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Kapitel 3

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In dem Raum war es still. Nur die Lüftungsanlage summte leise. Oder vielleicht war es auch eine der Thermoskannen mit Kaffee auf einem der Tische, die nicht ganz zu war. Es war dunkel, weil die Gardinen vor den Fenstern zugezogen waren. Die anderen an den Tischen um ihn herum wirkten wie dunkle Silhouetten. Nur die Lampe des Beamers leuchtete auf.

Roland Benito hob seine Tasse und nahm einen kleinen Schluck des seiner Meinung nach viel zu dünnen Kaffees. Neues Personal in der Kantine des Polizeipräsidiums? Oder waren das Sparmaßnahmen?

Er sah hoch zu der weißen Leinwand, wo Jørgen Lindt vom PET, dem dänischen Inlandsnachrichten- und Sicherheitsdienst, gerade mit der Fernbedienung zum nächsten Bild weitersprang.

„Diese Grafik zeigt, wie das Zentrum für Terroranalyse, CTA, die Terrorgefahr in Dänemark im Verhältnis zu verschiedenen Gruppierungen einschätzt“, erklärte Jørgen Lindt und ließ den kleinen, roten Lichtpunkt der Fernbedienung um die höchste Säule kreisen, unter der Militanter Islamismus stand. Sein ohnehin schon markantes, mageres Gesicht mit der hohen Stirn und den hervorstehenden Wangenknochen wurde durch das grelle Seitenlicht des Beamers, das auch in den Brillengläsern aufblitzte, noch schärfer.

„Wie daraus hervorgeht, schätzt man, dass die Terrorgefahr typischerweise von Personen und kleineren Gruppen mit einem militant islamistischen Hintergrund ausgeht. Nach deren Überzeugung steht der Islam unter starkem Angriff des Westens. Die Mohammed-Karikaturen, die Außen- und Sicherheitspolitik Dänemarks und das dänische Engagement in der internationalen Koalition gegen die militant islamistische Gruppe IS im Irak haben Dänemark in den Fokus gerückt, sie in ihrem Glauben bestärkt und den Hass und die Rachsucht weiter geschürt.“

„Wie verhält es sich mit Neu-Dänen mit dänischer Staatsbürgerschaft?“, fragte ein Teilnehmer, der am Tisch hinter Roland saß.

Jørgen Lindt richtete den Blick auf den Fragenden und wurde für einen kurzen Moment von dem Licht des Beamers geblendet. Er trat zur Seite.

„Neu-Dänen und Einwanderer der zweiten Generation, die im militant islamistischen Milieu verkehren und Propaganda ausgesetzt werden, stellen eine große Gefahr dar, da man davon ausgeht, dass sie gut in die dänische Gesellschaft integriert sind und sich überall aufhalten können. Wenn sie gleichzeitig Verbindungen zu kriminellen Milieus mit einer hohen Gewaltbereitschaft und Zugang zu Waffen haben, wird die Bedrohung natürlich verstärkt.“

„Wie verbreitet ist dieser Umstand?“

„Schwer zu sagen. Wir schätzen, dass die Propaganda besonders auf sozial ausgegrenzte Jugendliche, denen ein Platz in der Gesellschaft fehlt und die eine Identität suchen, einen radikalisierenden Effekt haben kann. Auch einige Gruppierungen können radikalisierend wirken, das kann ein Gefängnisaufenthalt sein oder Konfliktzonen und kriminelle Bandenmilieus. Radikalisierung findet nicht nur in den Moscheen statt. Sie geschieht überall. In Jugendclubs, Fitnessstudios, auf der Straße und in Cafés. Netzwerke wie die sozialen Medien sind das probateste Mittel, um Sympathisanten und Dschihadisten zu werben. Der IS benutzt das Internet in hohem Maße für seine Propaganda.“

