware machten den Vater berühmt und reich. Hatte doch der Vater seines Vaters die großartige Idee, Olivenbäume anzupflanzen. Das Klima an der Küste von Italien entsprach dem in Hispania oder in Nord-Afrika. Auch der Boden war fruchtbar und - nach einiger Kultivation - für diesen Zweck brauchbar. Auch wenn sein Großvater nur den Grundstock für dieses Gehölz mit der begehrten Frucht legte, so konnte er doch, schon fast am Ende seines Lebens, seinen Sohn mit der Bestellung und Pflege der Plantage, dem Kreuzen verschiedener Arten und dem Verarbeiten der Oliven vertraut machen. Nun war Livius der einzige Olivenbauer weit und breit. Bis die Konkurrenz soweit wäre, dass sie mit ihrer Ernte auf den Markt kommen könnte, würde es ganz bestimmt noch Jahre dauern. In der Zwischenzeit wurde aber seine Plantage immer größer und größer. Alle zwei Jahre konnte ein Baum geerntet werden. Durch geschickte Kreuzung und versetzten Anbau war es ihm aber möglich, das ganze Jahr hindurch seine Bediensteten zu beschäftigen. Und nun war er in einem Alter, wo er sich darauf freute, genüsslich auf seiner Terrasse zu sitzen und sich - wenn auch mit Argusaugen - das Ernten und die Verarbeitung in Ruhe ansehen zu können, sollte doch Quintus bald den Betrieb übernehmen. Zum Fest der Liberalia würde sein Sohn siebzehn Jahre alt sein, dann würde er ihm den Betrieb übergeben. Wenn Quintus erst einmal voll und ganz im Geschäftsleben stünde, würde er sich auch die Flausen aus dem Kopf schlagen, unbedingt zur See fahren zu wollen, um fremde Länder zu sehen und wilde Schlachten zu schlagen, um Roms Vormachtstellung zu behaupten. Aus Schlachten kam man nicht immer heil nach Hause! Sein Bruder lag immer noch irgendwo im Wüstensand, von irgendeinem Krieger erschlagen oder von wilden Tieren zerfleischt. Ja, Marcus, sein Ältester, der sollte und wollte auch in seine Fußstapfen treten. Aber nun, wo er nicht mehr war, würde es Quintus machen. Er muss es machen! Nein, die Welt seines Sohnes sollte nicht irgendwo da draußen sein. Hier war sie, inmitten der Plantagen, inmitten seiner Familie, die er bald gründen würde. Hatte er nicht ein Auge auf Julia, die Tochter des Töpfers, geworfen? Eine gute Kombination wäre es schon, so dachte Livius. Nun, ein wenig nachhelfen würde er schon können. Am besten wäre es, er würde die ganze Familie des Marcremus zum großen Fest einladen, dann, wenn sein Junge zum Manne wird. Das Haus, das Quintus dann beziehen würde, war nun schon, bis auf das Dachgebälk, fertig. Bald würden die Innenbemalungen ausgeführt werden können. Und groß genug für eine Familie würde es auch sein!

Das soeben abgeschlossene Geschäft war gut getan. Herzlich erging eine Einladung an die Käufer, sich am Abendmahl zu beteiligen, was auch dankbar angenommen wurde. Waren nicht nur seine Öle gut und bekannt, auch der Wein, den der Hausherr seinen Kunden kredenzte, kam aus den besten Lagen rund um Siena. Als hervorragende Köchin war seine Frau, Livia, bekannt. Genüsslich ließ man sich im Atrium des Haupthauses auf den Liegen nieder und erhob den Becher mit dem köstlichen Wein. Schon der erste Schluck ließ ein wohliges Gefühl durch den Körper fließen. Der Duft von Gebratenem und Gekochtem unterstrich dieses Wohlsein.

Der Vater rief seinen Sohn, er solle sich doch mit in den Kreis begeben, damit er seine zukünftige Kundschaft - wenn er denn eines Tages das Geschäft übernommen habe - kennen lerne. Gerne gesellte sich Quintus dazu, doch nach einer Geschäftsübernahme stand ihm nicht der Sinn. Seinen heimlichen Wunsch, Seefahrer oder Soldat auf einem Schiff zu werden, hatte er seinen Eltern schon vor Jahren zaghaft gebeichtet. Doch sein Vater hatte diesen Wunsch immer mit einer verächtlichen Handbewegung abgetan. Sein Platz sei hier! Er solle, als sein nun einziger Sohn und Nachkomme, diesen Betrieb einmal übernehmen. So saß Quintus da auf seinem Diwan und hörte zwar die Stimmen der Männer, doch seine Gedanken waren wieder weit draußen auf See. Seine Vorstellung von der See ging aber nur bis zum Horizont, den man von der Landzunge sehen konnte und hinter dem die einst so großen, majestätischen Schiffe immer kleiner werdend verschwanden. War dort wirklich das Ende der Welt? Wohl nicht, denn Seefahrer im Hafen berichteten von langen Fahrten und von fremden und unkultivierten Völkern. Mit einigen konnte man regen Handel treiben. Andere spürten - wenn sie nicht freiwillig nachgaben - die mächtige Hand Roms. Quintus hockte oft an den Säulen vor den Eingängen der Tavernen am Hafen, um die Geschichten der Seeleute mit anzuhören, die von Abenteuern mit wilden, fremden Völkern kündeten. Quintus träumte. Und eines nicht mehr fernen Tages sollte er Öl zu Geld machen?! Niemals! „Wie kann man nur wehrlose Kinder umbringen?!“ Plötzlich wurde Quintus wieder in die Gegenwart zurückgerufen. Kinder? Umbringen? „Wer macht das?“ fragte er den Vater. „Wo warst du schon wieder mit deinen Gedanken? Herodes in Judäa. Der fürchtet um seinen Posten. Man hat ihm erzählt, dass ein neuer König geboren sei. Da ließ er einfach kurzerhand alle neugeborenen Kinder töten. Der ist sowieso nicht ganz klar im Kopf, dieser Herodes!“. “Wann war das?“ wollte Quintus wissen. „Das muss so vor der letzten Ernte gewesen sein. Einige Seeleute, die aus dem Osten kamen, haben es berichtet. - Sei´s drum, wir haben hier auch unsere Probleme. Varus ist aus Syrien zurück und soll nach Gallien und Germanien weiter. Augustus will ihn als Nachfolger des Tiberius einsetzen.“

