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2 Schlechte Stimmung

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Die schicke Bauhaus-Villa im noblen Köln-Marienburg wirkte weitestgehend verlassen. Schuld war die Extrem-Mittags-Hitze dieser Tage. In der verlagerten die Damen der feineren Gesellschaft ihre wie auch immer gearteten Aktivitäten in die kühlen Räumlichkeiten der opulenten Herbergen. Der standesgemäße Pool im Garten war hierbei ebenfalls eine akzeptable Rückzugsmöglichkeit. Die Männer der Luxusweibchen gingen ihren lukrativen Geschäften nach. Der Reichtum wollte behalten und vermehrt werden! So auch im Hause Blastonk.

Doris hatte ihre sieben Sachen gepackt und frachtfertig platziert. Hierzu nahm sie den Gärtner in die Pflicht, die »Habseligkeiten«, wie Klamotten, Schuhe, Taschen und was sich sonst im Laufe der letzten Jahre angesammelt hatte, vorerst in einen Self-Storage in Köln-Vogelsang zu deponieren. Viel war es nicht, was sie erstaunte. Den Transporter des Gärtners füllten lediglich einige Koffer und zwei edle Reisetaschen aus Leder aus. Die zu rettenden Besitztümer waren sehr überschaubar. Das ärgerte und enttäuschte Doris. Zu wenig für die Ehe mit diesem Honk. Na ja, sei’s drum.

Nachdem sie sich ein Päuschen von der anstrengenden Tätigkeit gegönnt hatte, sollte es an den Tresor des werten Gatten gehen. Hier lagerten die wirklich wertvollen Schätze und die lagen im Fokus des gierigen Weibchens. Die monetären Kostbarkeiten hatte sie sich verdient. An die Konten des Göttergatten kam sie leider nicht heran, lediglich an ihr eigenes Spielgeldkonto, das er monatlich üppig mit 4.000 Euro füllte. Die Kohle durfte sie nach Gusto verschleudern. Doris blickte auf die Armbanduhr – Viertel vor zwölf. Perfekt, sie lag exakt im Zeitplan! Fritz Blastonk würde kaum vor 19.00 Uhr aufschlagen. Genügend Zeit, um sich den Wertsachen im Tresor des Arbeitszimmers zu widmen. Die Kombination hatte sie bereits Wochen zuvor herausbekommen. Der Hellste war der Ehemann nicht. Die Zugangszahlen versteckte er unter der Tastatur des Computers im Home Office. Wie bescheuert!

Doris schlenderte zum Kühlschrank der offenen Wohnküche, schnappte sich eine Flasche Champagner und befreite sie vom Korken. Auf das Glas verzichtete sie und nahm einen gewaltigen Hieb aus der schweren Bouteille. Sie musste grinsen – genauso wie früher, als sie noch nicht Frau Doktor war, sondern Mitarbeiterin eines Nagelstudios in Köln-Ehrenfeld. Fritz hatte sie auf der Venloer Straße aus Versehen angerempelt, mit einer Kiste Wein in den Armen aus einem teuren Weingeschäft. Er ließ vor Schreck den Karton fallen, der Inhalt ging teilweise zu Bruch. Zudem traf die Ecke der gewichtigen Kartonage Doris’ großen Zeh. Er brach – ein Schmerz-Invest mit Zukunftspotenzial. Der Rest war Geschichte. Madame hatte schnell kapiert, dass sie hier einen dicken Fisch an der Angel hatte, den sie so bald nicht wieder vom Haken lassen würde. Der Plan funktionierte: Kurze Zeit später waren sie ein Paar und zwölf Monate danach läuteten die Hochzeitsglocken. Es lief wie am Schnürchen. Die Heirat katapultierte sie in ein Luxusleben, von dem sie vorher nur träumen konnte. Na ja, aus und vorbei. Sei’s drum. Doris hatte die Kuh gemolken und sie würde sich die Scheidung mit einem gewaltigen Batzen Geld vergolden – vom Inhalt des Tresors einmal abgesehen. Sie nahm einen erneuten Schluck aus der Flasche und startete Richtung Arbeitszimmer durch.


