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5.1 Symmetrie und Asymmetrie im Konfliktgeschehen

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Zunächst bedürfen die beiden Begriffe – Symmetrie und Asymmetrie – einer Klärung. Unter Symmetrie wird allgemein „Ebenmaß sowie Ausgewogenheit oder die wechselseitige Entsprechung von Teilen in Bezug auf Größe, Form oder Anordnung“ verstanden (Schmidt 2012, S.26). Dagegen lässt sich Asymmetrie als die Abwesenheit dieser wechselseitigen Entsprechung beziehungsweise „den Mangel an Symmetrie“ fassen und als „Ungleichmäßigkeit“ definieren (Schmidt 2012, S.26). Diese kann verschiedene Dimensionen annehmen. So könne ein asymmetrischer Konflikt „als eine Unterschiedlichkeit der Akteure, deren Strategien, Mittel und Methoden als auch ihrer Ressourcen verstanden werden“ (Schmidt 2012, S.29; vgl. auch Feichtinger 2004, S.69). Das Wörterbuch zur Sicherheitspolitik beschreibt asymmetrische Operationen als

„Operationen zwischen Kräften von Gegnern/Kontrahenten, die weitgehend in der Organisationsform, ihren eingesetzten Mitteln und Fähigkeiten und in der technologischen Entwicklung der eingesetzten Mittel nicht übereinstimmen“ (Meier et al. 2003, S.30).

Auf die Bedeutung der Organisationsform der Akteure verweist auch Christopher Daase. Gemäß seiner Argumentation führen verschiedene Vergesellschaftungsformen der Akteure zu unterschiedlichen Konfliktstrukturen und Kriegsformen, die wiederum unterschiedliche Wirkungen auf die Normkonformität zeitigen (vgl. Daase 1999, S.91ff.). So seien Symmetrie und Asymmetrie von Akteuren nicht nur eine Frage militärischer Macht, sondern vorrangig eine der politischen Organisation. Danach führe „eine bestimmte Vergesellschaftung zu einer bestimmten Art der Interessendefinition und einer bestimmten Präferenz hinsichtlich des Konfliktaustragungsmodus“ (Daase 1999, S.93). Ein Staat sei – schon aufgrund seiner Ordnungsstruktur – auf bestimmte nationale Interessen und die Kontrolle von Territorium und Bevölkerung ausgerichtet. Diese versetze ihn zugleich in die Lage, ein stehendes Heer zu unterhalten, welches er – will er dem politischen System nicht nachhaltig schaden – regelgeleitet einzusetzen habe. Dagegen sei ein nichtstaatlicher Akteur, der einen weitaus geringeren Organisationsgrad aufweise und weder über die Kontrolle von Territorium und Bevölkerung noch über ein stehendes Heer verfüge, nicht diesen ordnungspolitischen Zwängen unterworfen. Er müsse sich an keine Regeln und keine konventionelle Kriegsführung halten und könne dies (neben häufig fehlendem konventionellen Kriegsgerät) angesichts fehlender politischer Organisation auch gar nicht.1 Vor diesem Hintergrund liegt eine symmetrische Konfliktstruktur vor, wenn zwei gleich oder ähnlich vergesellschaftete Akteure (z.B. zwei staatliche Akteure) – und damit gleiche oder ähnliche Interessenstrukturen und Präferenzen der Konfliktaustragung – aufeinandertreffen. Eine asymmetrische Konfliktstruktur herrscht dagegen vor, wenn zwei ungleich vergesellschaftete Akteure (staatlicher und nichtstaatlicher Akteur) – und damit divergierende Interessenstrukturen und Präferenzen der Konfliktaustragung – aufeinandertreffen (vgl. Daase 1999, S.93f.).

Bezüglich asymmetrischer Konfliktstrukturen lassen sich verschiedene Konstellationen der Kriegsführung unterscheiden: Asymmetrien der Stärke und Asymmetrien der Schwäche (vgl. Münkler 2006a, S.140f.). Asymmetrien der Stärke resultieren – militärisch betrachtet – aus einer militärorganisatorischen und/oder waffentechnischen Überlegenheit. Im Fokus des Bestrebens steht hier die Gewinnung neuer Räume und Sphären. Das reicht von der Eroberung von Land- und Seeräumen über den Luft- und Weltraum bis hin zur heute dominant werdenden Sphäre des Cyberraums. Ziel dieser Strategie ist die Unverwundbarkeit. Stellt die unterlegende Seite ihre Ansprüche nicht zurück, liegt eine militärische Reaktion auf die Asymmetrie der Stärke in der „Resymmetrierung militärischer Ungleichgewichte“ (Münkler 2006a, S.141). Ein Beispiel hierfür stellen die Rüstungsspiralen zu Zeiten des Kalten Krieges dar. Gelingt diese Strategie angesichts nicht verfügbarer Ressourcen oder divergierender Vergesellschaftungsformen der Akteure nicht, bleibt der unterlegenden Seite – militärisch betrachtet – als Reaktion nur die „Form der strategischen Asymmetrie aus Schwäche“ (Münkler 2006a, S.141; Hervorh. d. Verf.). Ein klassisches Beispiel stellt der Partisanenkrieg dar. In diesem geben sich die Kämpfer nicht als solche zu erkennen, sie operieren aus dem Untergrund, greifen überfallsartig an und tauchen wieder unter. Ziel dieser Strategie ist die Unerkennbarkeit. Mit ihr soll der Krieg räumlich und zeitlich entgrenzt werden, um auf diese Weise die überlegende Seite zu zermürben (vgl. Münkler 2006a, S.141).