„Gibt es einen Überblick darüber, wie viele ausreisen, um für sie zu kämpfen?“, fragte die weinerliche Stimme einer Frau, die vor Roland saß. Ihre Haare waren rotblond und wuschelig geschnitten. Er hatte sie bei mehreren Gelegenheiten getroffen, als er noch bei der Ostjütländischen Polizei angestellt gewesen war, aber sie hatte ihn heute nicht gegrüßt, sondern ignoriert. Viele der Anwesenden wunderten sich sicher darüber, weshalb Angestellte der Unabhängigen Polizeibehörde überhaupt zu der PET-Besprechung wegen der akuten Terrordrohung gegen Aarhus eingeladen waren. Tatsächlich wunderte Roland sich selbst. Die meisten wussten natürlich, dass die DUP im Falle des Beamten ermittelte, der die tödlichen Schüsse auf den Busfahrer in Aarhus abgegeben hatte. Obwohl noch nicht klar war, was an der Sache dran war, wurde der Beamte nach dem, was in Kopenhagen passiert war, als Held und nicht als Krimineller, gegen den man ermitteln musste, betrachtet. Wieder fühlte Roland sich als Feind abgestempelt und nicht wie ein ehemaliger, gleichwertiger Kollege, der immer noch für die Gerechtigkeit arbeitete.

„Wir schätzen, dass mindestens 115 Personen ausgereist sind, um zu kämpfen. Vielleicht mehr. Circa die Hälfte, meinen wir, schließt sich dem IS an. Meistens handelt es sich um junge, sunnitische Männer.“

„Nur Männer?“

Lindt schüttelte den Kopf und trank aus einem Glas Wasser, ehe er antwortete. „Eine geringere Anzahl Frauen ist ebenfalls aus Dänemark in das Krisengebiet gereist. Leider ist die Tendenz in den letzten paar Jahren gestiegen.“

„Wie viele kommen aus der Umgebung von Aarhus?“

„Wir nehmen an, dass es sich um knapp über dreißig Personen handelt, aber es kann auch jemand sein, den wir nicht kennen. Einige kehren nie zurück. Sie werden im Krieg getötet oder sie schließen sich wie gesagt dem IS an. Unseren Informationen zufolge wurden mindestens neunzehn dieser aus Dänemark Ausgereisten in Syrien oder dem Irak getötet. Die, die nach Hause kommen, behalten wir im Auge, da sie aufgrund des Kampftrainings, das sie möglicherweise absolviert haben, eine besonders große Terrorbedrohung für Dänemark ausmachen und äußerst radikalisierend sein können. Die Terrorgefahr steigt mutmaßlich mit der Anzahl von Personen, die mit Kampferfahrung aus dem Krisengebiet nach Dänemark zurückkehren.“

„Gibt es eine Zahl, um wie viele es geht?“

Jørgen Lindt wandte sich aufmerksam dem Fragenden zu.„Man geht davon aus, dass sich ungefähr die Hälfte der Personen, die ausgereist waren, jetzt gerade in Dänemark befindet.“

„Und wo halten die sich dann auf?“

Die Fragen kamen von verschiedenen Zuhörern. Roland schielte zu seinem Chef, Viktor Enevoldsen, der neben ihm saß, doch der war in das Gespräch vertieft und wartete, die Arme vor der Brust verschränkt, offensichtlich auf die Antwort. Er hatte seinen mittelgrauen, sportlich-eleganten Blazer mit Fischgrätmuster über die Stuhllehne gehängt. Roland hatte Lust, das Gleiche mit seinem nicht ganz so sportlichen zu tun. In dem Raum war es schwül. Er löste den Schlips.

