Читать книгу Befreiung durch Gnade - Ina Kleinod - Страница 10

Der Weg des Akram Vignan folgt nach eigenen Angaben einer „effektiven Wissenschaft“, die in ihrem Wahrheitsgehalt auf genauer Erfahrung dessen beruht, was Menschen erkennen. Es wird immer wieder betont, dass Menschen es schlichtweg nicht aus einem Buch „herauslesen“ können, sondern erleben und verinnerlichen müssen. Dabei ist das Wissen des Gnani Purush3 ein in ihm verwirklichtes und erfahrenes Wissen. Etwa wie Licht, ohne dessen Leuchtkraft nichts von dem Gnani zu sehen wäre, oder etwa wie ein unlöschbares Feuer, das – einmal entfacht – weiterbrennt, ohne dass Brennmaterial nachgelegt werden müsste.

Der Gegenstand des Wissens, der Erkenntnis und des Verstehens ist die natürliche Beschaffenheit von Sein, von Selbst oder vom „Lebendigen“, das absolut trennbar ist von allem, was an Persönlichkeit und Weltgeschehen in der großen Schöpfung vorkommt. Sobald ich als Mensch verstehe und erfahre – also weiß – dass ich nicht die Person bin, die ich bisher glaubte zu sein, sondern in übergeordneter Weise ganz und gar Seele, beginne ich, gemäß diesem Wissen zu sein und mich unablässig seiend um meine weltlichen Angelegenheiten zu kümmern. Da es mir dann zunehmend gelingt, aus dieser Perspektive heraus das Leben mehr geschehen zu lassen als durch Wollen zu fixieren, wird auf diesem Akram Weg sowohl von Erfahrung (Leben) als auch von Wissen (Sein) gesprochen. Beides zusammen verschmilzt zu einem reinen Verstehen der Dinge – aller Dinge.

Diese Beschäftigung mit der Erfahrung und Erlangung der Abkopplung des reinen Selbst von der Anhaftung und Verstrickung mit der individualisierten Ausformung physischer Existenz – die wir Leben nennen – ist sehr vergleichbar mit vielen anderen Wegen, über die Menschen seit jeher versucht haben, Freiheit zu finden und letztlich Gott. Dass sich das, was wir Gott oder Seele oder Licht nennen, nicht „irgendwo“ finden lässt, sondern immer schon „da ist“, rückt einer immer größer werdenden Anzahl von Menschen immer näher ins Blickfeld – allerdings scheiden sich hier oft die Geister, weil mehr oder weniger darüber theoretisch gesprochen und geschrieben oder spekuliert wird. Dass Akram Vignan sich selbst als „Experiment“ bezeichnet, kommt der Natur des Vorgangs sehr nahe, weil es für die, die sich entschließen, Gnan zu empfangen, tatsächlich ein Experiment im Wortsinn ist. Und wenn sie Gnan4 empfangen haben, bleibt es auch weiterhin ein Experiment, denn die Empfangenden gewinnen absolute Kenntnis über die Natur ihrer Seele und sind in dieser vollständig um ihr Selbst wissend. Auf der anderen Seite begegnen sie dem Verlauf ihres Lebens, das sich ihnen täglich neu entfaltet, mit Neugier, Freude und Zuversicht, und sie stellen sich in realer Weise allem, was ihrem Karma entspricht. Hier liegt ein tiefes Einverständnis zugrunde, welches an sich schon heilend wirkt.

Auch wenn dieser Weg nicht auf eine spirituelle Schule zugeschnitten ist und auch selbst keine eigene Schule im klassischen Sinne bedeutet, gibt es doch rituelle Formate und praktische Werkzeuge, die für einen Außenstehenden sofort greifbar und nützlich werden können. Dazu gehören die Zeremonie „Gnan Vidhi“ als initiatorische (Er-) Öffnung, der Gnani Purush als Mittler und Zünder, der Satsang als gemeinschaftliches Lernfeld, die 5 Agnas als bewahrende Lehr- oder Leitsätze, die Sangha als sozialer Aspekt, das Studium der Grundlagentexte und die eigene persönliche Praxis eines Lebens in Gleichmut, während das Karma sich abträgt …

Vieles davon lässt sich hin bzw. her übersetzen in östliche und westliche Strömungen, das ist eine gute Nachricht, denn Suchende vieler Richtungen mögen es darüber leichter finden, sich mit ihrer entsprechenden „Vorbildung“ in das Prozedere einzufinden. Letztlich wird es darauf ankommen, die angebotene Möglichkeit darin zu sehen und dafür eine Offenheit zu haben. Neben dem – manchmal irreführenden – Streben nach persönlicher und evolutionärer Entwicklung mag den Suchenden letztlich die pure Sehnsucht nach der Klarheit und Schönheit der freien Seele, die er immer schon ahnte, an diesen Platz bringen, an dem er umstandslos und per sofort ankommen kann.