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Vorweg
So etwas wie eine Einleitung

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Ich weiß, was Sie jetzt denken: Einleitungen sind doch stinklangweilig. Das mag in den meisten Fällen ja vielleicht zutreffen, aber meine Einleitung ist nötig; denn wenn Sie Folge eins und Folge zwei der Lavendelgang nicht gelesen haben, dann muss ich ihnen doch unsere turbulente provençalische Wohngemeinschaft sechzig plus mit ihren fünf internationalen Golden Girls und allem, was da so an vierbeinigen Mitbewohnern herumkreucht und fleucht vorstellen.

Ach, du liebes bisschen, werden Sie erschreckt sagen, schon wieder so ’ne langweilige Alten-WG!

Na, wir werden sehen, urteilen Sie lieber später.

Zuerst einmal die Wirkstätte des Zusammenlebens: Ein typisch französisches Landhaus, ein unter Pinien, zwischen Weinbergen und Lavendelfeldern liegendes und von einem parkähnlichen Garten umschlossenes, sogenanntes ‚Mas‘. Auf der Rückseite mit kleinen quadratischen Fensteröffnungen in dicken Mauern, auf der Vorderseite hingegen große Glastüren mit schläfrig wirkenden grünen Schlagläden, die im Sommer die brütende Hitze draußen halten. Auf der Terrasse Steinputten, die Blumenkörbchen tragen, davor la piscine, ein türkis gekachelter, erfrischender Swimmingpool, zwei rosenumrankte Sitzplätze – einer davon mit Herd und offenem Kamin –, an denen sich die südlichen Tage gemeinsam bei einem köstlichen dîner und samtenen Rotwein bis spät in die Nacht draußen genießen lassen.

Ein früher Abend dunkelt langsam herauf. Die Luft ist erfüllt mit trägem Vogelgezwitscher, Zikaden stimmen ihr Nachtlied an, die Blätter der Laubbäume und -büsche seufzen leise, und hin und wieder klatscht ein riesiger Pinienzapfen in la piscine.

Durch die geöffnete gläserne Schiebetür der Küche dringt wütendes Tellergeklapper nach draußen. Dort misshandelt die Pariserin Julie das Geschirr, weil ausgerechnet sie heute mit Abwasch dran ist. „’allo, ma chère“, mahnt Malerin Cécile lachend, „attention, s’il vous plaît. Das altehrwürdige Porzellan meiner Großmutter kann doch nichts dafür, dass die neue Spülmaschine erst morgen geliefert wird!“ Unsere Provençalin ist nämlich die eigentliche Hauseigentümerin des Mas „Les Genets“.

C’est terrible“, ruft Eleni zustimmend, „und wenn wir nachher Scherben im Mülleimer finden, dann waren es mal wieder Maries Dackel Felix und Lieschen oder mein Promenaden-Potpourri Klein-Diogenes, den ich eigenhändig aus einer alten Tonne in Athens Straßen befreit habe.“

Unsere griechische Freundin hat recht. Die Hunde haben bei uns immer an allem Schuld. Sie zerdeppern Tassen und Teller, sie verbrauchen allen Zucker und den ganzen Kaffee, leeren Wurst- und Käseteller, verbummeln ständig Haus- und Autoschlüssel oder verkramen sämtliche Handys der Golden Girls.

„Unser verwilderter Garten braucht dringend einen Friseur“, meldet sich die rassige Franca mit der typisch römischen Nase zu Wort, während sie langsam ihre letzten Bahnen durch den Pool zieht.

„Vor zwei Wochen habe ich mir einen Kostenvoranschlag vom Gärtner in Gordes machen lassen“, winkt Cécile nachlässig ab.

„Stimmt“, springe ich ihr zur Seite, „und nachdem wir die Endsumme gelesen haben, finden wir unsere verwilderte Umgebung ausgesprochen reizvoll und urwüchsig …“

„… denn urwüchsige Reize kann man guten Gewissens gegen jedermann vertreten, aber verwilderte …?“ Unsere Provençalin verdreht die Augen gen Himmel.

Franca lacht, geht unter und verschluckt vor lauter Fröhlichkeit den halben Pool. Hustend und sich abfrottierend kommt sie zu den anderen, die auf den Treppenstufen zur Küche sitzen. Mascotte, Céciles schwarz-weiße Haustigerin, rollt sich auf dem Schoß ihres Frauchens schnurrend zusammen. Sie duftet nach geklautem Fisch aus Nachbars Katzenfressnapf, und die anderen rücken leicht naserümpfend etwas zur Seite.

So, nun kennen Sie alle Bewohner unserer Wohngemeinschaft in der Haute Provence … oh non, mon Dieu, etwas habe ich ja total vergessen: mich selbst. Ich heiße Marie, bin die deutsche Freundin von Cécile, Julie, Franca und Eleni, und die Idee, eine Frauen-WG in der Provence zu gründen, entstand gemeinsam an meinem fünfundsechzigsten Geburtstag in Good Old Germany.