„Mein lieber Publius“ wandte sich der Vater dann an seinem Nachbarn. „So gerne ich dir auch helfen würde, aber das Land am Fluss unten wirst du nicht bekommen! Ich werde es nicht verkaufen. Mein Sohn wird es brauchen und bestellen. Später, wenn ich einmal nicht mehr bin, kann er damit tun und lassen was er will!“ fügte er an. Publius Spurius brauchte das Stückchen Land unbedingt, um einen direkten Zugang zum Fluss zu bekommen, damit er seine Waren schneller transportieren konnte. Publius gehörte der Grund auf der anderen Seite des Waldes, der den seinen von dem des Vaters trennte. So oft hatte er darum gebettelt und viel Gold geboten, doch Livius willigte nie ein. Dass verärgerte Publius zwar; trotzdem hatte er die Einladung des Nachbarn angenommen und war zu diesem Treffen gekommen. Nun zuckte er leicht verlegen die Schultern, was soviel bedeutet, als ob da wohl nichts mehr zu machen sei.

Dann war das Essen beendet und hatte allen gemundet.

Mit der Zeit wurde es im Atrium kühler und man begab sich in den Wohnraum, der, obwohl nicht beheizt, eine wohlige Wärme ausstrahlte. Geschmackvoll hatten die Eltern hier die Wände bemalen lassen. Ein Rot, so warm und weich wie der Wein, der schon seit geraumer Zeit der Gäste Begleiter war. Unter der Zimmerdecke war mit weißer Farbe ein Fries gemalt, das ein Mäanderband zeigte. An drei Seiten standen Liegen bereit und in der Mitte des Raumes ein Tisch, dessen Beine aus knochigem Olivenholz gefertigt waren. Darauf eine silberne Platte mit Obst. Man machte es sich dort bequem, obwohl man schon Schwierigkeiten mit dem Sprechen, geschweige denn mit dem Offenhalten der Augen hatte. Die Gäste wollten die Gastgeber nicht beleidigen und die Gastgeber nicht die Gäste. So blieb man also sitzen, bis ab und zu bei dem einen und dann bei dem anderen die Sprache verstummte und die Augenlider zufielen. Es wurde noch ein wenig über Politik gefachsimpelt. Darüber, dass Tiberius und zuvor Drusus es nicht in den Griff bekam, die Germanen da oben im Norden davon zu überzeugen, dass es auf Dauer besser wäre, sich den Gesetzen Roms zu unterwerfen. Es käme der Tag, so konstatierte einer der Gäste mit lallender Stimme, dann würde Rom die endgültige Macht auch zwischen Rhenus und Albis innehaben. Quintus hörte, wenn auch wegen der Schwerfälligkeit mancher Zunge amüsiert, gespannt zu. Wie gerne würde er an Expeditionen teilnehmen, um den Germanen das Fürchten zu lehren, dachte er bei sich. Alt genug wäre er ja! Er müsste sich nur in einer Kaserne melden und die würden dann schon einen richtigen Soldaten aus ihm machen! Den Vater müsste er zwar noch überreden, was nicht ganz leicht werden würde. Doch da er ja aus einer hoch geachteten Familie kam und sein Vater darüber hinaus Senator ihrer Heimatstadt war, würde er es sicherlich schnell schaffen, in der Hierarchie der Soldaten aufzusteigen. Wer weiß, vielleicht befehligt er bald eine Kohorte oder aber sogar eine ganze Zenturie! Dann endlich würde man den wilden Stämmen hoch oben im Norden, in diesem kalten und ungemütlichen Land, Einhalt gebieten. Und wenn er seinem Vater erst einmal bewiesen hätte, dass sein Platz an der Seite Roms ist und nicht an der Ölpresse. Die Beziehungen seines Vaters würden ihm schon dabei helfen.

Die Öllampen flackerten noch ein wenig, bis sie nach und nach erloschen. Mit dem Gefühl, einen erfolgreichen Tag gehabt zu haben, begab sich das Ehepaar in ihre Schlafräume, nachdem zuvor die Gäste ihre Zimmer zugewiesen bekommen hatten. Und auch Quintus ging zu Bett. Doch schlafen konnte er noch nicht. Die Gedanken kreisten wie wild in seinem Kopf. Er sah das Abschlachten von Kindern. Sah ruhmreiche Legionen. Sah in den Hafen einlaufende Schiffe – tote Kinder - Legionen - Kinder - Schiffe - Schiffe -Schiffe...

Wie ein Stein im tiefen Wasser

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