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Kapitel 4
Ein bisschen Heimat braucht jeder Mensch

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Sie hatten eine rundliche, fröhliche Margritte in Erinnerung, genauso altersgemäß weißhaarig wie die Golden Girls und bequem nachlässig gekleidet – ein Wonneproppen in Pastell. Nun empfing sie am Flughafen in L. A. eine schmale Person mit mahagonifarben gefärbtem schicken Bubikopf in einem auf Figur geschnittenen, eleganten Designer-Modell.

„Da staunt ihr, n’est-ce pas?“, fragte sie auf dem Weg vom Ausgang hin zu ihrem Auto und half den Freundinnen, ihr Gepäck im Kofferraum zu verstauen. „C’est merveilleux. Zwölf Kilo habe ich runter, nur mein Bauch schlägt jetzt ordentlich Falten.“

„Bekommst du bei deinem Doc nicht genug zu essen?“, fragte Marie beunruhigt.

„Hast du eine Ahnung! Wir leben wie die Made im Speck, und jeden zweiten Abend sind wir irgendwo bei Prominenten oder bei irgendwem sonst Wichtigem eingeladen. Was mich nur langsam nervt, ist, dass er auf schlanke, wohlgeformte Gazellen steht und mir unbedingt die überflüssige Haut wegoperieren will. Sie widerstreben einfach seinem Schönheitssinn, behauptet er.“

„Quel idiot!“, klinkte sich Cécile ein, „du könntest doch auch krank sein. Warst du schon mal beim Arzt?“

„Haha.“

Mon Dieu, ich meine natürlich bei einem richtigen Doktor, der sich zur Abwechslung mit deinen inneren Werten befasst anstatt nur mit den äußeren!“

Mais non, pourquoi? Es tut mir doch nichts weh, ich habe bloß keinen Appetit!“ Und dann fiel sie allen vier Golden Girls um den Hals – „ach, Mädels, was bin ich froh, euch endlich wiederzusehen“ – und blieb an Marie, die ihr seit des Côte-d’Azur-Abenteuers besonders nahestand, einen Moment länger hängen, als für ein Wiedersehen üblich war.

Oh, là, là, dachte diese, da stimmt doch was nicht. Das war nicht nur eine Umarmung zur Begrüßung, das war eher wie der Griff nach einem Rettungsanker.

Als dann alle im Auto saßen, sagte Margritte noch: „Ihr wisst ja gar nicht, wie ich mich auf unser Zusammensein freue. Ich habe doch nur noch euch.“

Julie wurde hellhörig. „Und dein Doktor?“

„Ach der …“ Margritte machte eine abwehrende Handbewegung. „Mit dem hält es doch keiner aus. Nur seine reichen Patientinnen, die offensichtlich nicht nur um Verstümmelung buhlen, sondern auch um seine Gunst als Mann. Jetzt weiß ich auch, warum ich unbedingt in sein Haus einziehen sollte – die obere Etage stand ja leer, seit seine vierte Frau ihn verlassen hatte.“

„Ach nee“, klinkte Marie sich ein, „und du solltest nun die fünfte werden.“

„Tu est folle?! Auch wenn ich mich überraschenderweise bis über beide Ohren verliebt hatte, würde ich doch nicht meine komplette Selbstständigkeit aufgeben! Kaum hatte ich mich etwas eingelebt, schaffte er seine langjährige Hilfe ab. Nun war mir der gesamte Haushalt zu Erb und Eigen …“

„Der spinnt wohl!“, fauchte Eleni empört.

„Aber gegen die Entlassung des Gärtners habe ich mich erfolgreich gewehrt!“ Margritte reckte sich zufrieden in die Höhe.

„Ça ne va pas“, sagten Marie und Julie entsetzt, „mach auf der Stelle Schluss mit dem ganzen Theater und verlass diesen eitlen Gockel so schnell wie möglich, dann bekommst du auch sicher wieder Appetit!“

Mais chères amies, wo soll ich denn hin?“ Margritte war plötzlich sehr niedergeschlagen., „Mein Haus in Avignon habe ich verkauft, als ich mich nach Kalifornien in ein neues Leben aufmachte, ich blöde Gans, und fast meine gesamten Möbel, bis auf ein paar besonders wertvolle Antiquitäten. Die habe ich hierher verschiffen lassen. Ein bisschen Heimat braucht doch jeder Mensch.“

Cécile zwinkerte Marie, Julie und Eleni zu. „Da haben wir eine gute Nachricht für dich.“ Die anderen drei nickten zustimmend. „Du kommst einfach mit uns nach Frankreich zurück. Es sieht so aus, als würde Franca in Zukunft mit ihrem Jean in Paris leben wollen, und wir haben ein wunderschönes Appartement in der WG der Golden Girls zu vergeben.“

In Margrittes Gesicht stieg eine leichte Freudenröte. „Und das wollt ihr mir überlassen?“

„Certainement“, antworteten alle vier goldenen Mädels einstimmig.

