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Paul war megaglücklich darüber, dass ich wieder bei ihm war, er war sogar so glücklich, dass er gleich ein schönes altes Auto kaufte. Nun ja, als ich das Auto sah, sagte ich nur: „Oh mein Gott!“ Aber immerhin fuhr es ... und das war wichtig, denn unser erster neuer Auftrag führte uns direkt in ein Krankenhaus.
Paul hatte hier das Amt eines Seelsorgers inne, denn bei unseren Aufträgen auf Erden konnten wir ja schließlich nur in Menschen- und nicht in Tiergestalt auftreten. Ich, Zaubermaus, war dieses Mal als Ärztin unterwegs. Bei meiner ersten Visite im Krankenhaus kam ich auf die Station, auf der Leute lagen, die auf ein neues Herz oder andere Organe warteten.
Ein Mensch fiel mir dort gleich ganz besonders auf, es war ein junger Mann, der seit Monaten an einer Maschine hing – seinem künstlichen Herzen. An seinem Bett saß eine junge Frau und hielt die Hand des Mannes ganz fest. Sie weinte, ihre Augen waren schon ganz rot vom vielen Weinen. Als die Frau mich sah, fragte sie sogleich, ob denn das Spenderherz schon eingetroffen wäre. „Es sollte heute per Flugzeug hergebracht werden“, fügte sie nach einem Moment des Schweigens hinzu.
Ich nickte ihr freundlich zu. „Ich kümmere mich sofort darum.“ Dann bat ich Paul, bei dem jungen Paar zu bleiben.
Plötzlich piepste mein Notruffunker an meiner Brusttasche. Ich blickte Paul an, verließ den Raum und kam wenig später mit einer sehr unerfreulichen Nachricht zurück.
„Man berichtete mir gerade, dass das Flugzeug, welches das neue Herz für Ihren Mann bringen sollte, vom Radar verschwunden ist. Keiner weiß, wo es abgeblieben ist. Laut Wetterbericht soll es ein starkes Unwetter gegeben haben. Man vermutet, dass das Flugzeug abgestürzt ist. Aber noch hat der beauftragte Rettungsdienst keine Gewissheit.“
Die junge Frau brach in Tränen aus. Dieses Herz war die letzte Chance für ihren Mann, zu überleben.
Ich wusste sofort, dass ich etwas unternehmen musste und beruhigte die junge Frau: „Noch haben wir Hoffnung, dass alles gut wird.“ Und an Paul gewandt sagte ich: „Paul, gib mir mal die Wagenschlüssel.“
Paul fragte sogleich: „Soll ich mitkommen?“
Doch ich schüttelte den Kopf: „Nein, Paul, du wirst hier gebraucht. Ich muss unbedingt herausfinden, was mit dem Flugzeug passiert ist. Selbst wenn es abgestürzt ist, haben wir noch acht Stunden Zeit, die Box, in der das Herz transportiert wird, zu bergen. Ist es unbeschädigt, können wir trotzdem transplantieren.“
Gerade als ich das Krankenhaus verlassen wollte, piepte mein Funk erneut und ich erhielt die Nachricht, dass das Flugzeug tatsächlich abgestürzt war, es keine Überlebenden gegeben hatte und das Flugzeug vollkommen zerstört war. Ich war verzweifelt und fragte gleich noch einmal nach, doch mein Gesprächspartner bestätigte – aus dem Flugzeuge könne man nichts und niemanden mehr bergen.
Für einen Moment musste ich mich setzen. Wie sollte ich das dem jungen Paar, das doch noch sein ganzes Leben vor sich hatte, beibringen? Ich überlegt, dann fasste ich einen Entschluss. Ich telefonierte sämtliche Krankenhäuser und Organspendeorganisationen ab, die mir in den Sinn kamen. Doch niemand konnte mir helfen. Ich wollte schon aufgeben, da kam erneut eine Nachricht per Pieper. Ich wurde dringend in die Notaufnahme gebeten, da es einen schweren Motorradunfall gegeben hatte und alle nur erdenklichen Kräfte nun gebraucht wurden.
Ich beeilte mich, jetzt ging es um Leben und Tod. Doch als ich den Schwerverletzten auf dem OP-Tisch sah, hatte ich wenig Hoffnung auf sein Überleben. Der Mann war frontal mit einem Lkw kollidiert, der ihm die Vorfahrt genommen und ihn dann noch viele Meter mitgeschliffen hatte. Schon bald mussten wir Ärzte den Hirntod des Mannes feststellen, jede Hilfe war hier zu spät gekommen. Gerade als wir die Maschinen abstellen wollten, an die der Verletzte angeschlossen worden war, rief eine Schwester: „Der junge Mann hat ein Organspendeausweis!“
In der Zwischenzeit war auch die Familie des Mannes eingetroffen. Seine Eltern und seine Frau bestätigten mir und meinen Kollegen, dass es der Wunsch des Mannes gewesen sein, sollte er einmal plötzlich sterben, seine Organe an andere schwer kranke Menschen weiterzugeben. Die Mutter des Mannes, eine Frau um die 70, lächelte bei den Worten: „Nun kann mein Olaf doch noch ein wenig weiterleben.“ Bei diesen Worten hatte sie Tränen in den Augen.
Nachdem die nötigen Untersuchungen gemacht und die notwendigen Formulare ausgefüllt waren, machten sich wir Ärzte uns an die Arbeit, denn nun galt es, das Leben anderer Männer und Frauen zu retten.
Die ersten Untersuchungen bestätigten schließlich meine große Hoffnung, dass sein Herz das richtige für meinen Patienten nur wenige Stationen weiter war. Sogleich überbrachte ich der jungen Frau des herzkranken Mannes die gute Nachricht, die es kaum fassen konnte, dass ihr Mann gleich zweimal das Glück gehabt hatte, ein passendes Spenderherz zu finden.
Und obwohl es eigentlich nicht gewünscht war, bedankte sie sich bald bei der Familie des Verstorbenen und sprach den Angehörigen ihr Beileid aus. Dabei sagte sie: „Sie haben nicht nur mir und meinem Mann geholfen, sondern auch unserem ungeborenen Kind, das sonst sicherlich nie seinen Vater kennengelernt hätte.“
Die Eltern des toten Motorradfahrers und seine Frau drückten die Schwangere und waren nun noch sicherer, mit der Organspende das Richtige getan zu haben.
Nun musste alles ganz schnell gehen. Die folgenden Operationen dauerten Stunden, jeder Handgriff musste sitzen, niemand durfte sich einen Fehler erlauben. Doch die OP verlief gut.
Die junge Frau saß in den folgenden Wochen fast Tag und Nacht am Bett ihres Mannes. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass alles glattgegangen war, sie bedanke sich bei allen, die für die Genesung ihres Mannes gesorgt hatten, herzlich. Ganz besonders auch bei Paul, der ihr in den schwersten Stunden eine wahre Stütze als Seelsorger gewesen war.
Schließlich wurden die Familie des Verstorbenen und die junge Familie, denn inzwischen war das Baby zur Welt gekommen, gute Freunde. Der kleine Junge erhielt den Vornamen Peter-Paul, denn Peter war der Name des Motorradfahrers gewesen. Und Paul? Na, das kann sich sicherlich jeder denken. Jedes Jahr feierten sie den zweiten Geburtstag ihres Mannes und gedachten natürlich auch dem Spender, der auf so tragische Weise sein Leben verloren hatte.
Für Paul und mich aber hieß es: „Auf Wiedersehen“, zu sagen, denn es wartete schon ein neuer Auftrag auf uns.