Frau Noch-Blastonk rieb sich die Hände. Auf zur großen Hausräumung! Sie schnappte die extra hierfür bereitgestellte Ledertasche, öffnete den Reißverschluss und ging zum Geldschrank. Ein wenig fühlte sich Doris wie einer der Panzerknacker aus den Disney-Comics. Sie hatte keinerlei Bedenken, Fritz zu plündern. Von Unrechtsbewusstsein nicht die geringste Spur. Warum auch, was da im Stahlmonstrum vor ihr in Sachen Barschaften lagerte, war nichts weiter als Schmiergeld. »Böses« Geld, das sie einem neuen und guten Zweck zukommen lassen würde – ihrem Luxusleben. Nach knappen zehn Sekunden stand die schwere Tresortür offen.

Sie fiel über die Wertgegenstände und gebündelten Geldscheinstapel her, wie einst die Heuschrecken das biblische Ägypten heimsuchten. Hektisch stopfte sie alles in die stattliche Lederreisetasche. Kurze Zeit später beulten Schmuck, Uhren, Münzen, Aktien und Bargeld die Tasche erkennbar aus. Der Tresor im Arbeitszimmer hatte sein Leben ausgehaucht. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung ergriff die rachsüchtige Ehefrau. Na also, geht doch!

Erfreulicherweise war der verhasste Ehemann noch in der Firma oder mit dem Kopf zwischen den Titten irgendeiner Schlampe. Egal. Sie freute sich tierisch, dass das Arschloch bald leiden würde, wie er es verdiente. Doris hoffte, dass die Typen der Agentur den Job gut machten, schließlich hatte sie sehr viel Geld investiert. Na ja, die Kohle ihres Mannes dank seines Scheckheftes. Das verlieh der gesamten Aktion noch einmal ein Quantum zusätzliche Würze. Sie musste lachen und fingerte erneut nach dem Champagner, der sie während des Raubzugs begleitete. Hoppla, die Flasche war bereits halb leer. Sie überflog Pi mal Daumen die Summe an Schwarzgeld – rund 250.000 Euro. Den Batzen Mäuse hatte Fritz Blastonk eingeheimst, als er den Auftrag bekam, das Labor des Arbeitgebers neu auszustatten – ein Millionenauftrag! Er organisierte eine Ausschreibung, die auf einen Anbieter maßgeschneidert war. Und der war dafür in hohem Maße dankbar! Doris freute sich diebisch: Fritz, der Korinthenkacker, hatte den Vorgang bis ins letzte Detail schriftlich in einem Notizbuch niedergelegt. Wie blöd konnte man sein?! Sie küsste das kleinformatige Moleskine-Buch und beförderte es ebenfalls in die Ledertasche. Das war ihre Rentenversicherung, damit hatte sie diesen Idioten in der Hand. Er würde es tunlichst vermeiden, zur Polizei zu rennen, denn dann wäre er selber wegen Betruges oder was auch immer dran.


»Was machst du da?«

Doris fuhr erschrocken herum. Unmöglich! Das konnte, das durfte nicht sein! Fritz stand im Türrahmen zum Arbeitszimmer und blickte entgeistert auf die Frau, die dabei war, den Tresor leer zu räumen. Der zweite Blick fiel auf die reichlich gefüllte Reisetasche. Man sah es ihm förmlich an, wie die wenigen Zahnräder im Hirn auf Hochtouren liefen, um die Situation zu analysieren beziehungsweise zu begreifen. Doris war zu keinerlei Reaktion fähig. Was sollte sie tun? Wieso kam der Vollpfosten gerade heute früher aus dem Büro nach Hause? Mist! Ihr Plan musste gelingen! Instinktiv griff sie zur Champagnerflasche und schleuderte sie dem Gatten entgegen. Der war so perplex, dass er sich keinen Zentimeter rühren konnte. Die schwere Flasche traf ihn mit aller Wucht am Kopf. Doris sah, wie die Augen des Ehemannes langsam wegklappten und nur noch das Weiße zu sehen war. Er ging zu Boden. Ein dünnes Blutrinnsal lief ihm von der Stirn ins Gesicht hinein.

Doris Blastonk schnappte die Reisetasche und nahm die Beine in die Hand. Gerade als sie in Höhe ihres Mannes das Büro schnellstens verlassen wollte, packte der den Knöchel der vorbeieilenden Gattin. Verdammt, er kam wieder zu sich. Sie stürzte. Mit einem kräftigen Tritt gegen den Kiefer entkam sie der Umklammerung. Und weiter ging es, den Ort des gewalttätigen Geschehens zu entfliehen. Sie stürmte Richtung Küche. Der Plan war die Flucht über die Terrasse, um den Porsche in der Einfahrt zu erreichen. Im Moment, als Doris den Küchenblock passierte, schoss Fritz Blastonk um die Ecke – das Gesicht wutverzerrt, blutverschmiert und im Kieferbereich angeschwollen. Das ansonsten sanfte und nichtssagende Antlitz ihres Mannes mutierte zur Fratze.