Vor Viktor saßen der Chef für organisierte Kriminalität, Thor Dam, und Vizepolizeidirektor Anker Dahl vom Polizeipräsidium in Aarhus, dessen Gesicht im Licht des Beamers düster aussah. Die kalten, blauen Augen leuchteten. Er zeigte die gleiche reservierte Haltung wie Viktor Enevoldsen mit verschränkten Armen und heruntergezogenen Mundwinkeln. Roland hatte das Gefühl, dass er der Anlass für die Einladung der DUP war. Der Hintergrund könnte sein, dass sie nach den Informationen durch den PET, der vor der erhöhten Terrorgefahr warnte, von gewissen Details bei der Schießerei im Stadtbus absehen und zu dem Schluss kommen sollten, dass es keinen Grund gab, gegen ihren Beamten zu ermitteln. Zum Beispiel das Detail, dass der Busfahrer weder bedrohlich aussah noch bewaffnet gewesen war und Zeugen im Bus berichteten, der Beamte habe ohne Grund geschossen, sobald er eingestiegen war. Sein Kollege, der sich außerhalb des Busses befunden hatte, behauptete, nicht gesehen zu haben, was sich drinnen abspielte. Vielleicht stimmte es. Es half dem Beamten auch nicht gerade, dass er sich auf Facebook hasserfüllt gegen Einwanderer geäußert hatte und kundtat, die neue nationalistische Partei DFD zu unterstützen.

Vielleicht war es angesichts der Umstände nur natürlich, dass sie an der Besprechung teilnahmen. Roland dachte, dass es Anker Dahl dennoch irritiert haben musste, dass Viktor Enevoldsen entschieden hatte, ausgerechnet ihn mitzunehmen, da er sich aufgrund seiner früheren Verbindung zum Polizeipräsidium in Aarhus nicht an der Ermittlung gegen den Beamten beteiligen durfte. Ob es eine bewusste Provokation von Viktors Seite war oder die Tatsache, dass Roland der Einzige war, der im Augenblick keine anderen wichtigen Aufgaben hatte, war schwer zu sagen.

Jørgen Lindt schaltete den Projektor aus, und jemand zog die Vorhänge zurück, sodass das Tageslicht hineinströmte und die, die am nächsten an den Fenstern saßen, blendete. Lindt sah auf den Fragenden herab, der immer noch auf eine Antwort wartete.

„Sie fragen, wo sich die aufhalten, die mit Kampferfahrung zurück nach Hause gekommen sind? Leider geht man davon aus, dass mindestens die Hälfte in militant islamistische Milieus gehen, was eine größere Bedrohung ausmacht, da sie dort einen Sonderstatus erreichen können, der ausgenutzt werden kann, um Radikalisierung und Rekrutierung voranzutreiben. Aber wie gesagt behalten wir sie im Auge.“

„Aber war das dann nicht in Kopenhagen der Fall? Den Gerüchten in der Presse zufolge waren es ja zurückgekehrte Krieger, die die Bomben in den Bussen platziert haben.“

Jørgen Lindt räusperte sich und zog die Blicke auf sich.

„Die Ermittlungen des Vorfalls in Kopenhagen sind noch nicht abgeschlossen. Wir sind uns noch nicht vollständig darüber im Klaren, wer die Bomben gelegt hat und um welche Sprengstoffe es sich überhaupt handelt. Vielleicht war es ein Sprengstoffgürtel, aber wir haben noch nicht alle identifiziert und bisher keinen Täter gefunden. Aber ja, es handelte sich um professionell hergestellte Bomben, meinen unsere Experten.“

„Wie wurden sie in den Bussen platziert, die ja gerade Leute in Sicherheit bringen sollten?“, fragte eine andere barsche Stimme.

„Ich kann mich zu dem konkreten Fall nicht äußern. Wie gesagt sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.“

„Hat die erhöhte Terrorgefahr konkret in Aarhus etwas mit heimgekehrten Kriegern zu tun?“, fragte Anker Dahl. Die blonden Augenbrauen waren zusammengezogen, sodass sie ihm in Kombination mit dem harten, eisblauen Blick einen bestimmten, beinahe grimmigen Ausdruck verliehen.