„Alors“, sagte Margritte da aufgedreht, „wenn das so ist, dann zeige ich euch aber vorher noch ein paar interessante und schöne Sehenswürdigkeiten von Kalifornien.“

„Très bien“, kam es von den vier Freundinnen, „dann fang mal an.“

„Bekanntlich soll ja das Autofahren angeblich eine Ur-Erfahrung von Los Angeles sein“, begann Margritte, „und diese Autokultur hat sogar die Art und Weise beeinflusst, wie die Menschen hier die Welt sehen: fragmentarisch und abgehackt rast die Realität an ihnen vorbei. Eine Realität, in der das Kleine ertrinkt …“

„Oh, là, là!“, staunte Eleni, „ganz schön oberflächlich, diese Amerikaner.“

„Trotzdem fahren wir jetzt ins Mel’s Drive in am Sunset Boulevard, direkt gegenüber dem Walk of Fame, und bestellen einen typisch amerikanischen Cheeseburger mit Salat und Cola …“

„Und den essen wir dann im Auto?“ Julie war entsetzt.

„Non, non“, beruhigte Margritte, „heute setzt man sich drinnen an kleine Tischchen. Und weil ihr ja so kinoaffin seid …“

„Wir nicht“, widersprach Cécile energisch, „nur unsere Marie.“

„Wie dem auch sei“, fuhr Margritte fort, „trotzdem lernt ihr alle heute das Lokal kennen, dessen Filiale im Filmklassiker ‚American Graffiti‘ eine Hauptrolle spielte …“

„Genau“, ergänzte Marie erfreut, „darin stoppten die Kids der Sechzigerjahre bei Mel’s und ließen sich ihre Milchshakes von Blondinen auf Rollschuhen an den offenen Fenstern ihrer Pink Cadillacs servieren.“

„Das war doch damals sicher was für deinen Schönheitsdoc: Bedienung nicht nur zu Hause, sondern auch im Auto“, spöttelte Cécile. „Wo bleibt der eigentlich? Wollte er uns nicht umgehend kennenlernen?“

„Mais oui“, beteuerte Margritte, „wir treffen Antoine nachher in unserem Haus. Er musste erst noch einen Freund vom Flughafen abholen, der spät am Abend hier landen soll.“

„Um nochmal auf den ‚Graffiti‘ zurückzukommen“, unterbrach Marie, „ich erinnere mich, dass der Regisseur George Lucas damit schon in den Siebzigern dem amerikanischen Automobilwahnsinn ein filmisches Denkmal setzte: knutschen, cruisen, essen.“

„Ja ja“, pflichtete ihr Eleni bei, „es gab kaum eine Szene im Film, die nicht im Auto spielte.“

Und Margritte fügte noch hinzu: „Übrigens führte er vier Jahre später ebenfalls Regie bei dem Filmklassiker ‚Krieg der Sterne‘.“ Und bevor Cécile bei so viel Kintopp aufstöhnen konnte, wurden Cheeseburger, Salat und Cola serviert, und die Golden Girls hatten genügend Zeit beim Essen, die Schwarz-Weiß-Fotos von James Dean, Elvis Presley, Frank Sinatra und Co., die die Wände des Lokals im Stil der Sechzigerjahre schmückten, zu bewundern.

„Schaut mal“, sagte Marie kauend, „selbst die Bedienung ist in Sixties-Manier gekleidet.“

„Oui, oui“, bestätigte Julie und nahm einen großen Schluck Cola, „ich fühle mich glatt dans mon vieux temps zurückversetzt.“

„Bei uns hieß das auf gut Deutsch ‚Backfischalter‘“, ergänzte Marie grinsend. Margritte lachte. „Und seit damals, als auch in ganz Europa alles veramerikanisiert wurde, heißt es nun die sonnige Teenager-Zeit.“

Original amerikanischer Cheeseburger

Zutaten (für 4 Cheeseburger): 600 g reines, feines Rinderhack, Salz, Pfeffer, 4 Scheiben Cheeseburger-Schmelzkäse, fein geschnittene Essiggurke, 4–8 dünne Tomatenscheiben, 8 hauchdünne Gemüsezwiebelringe, einige Blatt frischen Eisbergsalat, Senf, Tomatenketchup, 4 Hamburger-Brötchen

1 glühender Holzkohlegrill (zur Not tut es auch eine beschichtete Pfanne)

Zubereitung: Rinderhack mit Pfeffer und Salz würzen, vier flache Hamburger-Scheiben formen und pro Seite jeweils 2–3 Minuten über Holzkohle gar grillen.

Nach dem Wenden je 1 Scheibe Schmelzkäse drauflegen und gut anschmelzen lassen. In der Zwischenzeit die Hamburger-Brötchen auf dem Grill gut antoasten.

Untere Brötchenhälfte mit Senf bestreichen, Burger mit dem Käse drauflegen und jeweils 1 Blatt Eisbergsalat, 2 Zwiebelringe, 1–2 Tomatenscheiben und – nach Geschmack – fein gehackte Essiggurken darüberschichten. Zum Schluss einen Klecks Ketchup auf die obere Brötchenhälfte spritzen, zuklappen, in beide Hände nehmen, Mund weit aufmachen und lustvoll hineinbeißen!

Die Lavendelgang III

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