Die verschiedenen Konfliktstrukturen und Kriegsformen haben zugleich Auswirkungen auf die Legitimität des (militärischen) Konfliktaustrags. Während sich in symmetrischen Konfliktstrukturen Streitkräfte zumeist staatlicher Konfliktparteien gegenüberstehen, die sich angesichts ihrer Gleichheit der militärischen Organisation und ihrer im Völkerrecht verankerten Regelungen als gleichrangige und legitime Gegner ansehen, stehen sich in asymmetrischen Kriegen Konfliktparteien gegenüber, die sich in ihrer militärisch-strategischen Zielsetzung grundlegend voneinander unterscheiden. Dabei werden asymmetrische Kriege nicht unter den Bedingungen wechselseitiger Anerkennung als iustus hostis geführt, womit auch die Regelungen des humanitären Völkerrechts ihre Bindekraft zu verlieren drohen (vgl. Daase 1999, S.95f.; Münkler 2006a, S.217; Schmidt 2012, S.35).

Die Frage der Normkonformität zeitigt wiederum stabilisierende respektive destabilisierende Konsequenzen. Dementsprechend resümiert Christopher Daase (1999, S.101):

„Wo den Normen und Regeln gemäß gehandelt wird, wie im konventionellen Krieg, dort werden diese Normen und Regeln reproduziert, und diese Reproduktion führt zur Stabilisierung des politischen Systems. Wo Normen gebeugt und Regeln gebrochen werden, wie im unkonventionellen Krieg, dort verlieren sie an Gültigkeit, was zur Destabilisierung des politischen Systems beiträgt.“

Zusammenfassend betrachtet lassen sich asymmetrische Konstellationen der Kriegsführung mittels verschiedener Divergenzkriterien2 näher charakterisieren:

 Akteursdivergenz: Die Akteure weisen in der Regel unterschiedliche Vergesellschaftungsformen auf (staatliche versus nichtstaatliche Akteure, qualitative Divergenz). Dabei sind nichtstaatliche Akteure im Kampf gegen staatliche Streitkräfte stets auch zahlenmäßig unterlegen (quantitative Divergenz).

 Mitteldivergenz: Akteure in asymmetrischen Konstellationen verfügen über ungleiche Mittel. Das umfasst die Menge an Waffensystemen (quantitative Divergenz), aber auch deren Reichweite und Durchschlagskraft (qualitative Divergenz). Dazu gehört auch die Fähigkeit, bestimmte Räume und Sphären (Land, Wasser, Luft, Weltraum, Cyberraum) zu beherrschen. Neben unterschiedlichen technologischen Zugängen ist dies auch differierenden finanziellen Ressourcen geschuldet.

 Strategisch-taktische Divergenz: Während sich in symmetrischen Kriegen gleiche oder ähnliche Militärorganisationen mit vergleichbaren Strategien und Taktiken gegenüberstehen, zeigen asymmetrische Konstellationen deutliche Unterschiede auf (Strategie der Unverwundbarkeit versus Strategie der Unerkennbarkeit).

 Rechtsdivergenz: Reguläre Streitkräfte sind – zumindest in Demokratien – normgebunden und regelgeleitet; sie sind innerstaatlich (in der Regel auf verfassungsrechtlicher Ebene) verankert und unterliegen völkerrechtlichen Regelungen. Demgegenüber stehen die irregulären Kämpferinnen und Kämpfer, die „eigene Handlungs- und Rechtfertigungsmaßstäbe“ (Buciak 2008, S.36) entwickeln und sich in der Regel nicht an die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts gebunden fühlen. Nicht selten führt die Irregularität auch in eine „Rebarbarisierung gewaltsamer Konfliktaustragung“ (Vogt 2008, S.45).

 Legitimationsdivergenz: Während sich die Akteure in symmetrischen Konflikten – und dafür stehen auch die völkerrechtlichen Regelungen – als gleichrangige und legitime Gegner ansehen, sprechen sich Akteure in asymmetrischen Konstellationen gegenseitig ihre Legitimität ab. Das eröffnet dann auch häufig Wege für Instrumentalisierungen ideologischer oder religiöser Art.

Friedens- und Konfliktforschung

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