Ein Stück vor ihm saß der Bürgermeister. Roland konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er vermutete, es war mindestens genauso verkniffen wie das des Vizepolizeidirektors. Sie überlegten sicher beide, wie sie das hier der Bevölkerung erklären sollten. Da hatten sie jede Gelegenheit in den Medien genutzt, hervorzuheben und zu betonen, dass die Situation vollständig unter Kontrolle war, dass es einen guten Dialog mit dem muslimischen Milieu und den Imamen gab, und jetzt das. Ein Terroranschlag wie der in Kopenhagen, mit zehn Toten und sechsmal so vielen Verletzten war vielleicht kurz davor, auch in ihrer Stadt Wirklichkeit zu werden. Die Gefahr eines Terroranschlags auf die Stadt war erhöht. Das Aarhuser Modell bröckelte. Falls die Aarhuser etwas erfahren sollten. Die Besprechung mit dem PET ging in aller Heimlichkeit vonstatten, eben genau damit die Presse nicht davon Wind bekam und das Ganze zu etwas aufbauschte, was es vielleicht überhaupt nicht war. Die Panik war ohnehin schon groß genug. Der Anschlag in Kopenhagen und das, was im Aarhuser Stadtbus passiert war, hatten die Titelseiten erobert und das Thema ersetzt, das bisher für längere Zeit die Schlagzeilen beherrscht hatte. Was war schon ein gestohlener Kinderwagen mit einem Baby gegen einen möglichen Terroranschlag in einem proppenvollen Stadtbus mitten im schlimmsten Berufsverkehr in Aarhus?

„Wir wissen noch nicht, was in dem Stadtbus passiert ist und ob überhaupt die Rede von einem versuchten Terroranschlag sein kann. Aber falls es sich als ein solcher herausstellt, ist es doch naheliegend zu glauben, dass es einen Zusammenhang mit dem gibt, der zur selben Zeit in Kopenhagen verübt wurde. Terroranschläge und Angriffspläne in Europa wurden in den vergangenen Jahren typischerweise von ein bis zwei Personen ohne Erfahrung aus einem Kampfgebiet durchgeführt, die aus eigener Initiative planen, ein symbolträchtiges Ziel mit Schusswaffen anzugreifen. Aber jetzt haben wir ja in letzter Zeit gesehen, dass es Kapazitäten in Dänemark gibt, Terroranschläge mit leicht zugänglichen Waffen wie Stichwaffen, Brandbomben und selbst gemachten Bomben durchzuführen.“

Lindt setzte sich an den Tisch, der vor denen der anderen stand. Daran saß bereits John Stadil, Sektionschef für Terroranalyse beim FE, dem Militärischen Abschirmdienst. Er war während Jørgen Lindts Vortrag schweigsam gewesen und Roland dachte darüber nach, ob er aufgrund seiner militanten Erscheinung hier war, die ihn zu einer guten Rückendeckung machte, oder ob es für seine Anwesenheit in Wirklichkeit einen anderen Grund gab. Er wusste, dass der FE eng mit dem PET an den aktuellen Fällen zusammenarbeitete. Lindt schenkte Kaffee in seine Tasse ein.

„Die Anschläge können spontan oder nach nur kurzer Planungszeit durchgeführt werden. Quellen besagen jedoch, dass etwas Größeres und weitaus Professionelleres im Anzug ist und bald Dänemarks drei größte Städte, Kopenhagen, Odense und Aarhus treffen soll, vielleicht gleichzeitig“, fuhr er fort und stellte die Thermoskanne zurück auf den Tisch. „Ob das, was wir gesehen haben, nur ein einzelner Anschlag oder der Beginn von etwas Größerem war, ist eines der Dinge, die der PET untersucht.“

„Was ist mit chemischen Waffen?“, fragte der Bürgermeister.

„Es gibt Personen, die die Möglichkeit haben, simple Angriffe mit chemischen Stoffen auszuführen, das gilt auch für biologische. Die kann man ja leicht im Internet erwerben. Wir vermuten jedoch, dass Terrorgruppen nicht die Kapazität haben, Anschläge mit radioaktivem oder nuklearem Material in Dänemark durchzuführen.“ Es war John Stadil, der antwortete. Er saß unbeweglich in der gleichen Haltung wie die ganze Zeit. Wie aus Stein gemeißelt.

