Читать книгу Zaubermaus - Ingo Schorler - Страница 9

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Endlich waren wir zwei wieder unterwegs, im Autoradio spielten sie ein uraltes Lied, was Paul richtig gut fand. Dass er jedes Mal mitsingen musste, störte mich allerdings schon, denn ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sein tierisches Gekrächze nicht gerade schön war. Endlich kamen wir an unserem Ziel an. Wir standen vor einem großen grauen Haus, das nicht gerade einladend aussah. Wir stiegen aus und klingelten an der Tür.

Die Tür ging auf und vor uns stand eine vollkommen verwirrte und durch den Wind geratene Frau. Sie trug ein Namensschild an der Brust, auf dem Maria stand. Sie bat uns ins Haus, fügte aber gleich hinzu: „Wenn ihr das Haus betretet, müsst ihr euch in acht nehmen.“ Sie hatte es kaum ausgesprochen, da wurden wir schon mit Wasserbomben und Tomaten beschmissen. Paul und ich konnten der Attacke gerade noch so entkommen.

Wir fragten: „Maria, was war das denn?“

Sie antwortete: „Das geht nun schon seit sechs Wochen so, dass die Alten hier verrückt spielen. Dabei werden sie alle gleich behandelt.“

Plötzlich rief einer der Senioren von oben: „Wenn ihr hier nicht gleich wieder verschwindet, werdet ihr es noch bereuen!“

Paul schaute mich fragend an, doch auch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Wieder flogen Wasserbomben und Tomaten auf uns.

Ich schaute zu Maria und fragte sie, was denn passiert sei, dass die Alten so ausgeflippt seien? Doch Maria konnte meine Frage nicht beantworten. Das war alles schon merkwürdig.“Gibt es hier denn nur dich und die älteren Herrschaften?“, fragte ich sie.

„Nein, nein ich bin hier nicht alleine, das würde ich auch gar nicht schaffen“, bemühte sich Maria, schnell zu sagen. „Da ist noch Otto, der ist zuständig für die Ordnung und zum Aufpassen. Und Jupp, das ist der Aufseher. Und dann wäre da noch Schwester Inge. Und jetzt noch ihr zwei! Euch schickt sicher der Himmel!“

So ganz unrecht hatte Maria ja nicht. Irgendwie schickte uns ja tatsächlich der Himmel, wenn es auch nur der Katzenhimmel war. Bald erfuhren wir, dass es unsere Aufgabe war, als Altenpfleger die Bewohner dieses Hauses wieder zur Ruhe zu bringen. Doch wir befanden und in keinem normalen Seniorenheim, sondern in einer ganz besonderen Haftanstalt für Leute, die schon weit über 70 Jahre alt waren, ihre Haftstrafe aber noch nicht ganz verbüßt hatten. Man wollte ihnen hier im Haus einige Dinger leichter machen als in jedem anderen Knast, in dem doch überwiegend jüngere Männer und Frauen saßen. Zuerst war auch alles gut gegangen, doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund waren die Alten plötzlich ausgerastet und ließen nun niemanden mehr in ihre Nähe kommen. So hatte das Gericht nun angeordnet, dass sie in zwei Tagen wieder in ihre alten, ganz normalen Haftanstalten zurückkehren sollten, weil sie die Anforderungen für diese Sonderbehandlung hier im Haus nicht mehr erfüllten.

Paul, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, flüsterte mir zu: „Hier stimmt irgendwas nicht?“

Ja, das hatte ich auch schon bemerkt und nickte ihm zu. Als ich mich umsah, erblickte ich verschiedene Türen, die mit großen Schlössern verhangen waren. Zutritt verboten!, prangerte in großen roten Buchstaben auf Schildern neben der Tür. Als dann noch mir nichts, dir nichts Maria plötzlich verschwunden war, wurde Paul und mir mulmig.

Doch dann rief einer der Senioren, die uns mit Wasserbomben attackiert hatte: „He, ihr zwei Schwachköpfe, was wollt ihr hier?“

Das war für Paul mal wieder zu viel des Guten, er rief zurück: „He, du alter Grufti, so redet man nicht mit uns, und schon gar nicht mit Zaubermaus. Damit das mal klar ist!“

Ein gemeines Lachen war zu hören, dann wieder der Alte: „Kommt rauf, ihr zwei, wir werden euch nichts tun.“

Wir gingen also zu ihm hoch und er bat uns in ein Zimmer. Wir folgten ihm, doch als Paul und ich den Raum betraten, blieb und der Atem stehen und uns traten Tränen in die Augen: Wie konnte man mit älteren Menschen nur so umgehen!

