Читать книгу Der Krieg - Ilja Steffelbauer - Страница 25
Söldner
ОглавлениеDer lange Peloponnesische Krieg hat in Griechenland schwere Wunden hinterlassen. Von 431 bis 404 v. Chr. liegen sich Athen und Sparta in den Haaren. Eine ganze Generation ist im Krieg geboren und im Krieg aufgewachsen. Junge Aristokraten wie Xenophon werden trotzdem eine behütete Kindheit und Jugend gehabt haben. In einer engen Gasse, so überliefert der Philosophen-Biograph Diogenes Laertios, soll er eines Tages von einem untersetzten Mann aufgehalten worden sein, der sich erkundigt, wo man verschiedene Lebensmittel kaufen könne. Artig antwortet der junge Mann auf die sonderbare Frage, woraufhin der komische Kauz wissen möchte: „Und wo werden die Menschen edel und tüchtig?“ Von diesem Tag an folgt Xenophon dem lästigen Fragensteller, der den Athenern schließlich so auf die Nerven geht, dass sie ihn zum Tode verurteilen. Xenophon ist zu diesem Zeitpunkt bereits außer Landes – in der Gesellschaft von anderen gefährlichen Männern.
Es sind Männer, die im Krieg alt geworden oder in ihm aufgewachsen sind, die zeitlebens – 30 Jahre rechnete man in der Antike üblicherweise für eine Generation – nichts anderes kannten, als den ständigen Zustand der Unsicherheit und militärischen Bedrohung, in die der Zwist zwischen den beiden stolzen Städten Athen und Sparta ihre Heimat so lange gefangen gehalten hatte. Entwurzelt durch wirtschaftliche Aussichtslosigkeit und politische und soziale Umwälzungen in ihren Heimatstädten haben viele den Krieg zu ihrem Broterwerb gemacht, auch weil es der einzige ist, den sie beherrschen. Die Rückkehr in eine vielfach zerrüttete Welt bäuerlicher Bescheidenheit und kleinstädtischer Bürgerlichkeit ist vielen nicht mehr möglich, die gelernt haben, ihren Lebensunterhalt durch den Speer zu verdienen. Griechenland war ohnehin arm, vor allem an Ackerland; und wollte man die Bauernstellen nicht durch Erbteilung bis zur Verarmung zerstückeln, mussten jüngere Söhne anderswo ihr Auskommen suchen. Die Zeit der Kolonisation ist vorbei und die Konjunktur von Handel und Exportgewerbe durch den langen Krieg eingebrochen. Der Söldnerdienst bietet vielen ein Auskommen, für die zuhause kein Platz mehr ist. Seit die Perser bei Marathon, den Thermopylen und Platäa die Schlagkraft der griechischen Kampfesweise am eigenen Leib erfahren haben, stehen Söldner aus dem Westen dort hoch in Gunst. Und Kyros ist bereit zu zahlen. Mehr als 10.000 zu allem entschlossene Männer aus allen Teilen der hellenischen Welt hat Prinz Kyros im Jahr 401 v. Chr. versammelt, um seinen Thronanspruch gegen seinen Bruder und König Artaxerxes durchzusetzen. Es war Kyros als persischer „Oberbefehlshaber“ in Anatolien gewesen, der im vorhergehenden Peloponnesischen Krieg die Partei Spartas ergriffen hatte und durch einen kontinuierlichen Fluss von persischem Gold in die Kriegskassen seines persönlichen Freundes und spartanischen Feldherren Lysander dessen Sieg im innergriechischen Ringen um die Vorherrschaft ermöglicht hatte. Das politische Kalkül zahlte sich aus und verbreitete den Ruf vom Reichtum und der Freigiebigkeit des persischen Prinzen in der griechischen Welt.
Geschickt, berichtet Xenophon, streute Kyros seine Investitionen, unterstützte Söldnerführer, Abenteurer, politische Rebellen und Exilanten mit beträchtlichen Summen und baute ein Netzwerk von Kriegsunternehmern mit kampferfahrenen Truppen auf, die ihm verpflichtet waren.
Es lohnt sich, die bunte Clique von griechischen Anführern näher anzusehen, sind sie doch die Führer jenes volatilen Elements, das damals, wie in ähnlicher Weise zu anderen Zeiten, als Söldner ihr Glück suchen: Da sind Exilanten aus Milet, die sich vom Vertreter der persischen Krone einen Umsturz in der Heimat und die Rückkehr erhoffen. Vertriebene, die hoffen, dereinst siegreich nach Hause zurückzukehren, sammeln gerne einmal Kriegserfahrung an anderen Schauplätzen. Ein gewisser Klearchos, aus Sparta verbannt, erhält von Kyros Startkapital und macht sich mit einer Söldnertruppe auf an die Nordseite des Hellespont, wo er gegen die dort ansässigen Thraker Krieg führt. Den Unterhalt seiner Truppe lässt er sich von den griechischen Städten der Gegend bezahlen, die von seinen Feldzügen gegen ihre Nachbarn profitieren, gleichzeitig aber darauf verweisen können, dass diese Söldner natürlich nicht offiziell in ihrem Auftrag handeln. Söldner sind immer gut Kriege zu führen, die man eigentlich nicht führen dürfte. Ein Thessalier namens Aristippos, ein Gastfreund des Kyros, erbittet sich von ihm Geld, um gegen politische Gegner in der Heimat vorzugehen. Kyros verdoppelt leichthin die geforderte Summe und fordert Aristippos auf, den Konflikt ruhig so lange am Brodeln zu halten, bis er seiner bedürfe. Wer im eigenen Land nicht genug Rückhalt hat, den können ein paar mit ausländischem Geld bezahlte Schläger rasch politisches Gewicht verleihen. Die Rebellen des einen sind bekanntlich immer die Freiheitskämpfer des anderen. Und dass solche Konflikte nicht wirklich einer Lösung zustreben, sondern so lange dauern, wie es den ausländischen Geldgebern recht ist, kennt man auch aus anderen Zeiten. Andere Söldnerführer – Sophainetos aus Stymphalos, Proxenos aus Böotien und einen Sokrates aus Achäa – lässt Kyros direkt in seinem Namen Söldner anwerben. Dem einen erzählt er, es ginge gegen die unruhigen Bergstämme Pisidiens, dem anderen, dass er sie zur Unterstützung der milesischen Exilanten brauche. Auch der Markt für Söldner kennt irreführende Werbung und Lockangebote. All diese politischen Abenteurer, Profisöldner und Heimatlosen aktiviert Kyros nun, als er die Stunde gekommen sieht, um die Auseinandersetzung mit seinem BruderAtaxerxes zu suchen. Auch die Spartaner erinnern sich ihres Wohltäters und entsenden siebenhundert Hopliten zur Unterstützung des königlichen Rebellen.