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Anfang Mai 2016 - Alessia: Rayans Haus - Mit gemischten Gefühlen

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Anstatt sich über das anstehende Wiedersehen mit seinem Schwager Rayan zu freuen, machte sich eine eigenartige Beklemmung in Alex breit. Denn dieser wilde, unrasierte Bursche, den er vom Fenster aus dort unten im Hof gesehen hatte, hatte wenig gemeinsam mit dem zivilisierten Autoliebhaber, mit dem er auf dem Bauernhof seiner Mutter über PS und Technik gefachsimpelt hatte. Mit einem Schlag schienen all die Geschichten, die Carina in ihrem Buch beschrieben hatte, gar nicht mehr so realitätsfern. Alex fröstelte trotz der Hitze.

Nachdem Rayan an der Seite seines Leibwächters im Haus verschwunden war, schaute der Deutsche noch einige Minuten dem Treiben zu, welches sich unten im Hof abspielte.

Alles war gut organisiert. Jeder der Männer schien seine Aufgabe zu haben und so waren allesamt, einschließlich der Pferde, schnell verschwunden und der Hof lag wieder verlassen da. Hätten nicht die Spuren der Hufabdrücke im feinen Kies der Auffahrt das Gegenteil bewiesen, könnte man glauben, der Reitertrupp wäre Alex‘ Fantasie entsprungen.

Der Münchner musste grinsen, als er in diesem Moment zwei Gärtner kommen sah, mit Rechen in den Händen. Sie hatten eindeutig die Aufgabe, die Auffahrt wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Er vermutete, dass die Pferde in die Paddocks gebracht wurden, die er schon am Tag seiner Ankunft gesehen hatte. Die Männer würden sicherlich in einem der Häuser für die Wachposten schlafen, die in allen vier Ecken des Grundstücks strategisch verteilt lagen.

Er überlegte, was er als nächstes tun sollte und entschloss sich, den Stier bei den Hörnern zu packen und Rayan so schnell wie möglich entgegen zu treten. Doch als er unten angekommen war, war von seinem Schwager nichts mehr zu sehen.

Enttäuscht, weil er gehofft hatte, es gleich hinter sich zu bringen, drehte er sich um, um wieder nach oben in sein Zimmer zu gehen. Er erschrak, als wieder einmal wie aus dem Nichts, Jamal hinter ihm stand. Der Haushälter sagte etwas und nur, weil Alex die Szene schon mehrfach erlebt hatte, wusste er, dass dieser ihn gefragt hatte, ob er etwas benötige.

„Wo ist Rayan?“, fragte er auf Englisch. Mehmet hatte ihm verraten, dass Jamal ein kleines bisschen Englisch sprach, weil der vorherige Besitzer des Anwesens Amerikaner gewesen war.

Als der Haushälter sein Gesicht abwertend verzog, wusste Alex, dass der die Frage verstanden hatte. Doch als anschließend eine Schimpftirade auf Arabisch folgte, von der der Deutsche kein Wort verstand, winkte er einfach ab, ließ den Haushälter stehen und ging die Treppe hinauf in sein Zimmer. Er vermutete, dass er sich zu formlos nach seinem Schwager erkundigt hatte.

„Bestimmt war meine Frage ‚unangemessen‘“, kicherte Alex. Doch dann wurde er schnell wieder ernst. Vorher war Jamal nicht ganz so schwierig gewesen, offenbar machte ihn die Anwesenheit des Hausherrn nervös. Das konnte ja noch heiter werden!

Er beschloss, sich ein wenig hinzulegen, man würde ihm schon Bescheid geben, wenn „seine Hoheit“ bereit wäre, ihn zu empfangen. Der Gedanke war ironisch gewesen, wie man das eben sagte, wenn sich jemand für etwas Besseres hielt. Doch auf einmal fiel ihm ein, was Carina gesagt hatte: dass Rayan tatsächlich genau diesen Titel trug! Für die Tarmanen war er ihr König und hatte daher sogar das Recht über Leben und Tod zu entscheiden. Wieder lief es Alex eiskalt den Rücken hinunter und er wünschte sich, er wäre jetzt wie geplant in einem kleinen Hotel irgendwo unerkannt für sich alleine, mitten in der Stadt.


Rayan - Im Licht der Rache

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