»Du blöde Schlampe. Ich bring dich um!«, schrie der Gatte, dem langsam gewahr wurde, was sich hier abspielte. Mit wirrem Blick fixierte er den Messerblock auf der Kücheninsel, packte das größte Exemplar und hielt es drohend Richtung Doris. Frau Doktors Plan hatte sich schlagartig in Luft aufgelöst. Panisch öffnete sie eine Küchenschublade und zog ein gewaltiges japanisches Kai-Shun-Kochmesser heraus.

»Na komm, du Schlappschwanz. Die Eier hast du nicht«, kreischte sie.

»Ich zerleg dich in deine gierigen Einzelteile! Miststück!« Dabei schaute Dr. Blastonk aus wie Jack Nicholson in Shining, was Doris extrem beunruhigte. Das hatte sie kaum erwartet, dass dieses Weichei aus heiterem Himmel zum Psycho mutierte. Die Situation geriet außer Kontrolle. Der Wichser wollte ihr tatsächlich ans Leder. Verdammt!

Plötzlich legte Fritz das Messer beiseite und die Zornesfalten in seinem bubenhaften Gesicht verschwanden schlagartig.

»Komm schon, lass uns reden. Wir finden einen Weg. Aber den Inhalt des Tresors kann ich dir beim besten Willen nicht überlassen. Zumindest das Geld und mein schwarzes Notizbuch müssen bei mir bleiben.«

Sie hatte keine Lust, klein beizugeben. »Das hättest du wohl gern, du Irrer. Du wolltest mich umbringen!«

»Wer hat denn mit der Flasche nach mir geschmissen?«, konterte Fritz Blastonk empört und beleidigt. Okay, da hatte er nicht unrecht. Trotzdem, so wie sie ihren Mann vor wenigen Augenblicken erlebt hatte, machte er Doris noch immer Angst. Von Vertrauen keinerlei Spur. Tief in ihrem Inneren war sie sicher, dass er sie, ohne mit der Wimper zu zucken, erledigen würde. Oder vielleicht nicht? Mist! Unsicherheit nahm Besitz von ihr. Sollte sie nachgeben? Sie atmete ein. Nein! Sie hatte kaum den ganzen Zinnober veranstaltet, um nun aufzugeben. Das Ding musste sie durchziehen!

»Vergiss es! Du hast mich lange genug an der Nase herumgeführt mit deinen Schlampen, den Affären und den vielen Nächten, in denen du angeblich im Institut gearbeitet hast. Glaubst du, ich bin blöd? Und das Geld hier in der Tasche«, sie tippte mit dem asiatischen Messer darauf, »habe ich mir mehr als verdient. Sieh es Vorabentschädigung für das miese Verhalten deinerseits. Und denke ja nicht, dass ich mich nicht abgesichert hätte. Sollte mir die kleinste Kleinigkeit passieren, wanderst du in den Knast.«

»Du bluffst. So clever bist du nicht«, giftete Blastonk zurück. »Also, her mit der Tasche und wir vergessen das Ganze.«

Das war kaum glaubhaft, da er, noch ehe er das letzte Wort gesprochen hatte, sehr diskret wieder zum Messer griff. Ihr entging das nicht und sie umfasste ihrerseits das Küchenbeil sowie die Reisetasche eine Spur fester. Sie waren beide in einer Art Pattsituation gefangen. Doris überlegte kurz, dass es Zeit für den Pfiff eines Schiedsrichters wäre. Wie bescheuert, dachte sie, was einem in solchen Umständen für blöde Gedanken kamen. Frau Blastonk entschloss, die Flucht anzutreten. Sie musste es nur ins Auto schaffen. Dämlich bloß, dass dieser Jack Nicholson für Arme den Weg in ein unbeschwertes Leben versperrte.

Und dann passierte etwas völlig Unerwartetes. Ohne Vorwarnung hechtete der Herr Doktor mit dem Messer voraus diagonal über den Küchenblock Richtung Doris. Und da war auch wieder der irre Gesichtsausdruck in seinem unerfreulichen Gesicht zu erkennen. Er meinte es ernst – todernst! Doris wurde gewahr, dass nun ihr Stündlein geschlagen hatte. Sie verharrte regungslos, zu keiner Bewegung fähig. Langsam schloss sie die Augen.

Froschkönige

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