Читать книгу Zaubermaus - Ingo Schorler - Страница 11
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Heute verschlug es mich in ein riesiges Zirkuszelt. Doch leider sah ich dieses Mal nicht gerade hübsch aus, irgendwie war ich vollkommen bunt. Ich schaute in einen Spiegel und dachte mir: „Na toll, ich als Clown!“ Was das schon wieder sollte.
Plötzlich hörte ich eine strenge Stimme rufen: „Koko, los raus! Unterhalte das Publikum und nimm bitte Mango mit, bringt endlich das Publikum zum Lachen!“
Nun ja, was blieb mir schon großartig übrig, als in die Manege zu gehen. Nur Mango hatte anscheinend keine Lust, mitzukommen, also schubste ich ihn einfach und gab ihm dabei einen kräftigen Tritt in seinen Allerwertesten! Oh, oh, das war wohl keine gute Idee. Er kam wutentbrannt auf mich zu, packte mich und warf mich im hohen Bogen ins Publikum. Das Publikum kreischte vor Freude. Nur Mango konnte darüber nicht lachen, ich schaute in seine Augen. Sie waren kalt und voller Hass. Warum war Mango nur so? Ich musste sein Vertrauen gewinnen, um herauszufinden, warum er so war.
Eines Abends ging ich noch eine Runde spazieren. Ich bemerkte einen riesigen großen Käfig, der mit einer Plane verhüllt war. Da ich von Haus aus neugierig war, schaute ich kurzerhand darunter. Doch was ich sah, war nicht das, was ich sehen wollte: Im Käfig saß ... Mango! Was sollte das? Warum musste er dort drin sein? Er war doch ... na ja ... ein Mensch wie ich. Leise flüsterte ich: „Mango, ich bin es, Koko.“
Mango sah mich und sagte: „Verschwinde, ich will dir nicht wehtun müssen. Bitte geh!“ Ich verstand das zwar nicht, aber ging weg!
Am nächsten Morgen fand auch schon die nächste Vorstellung mit uns statt, nur Mango hatte mal wieder keine Lust. Ich versuchte alles, doch das ließ ihn kalt. Auch unser Zirkusdirektor fand sein Verhalten nicht gerade toll. Nur wusste er sicherlich genau, warum Mango so war, denn er sperrte ihn schließlich immer bei Nacht ein. Mangos Unmut, in die Manege zu treten, änderte sich auch in den nächsten Tagen nicht. Paul hätte mir sicherlich gut helfen können, Mango zu motivieren, aber der blöde Kerl war ja noch immer wie vom Erdboden verschluckt.
Eines Nachts hatten wir Vollmond. Der Himmel war so hell, dass man keine Lampe brauchte, um seinen Weg zu finden. Ich ging wieder einmal zu Mango und wollte mit ihm reden. Nur dieses Mal hörte ich schon von Weitem Geräusche und ein lautes Stöhnen. Ich hob das Tuch an, das seinen Käfig bedeckte, und was ich sah, schockierte mich zutiefst: Aus dem mürrischen Mango war ein bösartiges Tier geworden. Eine Mischung aus Tier und Mensch. Seine Augen waren voller Hass und Kälte. Nun wusste ich endlich, was los war. Ich, Zaubermaus, war wohl nicht das einzige Wesen auf Erden, dass sich verwandeln konnte. Unbemerkt war der Zirkusdirektor hinter mich getreten, ich hatte ihn trotz meines sensiblen Katzengehörs, über das ich auch in menschlicher Gestalt verfügte, nicht kommen hören. Das wunderte mich sehr. Nun sah der Herr Direktor mich an und sagte: „Geh weg und lass uns in Ruhe. Bitte, geh, ich will nicht, dass dir etwas passiert, Zaubermaus.“
„Ich gehe erst, wenn du mir erzähltest, was passiert ist!“, antwortete ich frech. Ich wollte die Wahrheit wissen, Angst hatte ich keine.