Außerdem sollte ich vielleicht auch noch an die Spinnen, Mücken, Mäuse, Ameisen und die niedlichen Igel denken, die unseren Zoo leider immer wieder mit frischen Flöhen beglücken, nicht zu vergessen die stechfreudigen Skorpione, deretwegen wir immer bei schlechtem Wetter morgens unsere Schuhe ausschütten müssen, bevor wir hineinsteigen.

Und hin und wieder streicht auch der eine oder andere Fuchs in der Frühe über unsere Terrasse. Dann wird Cécile ganz hysterisch, wenn Mascotte noch nicht wieder im Haus ist. Dabei glauben wir anderen nicht, dass so ein hübscher rotblonder Meister Renard auf Katzenjagd geht, allein schon wegen der krallenbewehrten Ohrfeigen, die er sich dann einhandeln würde!

Jetzt sind Sie sicher verwirrt ob all der vielen Bewohner in unserer Gemeinschaft, aber langweilig wird es nie. Bei uns ist immer etwas los: wenn sich zum Beispiel die Dackel unter dem Zaun zum angrenzenden Grundstück durchbuddeln und dort Basilikum, Rosmarin und Co. bewässern, sodass im Wiederholungsfall der Nachbar mit der Erschießung aller Vierbeiner droht, besonders nachdem sich Mascotte in der vergangenen Mondscheinsaison mit seinem wertvollen Perserkater eingelassen hat und später sein altersschwaches Louis-quinze-Bett mit dem Katzenkreißsaal verwechselt und wir fünf ‚goldenen‘ Mädels alle Hände voll zu tun haben, ihn daran zu hindern, das vierfache Malheur zu ersäufen. Seitdem quietscht, faucht und tobt die Katzenjugend durch unser Haus, zieht Diogenes am Schwänzchen, stiehlt den Dackeln das Fresschen, und einzig Mascotte, ihrer Mutter mit dem losen Lebenswandel, zollen sie Respekt.

Nebenbei klau… äh … sammeln wir Feigen in Wald und Plantagen, fertigen daraus eine feine Konfitüre nach einem alten Rezept von Céciles Großmutter und verkaufen sie, eingeweckt in hübsche Gläser mit selbst gemachten Etiketten, auf allen provençalischen Märkten, wobei uns später eine kleine, feine Manufaktur das Rezept abkaufen wird und wir zu neuen Ufern starten können.

Vor zwei Wochen war ein Reporter einer größeren Zeitung aus Avignon da, weil wir inzwischen ein hübsches Buch aus unserer Geschichte gemacht – Die Lavendelgang – und mit Erfolg veröffentlicht haben.

Er bezeichnete unsere Golden-Girls-WG als einen Ort, an dem man alles findet, was nicht aussterben dürfe: jung gebliebene, lebendige Menschen und Tiere, die allesamt äußerst charmant, fröhlich und liebenswert seien. Wir fühlten uns sehr geschmeichelt, denn der Artikel wäre bestimmt anders ausgefallen, hätte Cécile nicht ihren besten Rotwein aus dem Keller geholt und versprochen, die Reinigung seiner durch zwölf Hundepfoten von Matsch verdreckten Kleidung zu übernehmen.

Kaum veröffentlicht, wurden wir von einer großen Kosmetikfirma zu einer Fahrt an die Côte d’Azur und nach Grasse eingeladen, verbunden mit dem Angebot einer Immobilienfirma, die uns dort unten Ferienwohnungen mit sagenhaftem Ausblick auf die Drehorte zu dem alten Hitchcock-Film „Über den Dächern von Nizza“ in Aussicht stellte.

Leider entpuppte sich das Ganze als betrügerische Verkaufsveranstaltung. Und jetzt dürfen Sie mal raten, wer die Gangster dingfest machte …

Und, voilá!, hatten wir erneut eine ganze Menge Material, um eine Fortsetzung unserer Geschichte zu Papier beziehungsweise in den Computer zu bringen – die Lavendelgang Nummero zwei.

Aber nun muss ich packen. Wir haben nämlich trotz allem auch etwas gewonnen durch die Reise: eine neue Freundin, Dr. Margritte Honoré, pensionierte Ärztin, die nach dem Riviera-Abenteuer durch einen ehemaligen Studienfreund, der heute in Los Angeles eine schicke Schönheitsklinik sein Eigen nennt, ihr Traumhaus in Kalifornien fand.

Heute, ein Jahr später, haben wir beschlossen, unsere Freundin dort zu besuchen, weil erstens unsere Gesichtszüge nun doch anfangen zu entgleisen, zweitens die Erdanziehung auf unsere Luxuskörper immer stärker wirkt und drittens ich, die unverbesserliche Cineastin, hoffe, nach „Über den Dächern von Nizza“ erneut auf den Spuren Alfred Hitchcocks wandeln zu können: am Schauplatz des Folgefilms „Der unsichtbare Dritte“ am Mount Rushmore.

Wünschen Sie uns also Glück. Wer weiß, was passiert, wenn die Golden Girls runderneuert wieder aus dem Jungbrunnen auftauchen.

Ihre Marie

Die Lavendelgang III

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