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Das Jahr 1938 hat mit einer großen Aufregung angefangen, davon muß ich unbedingt erzählen.

Am 25. Jänner hat nämlich in unserer Wohnung die Feuerglocke geläutet. Mein Vater ist ja bei der Freiwilligen Feuerwehr und wenn es irgendwo in der Umgebung brennt, muß er sofort alles stehen und liegen lassen, seine Uniform anziehen und zum Feuerwehrdepot rennen, wo der Löschwagen mit allen Spritzen und Leitern steht und wo sich bei Alarm alle Feuerwehrmänner einfinden müssen. Aus allen Richtungen laufen die Männer herbei und kommen ganz abgehetzt beim Feuerwehrdepot an, manche setzen sich erst beim Laufen ihren Helm auf und machen die Knöpfe an ihrer Jacke zu. Alles muß ja ganz schnell gehen, sonst ist das brennende Haus oder die brennende Scheune nicht mehr zu retten. In rasender Eile müssen dann die Schläuche gelegt und mit den Wasserpumpen verbunden werden, die Feuerwehrmänner können das sehr gut, denn sie haben das schon oft, wenn es gar nicht gebrannt hat, geprobt.

Wie der Alarm losgegangen ist, bin ich schon im Bett gelegen, weil ich so müde gewesen bin. Es hat nämlich im Jänner sehr viel wunderschönen Schnee gegeben, alles war tief verschneit, die Straßen waren verweht und die Autobusse und unsere Lokalbahn sind im Schnee stekkengeblieben. Die Erwachsenen haben sich geärgert, aber wir Kinder haben uns gefreut, denn wir haben zwei Tage schulfrei gehabt, weil die Wege freigeschaufelt werden mußten. Vom Rodeln hat uns der viele Schnee aber nicht abgehalten.

Ich bin mit meiner Rodel den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen und erst am späten Nachmittag wieder nach Hause gekommen, wie es schon dunkel geworden ist, habe mein Nachtmahl gegessen und bin dann bald ins Bett gegangen. Nicht einmal zum Lesen habe ich Lust gehabt.

Wie die Feuerglocke zu läuten angefangen hat, bin ich schon beim Einschlafen gewesen, und weil sie nicht aufgehört hat zu läuten, bin ich richtig aufgewacht, bin aus dem Bett gesprungen und habe gerufen: Es brennt! Es brennt!

Dabei habe ich mich schnell angezogen, weil ich mir gedacht habe, daß es vielleicht in der nächsten Umgebung brennt, und so ein großes Ereignis darf man ja auf keinen Fall versäumen.

Schon während ich mich angezogen habe, habe ich den Feuerschein gesehen, der durch die Fenster geleuchtet hat, und wie ich den Vorhang weggezogen habe, war der Himmel ganz rot und in der Richtung zu den Pollauer Bergen ist das Rot noch viel ärger gewesen. Feuer habe ich aber keines gesehen.

In der Wohnung sind alle schon durcheinandergelaufen und Waldi, unser Dackel, hat ununterbrochen gebellt. Mein Vater hat seine Feuerwehruniform angezogen und seinen Helm aufgesetzt und hat gleich darauf das Haus verlassen, und die Mutter hat ihm noch nachgerufen, daß er aufpassen soll, aber er hat es nicht mehr gehört. Auch sie hat durch die Fenster den roten Himmel gesehen und wir alle, sie, ich und die Marschenka, sind über die Stiegen hinunter und auf die Straße hinaus gelaufen. Dort waren schon mehrere Leute unterwegs, die auch das Feuer sehen wollten, und auf dem Stadtplatz waren schon viele versammelt, haben in die Richtung geschaut, in der man den Brand vermutet hat, und alle waren sehr aufgeregt.

Wir haben geglaubt, daß es ein fürchterlich großes Feuer sein muß, doch niemand hat sich erklären können, was da so schrecklich brennt. Hinter den Hausdächern am unteren Stadtplatz, in der Richtung, wo die Schule liegt, ist der Feuerschein blutrot herausgekommen, ich habe schon gedacht, daß die Schule brennt. Der rote Schein hat sich von dort aus über den ganzen Himmel gezogen, alles war rot beleuchtet, die Fensterscheiben haben geglüht und die schönen weißen Haare der Frau Bürgermeister waren rosarot. Einige Leute sind dann weiter über den Stadtplatz hinuntergelaufen, weil sie das Feuer aus der Nähe sehen wollten, und auch ich wollte losrennen, aber meine Mutter hat mich am Arm festgehalten und gesagt, daß man uns dort, wo es brennt, jetzt sicher nicht brauchen kann.

Dann aber hat der Herr Oberlehrer Wessely, der in der Nähe von uns gestanden ist, gesagt, daß das kein irdisches Feuer sein kann, das da brennt. Ein Nordlicht ist es, hat er gesagt, das kann nur ein Nordlicht sein, ein gewöhnliches Feuer ist das nicht, da müßten dort unten ja ganze Stadtteile in Flammen stehen.

Sehen Sie nur diese Farben, hat er gerufen, und es sind jetzt tatsächlich aus dem Rot hinter den Dächern noch gelbe und grünliche Strahlen hervorgeschossen und alles, die Hauswände, der Kirchturm, sogar die Steine am Stadtplatz, hat ausgeschaut wie in Blut getaucht.

Das hat jedenfalls die Frau Lehrerin Karwat gesagt, die immer so gute Vergleiche findet, und die Leute in ihrer Nähe haben genickt und ihr recht gegeben.

Von Blut ist dann auch in den folgenden Tagen häufig die Rede gewesen, als man dann sicher gewußt hat, daß es ein Nordlicht gewesen ist. Es hat nämlich irgendjemand behauptet, daß so eine Himmelserscheinung großes Unglück bedeutet, wie sich angeblich leicht feststellen läßt, wenn man sich in der Geschichte auskennt. Das hat sich sehr schnell in der Stadt herumgesprochen und die Leute in Angst versetzt. Manche haben gemeint, daß uns ein Krieg bevorsteht, und die Männer, die im Weltkrieg gewesen sind, haben sich daran erinnert, wie schrecklich das gewesen ist, was sie erlebt haben. Mehrere Wochen lang hat es in der Stadt kein anderes Gesprächsthema gegeben als das Nordlicht und ob es ein Zeichen dafür ist, daß ein großes Unglück auf uns zukommen wird. Wenn jemand behauptet hat, daß er das alles blödsinnig findet, wie zum Beispiel die Marschenka, hat man ihn nicht ernst genommen.

In den Zeitungen hat man lesen können, daß das Nordlicht nicht nur bei uns beobachtet worden ist und daß sich nicht nur unsere Feuerwehrleute mit ihrem Einsatz blamiert haben. In Brünn sollen zwanzig Feuerwehren ausgerückt sein. Brünn, hat mein Vater gesagt, ist eine große Stadt, wenn man dort an einen Großbrand gedacht hat, muß man sich bei uns für so einen Irrtum wirklich nicht schämen.

Angst, sagt er, brauchen wir keine zu haben. Daß uns ein Unglück bevorstehen soll, ist einfach lächerlich. Wer, hat er gesagt, sollte denn so wahnsinnig sein, einen neuen Krieg anzufangen? Der Krieg, den wir hinter uns haben, war schrecklich genug.

Das letzte Jahr

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