„Mango, mein lieber lieber Mango, mein Sohn, hat sich als Versuchsobjekt zur Verfügung gestellt, um den Profit für unseren Zirkus zu erhöhen, doch leider gab es Komplikationen und das ist aus ihm geworden.“ Der Direktor zeigte auf das unmenschliche Wesen im Käfig. „In Vollmondnächten ist er halb Mensch, halb Tier. Und wir haben Angst, dass er sich auch zu anderen Zeiten verwandeln könnte. Deshalb lebt er hier in diesem Käfig. Eingesperrt wie ein Tier.“
Der Zirkusdirektor sah mich verzweifelt an. „Bitte erlöse ihn und bringe ihn um, bevor er noch irgendwen verletzt. Bitte, bitte, erlöse ihn! Ich kann es nicht, denn er ist ja mein Sohn, ich liebe ihn.“ Die pure Verzweiflung sprach aus seinen Worten.
„Nein, ich werde Mango nicht töten, auf keinen Fall!“
Mango schaute mich nur an und sagte: „Dann kann ich für nichts garantieren!“
Und dann tat der Zirkusdirektor etwas, mit dem ich nie und nimmer gerechnet hätte. Er ging auf Mangos Käfig zu und öffnete die verriegelte Tür.
„Sie können ihn nicht freilassen, das geht nicht gut. Bitte lassen Sie Mango drin!“, rief ich entsetzt. Doch eh ich mich versah, war es passiert. Mango war frei! Als ich ihn nun in voller Größe sah, und er war deutlich größer als sonst, ja, da wurde selbst mir, Zaubermaus, Angst und Bange. All mein Bitten war umsonst gewesen.
Doch der Direktor war komischerweise anscheinend glücklich, da er Mango ihm wohl eine Idee gekommen war. Er lachte – und es hörte sich an, als sein er plötzlich von Sinnen. „Endlich weiß ich, wie du wirklich aussieht. Da hat sich all die Mühe gelohnt, dich zu jagen und zu fangen!“
Ich war entsetzt. War er doch nicht der liebende Vater, den er mir vorgespielt hatte. Wenn jetzt nur Paul an meiner Seite wäre ... Was wurde hier gespielt. Was sollte das Ganze? Was treib der Direktor für ein böses Spiel?
Der Direktor sah mich höhnisch an und sagte: „Du hast doch wohl nicht wirklich geglaubt, dass Mango mein Sohn ist. Hahaha. Theater. Nur Theater.“ Er lachte grausam. „Mango ist meine Kreatur, mein bestes Stück! Ich habe ihn erschaffen. Ich ganz alleine. Hundini, der beste Magier aller Zeiten. Hier und jenseits eures kleinen Verstandes. Hundini, der große Hundini.“
Wahnsinn blitzte in seinen Augen auf. Oh Gott, auf welche Mission war ich hier geschickt worden?
Doch als der Zirkusdirektor Mango zu sich rufen wollte, bäumte der sich auf und ließ all seine Wut raus. Er verpasste dem Direktor eine, sodass der bis zum Zirkuszelt flog. Dort blieb er leblos liegen.
Ich rief Mango zu: „Bitte, tu jetzt nichts, was du später bereuen könntest!“
Doch Mango hörte mich nicht mehr, denn er rannte bereits in Richtung Stadt. Wenn er dort ein Blutbad anrichten würde, dann wär es das Ende für ihn. Er war kein Monster, das spürte ich, er wollte doch nur in Frieden leben. So wie jeder von uns. Ich folgte Mango, um ihn davon abzuhalten, etwas Böses zu tun. Ich musste es versuchen, noch vor Sonnenaufgang musste es mir gelingen, ihn einzuholen. Ich rannte ihm nach, was gar nicht so einfach war, aber ich konnte Mango nicht als Mensch entgegentreten. Das wusste ich. Ich spürte, wie sich mein Körper veränderte. Ich schnitt ihm den Weg ab, sodass ich Mango noch vor der Stadt abfangen konnte, und stellte mich ihm entgegen. Als er mich sah, stand er direkt vor seinem eigenen Spiegelbild. Oje, was hatte mein Herr da oben sich nur dabei gedacht?