Eine heisere Stimme ganz hinten im Raum räusperte sich. Roland drehte sich um. Ein junger Mann mit dünnem, rötlichem Spitzbart und rotkariertem Holzfällerhemd mit hochgekrempelten Ärmeln hatte sich gemeldet, als ob er auf der Schulbank säße. Was sie im Augenblick selbstverständlich alle taten. Ein Lederarmband baumelte locker um sein Handgelenk.

„Sie haben vorhin erwähnt, dass fundamentalistische Milieus in steigendem Grad soziale Medien nutzen und gute IT-Kenntnisse haben. Ist unsere IT- und Telefoninfrastruktur in Gefahr? Ein Hackerangriff kann gesellschaftliche Konsequenzen für Dänemark haben.“

Der junge Mann war für eine ganz neu geschaffene Stelle als IT-Experte im Polizeipräsidium angestellt worden, kurz bevor Roland von dort weggegangen war. Es war eine klare Frage ausgerechnet von demjenigen, der im Nationalen Cyber Crime Center, kurz NC3, arbeitete. Sie beschäftigten sich mit Cyberkriminalität und waren eine Einheit der Reichspolizei. Es waren mehrere neue Stellen eingerichtet worden, als beschlossen worden war, dass aufgrund der ständig steigenden IT-Kriminalität jeder Polizeibezirk seinen eigenen lokalen IT-Experten haben sollte. Roland überlegte, ob der junge Mann früher wohl Hacker von Beruf gewesen war. Diese Art Leute brauchte die Polizei am allermeisten. Jemanden, der das Milieu kannte.

„Auch wenn militante islamistische Gruppen versuchen, sich Cyberkapazitäten anzueignen, gehen wir nicht davon aus, dass es Dänemark treffen wird“, beteuerte Jørgen Lindt und sah schnell nach unten, um aus seiner Kaffeetasse zu trinken.

Roland schielte wieder zu Viktor Enevoldsen. Wie konnte sich der PET da so sicher sein nach dem Skandal mit dem größten Hackerfall in der Geschichte Dänemarks letztes Jahr, wo das IT-System der staatlichen Polizei gehackt worden war, was Zugang zu Tausenden von Passwörtern und Login-Daten von Polizisten und den Informationen des Schengen-Systems über gesuchte Personen ermöglicht hatte. Doch Viktor verzog immer noch keine Miene. Eine Weile war es wieder still.

„Haben wir irgendwelche Anhaltspunkte?“, unterbrach Anker Dahl das gleichmäßige Summen der Lüftungsanlage.

„Wir haben einen Namen, aber ob es eine Person, eine Terrorzelle oder etwas völlig anderes ist, konnten wir leider noch nicht ermitteln. Es wird über ein geheimes Netzwerk kommuniziert. Der Name ist SAQR, und beim PET tun wir natürlich, was wir können, um herauszufinden, welche Verbindung zwischen dem Namen und der erhöhten Terrorgefahr besteht. Hierbei können alle Behörden behilflich sein. Wir wollen Sie jedoch alle bitten, aufmerksam zu sein und uns zu informieren, wenn Sie etwas Verdächtiges beobachten. Wir haben Maulwürfe im Milieu, und falls Sie ohne unser Wissen eingreifen, kann das die gesamte Operation gefährden.“

„Wir müssen das hier also ernst nehmen?“, fragte der Bürgermeister.

Jørgen Lindt nickte. „Leider. Wir haben ja bereits gesehen, wozu die Terroristen imstande sind.“

Der Bürgermeister begegnete Anker Dahls Blick und man konnte deutlich die Panik in seinen Augen erkennen.

Roland wollte aufstehen, da die Besprechung vorbei war und die anderen den Raum verließen, aber Viktor Enevoldsen legte eine Hand auf seinen Oberarm und hielt ihn zurück.

„Warte einen Moment, Roland“, flüsterte er und blieb selbst sitzen. Roland setzte sich verwundert.

Als alle anderen draußen waren, schloss Jørgen Lindt die Tür und bat sie, sich oben an den Tisch vor der Leinwand zu setzen, wo auch John Stadil, Thor Dam und Anker Dahl Platz nahmen.