Es stank in diesem Zimmer bestialisch und die alten Leute, rund zwölf an der Zahl, sahen verwahrlost und verlottert aus. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass sie sich seit Wochen nicht mehr hatten waschen können.

Aber das war noch nicht alles. Der alte Mann, der uns nach oben gerufen hatte, öffnet für uns eine der verbotenen Türen. Und dann sahen wir es – das Haus, in dem die älteren Menschen hier wohnten, schien ein riesiges Versuchslabor zu sein. Nun wurde uns einiges klar. Man benutzte die alten Strafgefangenen, um Medikamente zu testen.

„Als wir das herausbekamen, haben wir uns hier oben verbarrikadiert“, erzählte uns der alte Mann, den nun sichtlich bewegt war. „Einige von uns leiden an Alzheimer und Demenz, da haben sie sicherlich gedacht, mit uns könnten sie es machen. Aber ganz so tüdelig sind wir dann doch noch nicht.“

Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln, konnte es kaum fassen. Auch Paul sah sehr bewegt aus.

Dann fuhr der Alte fort: „Ja, und dann hörten, dass sie irgendwelche Leute herholen wollten, die uns zur Vernunft bringen sollten. Wir nehmen mal an, dass ihr das seid.“ Er nickte Paul und mir zu.

Plötzlich stand Maria vor uns, sie war wie aus dem Nichts erschienen, doch sie sah anders aus als zuvor. Ihre Augen waren feuerrot. Sie schrie: „Ich werde es euch zeigen!“

Doch der alte Mann rief: „Das ist nicht unsere Maria, aber wir vermuten, dass auch sie Opfer der Versuche geworden ist.“

Und dann erfuhren Paul und ich, dass Maria immer versucht hatte, den Senioren zu helfen. Sie hatte sie mit Essen versorgt und sich, so gut es ging, um sie gekümmert.

„Erst seit heute ist so anders“, sagte der Alte und fügte hinzu: „Aber nun seid ihr hier. Und wir hoffen, dass ihr auf der guten Seite steht!“

Paul und ich, Zaubermaus, mussten tatsächlich etwas tun, denn dass wir auf der guten Seite standen, war natürlich klar. Wir nahmen Marie, rüttelten und schüttelten sie und sie kam langsam wieder zu klarem Verstand.

Als sie nach einiger Zeit wieder halbwegs klar denken konnte, sagte sie: „Wir müssen die anderen aufhalten. Sie sind heute nicht im Haus, deshalb haben sie mich auch unter Drogen gesetzt, damit ich hier nichts anrichten kann.“ Sie einte. „Die alten Leutchen tun mir so leid. Und ich bin so froh, dass ihr gekommen seid. Ich habe in den letzten Wochen so sehr um Hilfe gebetet.“

Ja, jetzt waren Paul und ich hier und wir würden dem ganzen Treiben nun ein Ende setzen. Wir verständigten die Polizei und als die anderen Pflegekräfte wieder das Haus betraten, sie hatten neue Versuchsmedikamente für die alten Leute besorgt, da erwartete sie eine böse Überraschung, denn die Beamten nahmen die Herrschaften sogleich fest. Zuerst wollten sie auch Maria mitnehmen, doch als die Bewohner des Hauses den Beamten versicherten, dass Maria sich immer gut um sie gekümmert habe, ließen sie davon ab.

Eigentlich wäre nun unser Auftrag hier beendet gewesen, doch Paul und ich konnten unmöglich Maria und die Alten in diesem Chaos alleine lassen. Also packten wir alle kräftig an und schon nach drei Tagen harter Arbeit sah das Seniorenheim nach einem gut geführten Haus aus. Alle hier lebenden Männer und Frauen hatten nun ein eigenes kleines Zimmer mit Bad und eine gute Betreuung, denn Maria hatte ein paar Frauen auftreiben können, die sich gern in den Dienst der guten Sache stellen wollten. Sie alle wollten nun gemeinsam dafür sorge, dass es den alten Strafgefangenen nach dieser schrecklichen Zeit wieder gut ging.

Ach ja, das will ich nicht vergessen, zu erzählen – auch der Gefängnisdirektor wurde übrigens verhaftet. Denn er war der Kopf hinter dieser ganzen Angelegenheit gewesen. Er hatte von der Pharmaindustrie viel Geld für diese über Monate währenden Experimente an den alten Leuten erhalten.

Als Paul und ich schließlich das Haus verließen, wusste, wir, dass in diesem Seniorenheim nun das Glück eingezogen war. Und wir, Paul und ich, Zaubermaus, konnten uns gleich in den nächsten Auftrag stürzen.

Zaubermaus

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