Mango rannte auf mich zu. Er fletschte seine riesigen Zähne und wollte mich angreifen, doch er rechnete nicht mit meiner Gegenwehr. Immer wenn er auf mich zukam, verschwand ich und erschien woanders. Ich rief: „Mango, hast du Angst vor mir? Huhu, hier bin ich!“ Doch dadurch wurde er nur noch böser. Langsam merkte ich, dass Mango müder und müder wurde. Ich rief: „Mango, hör jetzt endlich auf, mich zu jagen, du wirst mich nicht bekommen, ich bin es, Koko!“
Plötzlich blieb er stehen.
„Bitte vertrau mir und schau jetzt genau hin, ich verwandle mich zurück in einen Menschen“, beruhigte ich ihn weiter, auch auf die Gefahr hin, dass er mich jetzt angreifen würde. Doch was dann passiert, überraschte selbst mich. Mango verwandelte sich, obwohl der Vollmond noch da war. Ich spürte, dass er in Wirklichkeit kein böses Wesen war. Ich versuchte nun, das Vertrauen von Mango neu zu gewinnen, und erzählte ihm von mir. Natürlich nicht alles, das hätte ja den Rahmen gesprengt.
Daraufhin erzählte auch er mir seine traurige Geschichte. Er hatte sich zum Zirkus begeben, weil er Geld brauchte. „Die ersten Jahre war alles auch ganz normal und gut hier“, berichtete Mango nun sichtlich berührt. „Doch dann starb der alte Direktor und an seine Stelle trat sein Sohn. Sein bitterböser Sohn Fred, der sich von diesem Tag an Hundini nannte. Bald schon hatte der Zirkus kein Geld mehr, weil er alles versoffen und verspielt hatte. Er bat mich um Hilfe.“ Mango schluckte. „Und ich willigte ein, als er sagte, er würde mit mir ein kleines Experiment wagen, damit wieder mehr Leute in den Zirkus kommen würden. Er spritzte mir irgendetwas ... und von diesem Tag an ging es mir schlecht. Irgendetwas war wohl schiefgegangen. Aber was es genau war, konnte ich nicht rausfinden.“ Mango sah mich verzweifelt an. „Bitte glaub mir, ich wollte nur in Frieden leben und keinem Menschen wehtun. Der alte Direktor hat mich auch nicht immer gut behandelt, doch als Clown auftreten wollte ich auch da schon nicht, das ist nichts für mich. Ich mag es nicht, wenn die Leute über mich lachen. Tja, und nun kann ich mich verwandeln, wenn Vollmond ist, das hat Hundini immer ausgenutzt.“
Irgendwie tat Mango mir sehr leid, aber was sollte ich jetzt tun? Ihn zurückschicken zu dem verrückten Direktor? Das ging nicht. Ich beschloss, dass Mango gehen konnte und selber entscheiden sollte, wohin. Allerdings nahm ich ihm ein Versprechen ab. In Vollmondnächten müsste er sich stets versteckt halten und sich niemals andern Menschen nähern. Mango versprach es und zog seiner Wege, denn inzwischen war es Morgen geworden und der Vollmond verschwunden.
Ich hingegen ging zurück zum Zirkus, um zu sehen, ob der große Hundini überhaupt noch lebte. Zu meinem Glück lebte er wirklich noch. Und wie er lebte – er scheuchte seine Leute wie gewohnt herum. Nur ein blaues Auge zeugte von der nächtlichen Auseinandersetzung mit Mango. Dann sah er mich. „He, Koko, zieh dich um und unterhalte das Publikum! Aber zack zack!“
Ich ging zu ihm hin und sagte, er könne mich mal. Ich hoffte nur, dass nie wieder auch nur einer seine Zirkusvorstellungen besuchen würde. Und als ob mich mein alter Herr dort oben im Katzenhimmel erhört hätte, ging der Zirkus tatsächlich wenige Wochen später pleite. Der Direktor musste aufgeben und irgendwo als Tellerwäscher anfangen. Jetzt war es aus mit dem großen Hundini und ich freute mich sichtlich darüber. Ihr könnt euch vorstellen, dass er nun spürte, was es hießt, rumgeschubst zu werden. Auch dafür hatte mein Boss gesorgt. Doch meine Gedanken waren bei Mango. Ich hoffte nur, dass er sein Versprechen auch halten würde. Und auf mich wartet allerdings schon wieder ein neuer Auftrag!