„Na, das ist also der Mann deines Vertrauens“, stellte Lindt fest und reichte Roland die Hand. Stadil tat es ihm gleich. Er erwiderte die schnellen, festen Händedrücke und sah Anker Dahl fragend an, der ihm lediglich ein reserviertes Nicken schenkte.

Lindt setzte sich ihm gegenüber und leitete mit einer kurzen Pause ein, in der er aus seiner Kaffeetasse trank.„Im Lichte dessen, was in Kopenhagen passiert ist, müssen wir abteilungsübergreifend eng zusammenarbeiten. Die Unabhängige Polizeibehörde bekommt einen Sonderauftrag, der selbstverständlich äußerster Geheimhaltung unterliegt. Während der Terroranschläge in Kopenhagen haben zwei Beamte die Passagiere nach draußen in die Busse dirigiert. Niemand, weder bei der Polizei noch bei der Gemeinde, weiß von der Aktion, und die betreffenden Beamten haben wir anschließend nicht identifizieren können.“

„Vielleicht waren es falsche Beamte?“, schlug Roland vor.Lindt nickte und kratzte sich über dem Krawattenknoten am Hals.

„Das ist, was wir herausfinden müssen.“

„Das Busunternehmen muss doch wissen, wer sie angeheuert hat, um bei der Evakuierung zu helfen“, meinte Viktor Enevoldsen.

Jørgen Lindt zuckte bedauernd die Schultern.

„Keiner weiß davon. Wir untersuchen, wo die Busse hergekommen sind. Sie sind natürlich durch die Explosion beide sehr zerstört, aber die Rede ist von Touristenbussen älteren Modells mit Platz für ungefähr 53 Personen pro Bus. Glücklicherweise war keiner der Busse ganz voll. Sie haben wahrscheinlich zum Verkauf gestanden, nachdem sie beim TÜV beanstandet worden waren. Wer sie gekauft hat und von wem wird immer noch untersucht. Aber dass Polizisten – echte oder falsche – vor Ort waren und den Leuten in die Busse halfen, hat dazu beigetragen, dass mehrere sich freiwillig in den Tod haben transportieren lassen.“

Roland und Viktor Enevoldsen sahen sich lange an.

„Ja, Sie verstehen wohl, wie wichtig es ist, dass das nicht in die Medien kommt, solange wir nicht mehr wissen. Wenn niemand mehr wagt, der Polizei zu trauen, dann …“

Roland wurde an den Albtraum Norwegens im Sommer auf Utøya erinnert, wo der Täter eine Polizeiuniform getragen hatte, um Zugang zu der Insel zu erhalten, dicht an seine Opfer heranzukommen und es geschafft hatte, 69 unschuldige junge Menschen zu töten. Wenn es gang und gäbe wurde, Polizeiuniformen für Terror zu benutzen, würde das sowohl die Polizei als auch die Bevölkerung in ein fürchterliches Dilemma bringen.

„Aber wieso einige verhältnismäßig wenige Menschen in Busse führen und sie in die Luft jagen statt direkt in den Bahnhof zu gehen?“, fragte Anker Dahl.

„Gute Frage. Es ist ja jetzt nicht zur Stoßzeit am Hauptbahnhof passiert, aber mein Tipp ist, dass uns die Terroristen zeigen wollen, welche Macht sie haben. Sie haben es nicht eilig. Nächstes Mal wird es vielleicht direkt der Bahnhof oder der Flughafen sein. In Kopenhagen gibt es viele Ziele. Die Bombenexplosionen haben Schäden in Millionenhöhe verursacht. In den umliegenden Gebäuden auf der Kalvebod Brücke wurden mehrere Scheiben eingedrückt und es gab – außer den Verletzten und Toten in den Bussen – auch mehrere Verletzte in den Autos in der Nähe und unter den Passanten.“

John Stadil nickte zu jedem von Jørgen Lindts Worten.

„Diese Bedrohung zu bekämpfen, erfordert eine enge Zusammenarbeit“, fügte er hinzu.

Falkenjagd - Roland Benito-Krimi 10

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