Читать книгу Die Lavendelgang III - Inge Helm - Страница 10
Kapitel 3
Zwischenlandung auf dem JFK
Оглавление„Oh, là, là!“ Cécile reckte und streckte sich, als ihre Maschine auf dem JFK gelandet war und die Golden Girls sich auf dem Weg ins Flughafengebäude befanden. „Mir tut der gesamte Körper weh. Für die Rückreise nehme ich aber keine Economy Class mehr, das halten meine alten Knochen nicht noch einmal aus. Nach Hause fliege ich auf jeden Fall First Class, auch wenn mich das finanziell an den Rand des Ruins bringt.“
„Du hast vielleicht Ideen“, sagte Julie. „Wir sind doch nicht Krösus, und so viel besser kann der Flug auch auf diese Weise nicht sein!“
„Hast du eine Ahnung! Ich habe mal einen Film gesehen …“
„Pardon, du guckst Kintopp?“ Marie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Qu’est-ce-que tu veux? Die eine oder andere Liebeskomödie braucht mein zartes Gemüt auch hin und wieder.“
„Wie hieß denn der Streifen, der deiner Seele so wohlgetan hat?“
„‚Liebe braucht keine Ferien‘! Da flog Cameron Diaz nämlich Erster Klasse in einem bequemen Bett liegend mit Augenmaske, während ihre Mitstreiterin Kate Winslet genauso eingequetscht wie wir reisen musste.“
„Den habe ich auch gesehen“, meldete sich Julie, „der war wirklich sehr unterhaltsam. Die Meinungen der Kritiker allerdings waren geteilt, sie gingen von gefällig über sympathisch bis hin zu konventionell …“
„Also, ich finde, dass er eine liebevolle Verbeugung der Regisseurin Nancy Meyers vor dem klassischen Hollywood-Kino darstellte,“ fand Marie entschieden. „Ein Film voller Humor, Leidenschaft und Starbesetzung. Schade nur die schlechte Recherche …“
„An welcher Stelle denn?“, wollte Julie wissen.
„Na ja, in einem Gespräch zwischen Kate Winslet und dem neunzigjährigen berühmten Stückeschreiber, den Eli Wallach gespielt hat.“
„Ist das nicht der prächtige Bursche, der in jungen Jahren immer die Bösewichte in den Western spielte, wie zum Beispiel in ‚Die glorreichen Sieben‘?“, fragte Eleni dazwischen.
„Ja“, sagte Marie ungeduldig und fuhr dann fort: „Alors, in dem Gespräch hieß es, dass Cary Grant in Surrey geboren wurde …“
„Das wissen wir doch alle, dass der Schwarm von Generationen von Frauen aus England stammt“, unterbrach Eleni erneut.“
„Das schon“, wusste Marie es mal wieder besser, „aber nicht aus Surrey, sondern er erblickte das Licht der Welt in Bristol.“
„Surrey hin und Bristol her“, sagte Julie da plötzlich, „schaut mal, da vorne gibt es doch tatsächlich ein kleines französisches Café“, und die Golden Girls steuerten erfreut und umgehend quer durch die Abflughalle darauf zu.
„Apropos Film“, nahm Marie den Faden wieder auf, als alle saßen und ihr Croissant mit einem Café au lait vor sich stehen hatten, „die Tatsache, dass wir hier momentan nicht rauskönnen, erinnert mich an Steven Spielbergs ‚Terminal‘.“
„Den Film habe ich ebenfalls gesehen“, teilte Eleni erfreut mit, „und Tom Hanks war in der Hauptrolle einfach großartig!“
„Non, non, c’est trop!“ Cécile sprang überstürzt von ihrem Stuhl hoch und wollte die Flucht ergreifen. „Das ist echt zu viel des Guten! Man könnte meinen, wir sind nur nach Amerika gereist, um uns über Filme zu unterhalten. Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir Margritte wiedersehen, und einige von euch waren scharf darauf, sich von ihrem Beautydoc hier und dort etwas auffrischen zu lassen.“
„Wo willst du hin?“ Julie konnte gerade den nach hinten kippenden Stuhl auffangen und die Freundin noch an einem Ärmelzipfel festhalten.
„Suhlt ihr euch ruhig weiter in Kintopp. Ich gehe ein Stück in die Halle und rufe unsere Doktorin an, um ihr mitzuteilen, dass wir erst zum Apéritif am frühen Nachmittag einfliegen werden.“
„Das kannst du nicht machen“, mahnte Eleni. „Es ist hier doch erst kurz nach vier Uhr früh. Da schläft unsere akademische Freundin noch tief und fest in des Schönheitsdocs … eh … Morpheus’ Armen.“
„Bien sûr.“ Cécile ließ sich resigniert wieder auf ihren Stuhl fallen. „Dann fabuliert ihr mal weiter, ich widme mich jetzt ungestört meinem petit déjeuner.“
„Der Film ist auch nicht von Hitchcock“, sagte Marie tröstend und machte die Freundinnen weiter mit der Geschichte des Viktor Navorski bekannt. „Tom Hanks spielte einen Besucher aus einem fiktiven osteuropäischen Land, der auf dem Flughafen JFK landete, während in ‚Krakosien‘ ein Bürgerkrieg ausbrach und sein Heimatland von den Vereinigten Staaten nicht mehr diplomatisch anerkannt wurde. Da sein Pass damit nun ungültig war, verhinderte die amerikanische Bürokratie eine Einreise in die USA ebenso wie einen Rückflug, und er war nun im Flughafen-Terminal gefangen.“
„Das trifft ja nun ganz und gar nicht auf uns zu“, bemerkte Cécile kauend.
Doch Marie fuhr unbeirrt fort: „Und so richtete er sich für die fast neunmonatige Wartezeit dort häuslich ein und verliebte sich vorübergehend in die Flugbegleiterin ‚Amalia‘ …“
„… die von Catherine Zeta-Jones verkörpert wurde“, erinnerte sich Eleni.
Da hob Cécile plötzlich interessiert den Kopf. „Diesmal kann ich auch etwas dazu beitragen.“
„Ach nee, sag bloß“, warf Marie spöttisch ein.
„Alors, bereits in den Neunzigern habe ich davon gehört.“ Cécile war plötzlich hellwach. „Und zwar basiert der Film lose auf der Geschichte eines Iraners namens Nasseri, glaube ich, der von August 1988 bis August 2006 auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle lebte.“
„C’est vrais“, fiel Julie da ein, „je me rends compte …“
„Pardon?“ Marie und Eleni sahen sie fragend an.
„Na ja, Cécile hat recht. 1993 wurde Nasseris Schicksal bereits in der französischen Komödie Die vom Himmel Gefallenen verarbeitet.“
„Exactement“, bestätigte Cécile, „euer Spielberg hat die Geschichte dann nur in die Vereinigten Staaten verlegt, wo nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Misstrauen gegenüber Einwanderern, dank G. W. Bush, erheblich zugenommen hatte. In seinem Film ging er ganz offensichtlich auf Distanz zur Politik der Abschottung und bezog Stellung für eine offene Gesellschaft.“
„Und Donald Trump hat nichts daraus gelernt, im Gegenteil, er treibt es nun auf die Spitze“, stellte Julie ernüchtert fest.
„Genau“, sagte Marie etwas verschnupft. „Wenn ihr schon alles wisst, dann gehe ich jetzt telefonieren!“
Die anderen lachten. „Haha, mit wem denn?“
„Mit meinem Sohn in Deutschland. Dort ist es bereits zehn Uhr morgens, und er sitzt mit Sicherheit schon hinter seinem Schreibtisch!“
Julie legte den Arm um die Schulter der Freundin und drückte sie kurz. „Das finde ich aber nett, dass du ihm unsere gute Ankunft in den USA mitteilen willst.“
„Na ja“, lächelte Marie, „eigentlich wollte ich ihm vor allen Dingen von unserem Fehlstart in Nizza erzählen.“
Kaum hatte sie Stephans Stimme am Ohr, sagte er gleich kurz angebunden, aber nicht unfreundlich: „Hallo, Mama. Seid ihr gut angekommen oder gibt es etwas Besonderes? Beschränke dich bitte auf das Wesentliche, ich bin gerade in einem Meeting.“
Marie versuchte in wenigen Sätzen Nebel und Situation im Flieger mit leichtem Pathos zu beschreiben, dann war das Gespräch zu Ende. Und schon bestürmten sie die anderen.
„Was hat er gesagt? Hat er sich Sorgen gemacht? Er ist sicher froh, dass du gut gelandet bist.“
Die Freundin winkte ernüchtert ab. „Stephan konnte ich mit den Rauchschwaden in der Kabine nicht vom Hocker reißen“, sagte sie enttäuscht, „immerhin hat er schon mal eine richtige Notlandung mitgemacht. Im Anflug auf London ließ sich das Fahrgestell nicht richtig ausfahren, und so mussten sie erst einmal in mehreren Rundflügen oben den überschüssigen Treibstoff loswerden. Ein Schaumteppich unten sollte die Landung sanft abfangen, und für weitere Maschinen wurde der gesamte Flugplatz gesperrt. Die Passagiere bekamen die Order, sämtliche falschen Körperteile abzulegen und Zahnprothesen herauszunehmen. ‚Musstet ihr das auch?‘ – ‚Nö‘. – ‚Dann wart ihr auch nicht ernsthaft in Gefahr.‘ Und damit war die Luft raus aus der Dramatik unserer Todesangst“, beendete Marie geknickt.
Cécile lachte herzhaft. „Was hast du erwartet, chérie, bei drin gebliebenen Kauhilfen und nicht ‚abben‘ künstlichen Gliedmaßen!? Musst du deinen Sohn doch verstehen, n’est-ce pas?“
Und dann wurde der Flug nach Los Angeles angekündigt, und die Golden Girls kramten ihr Handgepäck zusammen, um sich in der richtigen Schlange einzureihen.