Читать книгу African Queen - Irena Böttcher - Страница 11

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ROBERTSON FRAGTE SICH GERADE, wie er sich um Himmelswillen mit Adetokumbo verständigen sollte, nachdem Obioma nicht mit zurückgekommen war in ihre Hütte. Doch sie plante ersichtlich keine Unterhaltung, sondern gebot ihm stattdessen mit einer unmißverständlichen Geste, wieder auf der Matte Platz zu nehmen, und kramte in einem der Behältnisse, die herumstanden, dieses ein annähernd viereckiges aus Holz mit Schnitzerei, einer Schatztruhe ähnlich.

Soweit er das aus seinem etwas ungeschickten Blickwinkel aus erkennen konnte, war das Kästchen gefüllt mit eng zusammengerollten Lederstücken, zum Teil mit bunten Bastschnüren zusammengebunden.

Eine dieser Rollen holte sie hervor und legte sie mit einer Sorgfalt vor ihm auf die Matte, die an Ehrfurcht grenzte.

Ihre Anweisung war auch in der ihm fremden Sprache ohne weiteres zu verstehen – er sollte die Rolle öffnen.

Achtsam löste er das Band und entrollte das Lederstück, das danach etwa zwei Fuß Breite besaß und über und über mit dunklen, wie eingebrannten Zeichen bedeckt war.

Ungeduldig beugte er sich dicht darüber, um besser sehen zu können, legte dabei seine Hände auf die beiden Querseiten. Sein Herz klopfte so stark, er glaubte, man höre den Rhythmus in der gesamten Hütte. In Gedanken längst verloren in die seltsamen auf das Leder gemalten Worte, registrierte er nur noch am Rande, die dumpfen Schläge stammten nicht von seinem Herzen, sondern von draußen, wahrscheinlich von Trommeln, dann versank seine gesamte Umgebung für ihn vor der kostbaren Entdeckung, die er gerade in Händen hielt.

Er merkte nicht einmal, wie Adetokumbo die Hütte wieder verließ.

Die Zeichen waren ihm vertraut; wenn sie auch weit weniger exakt und gewissenhaft ausgestaltet waren als die auf den steinernen Stelen – so, als habe man sich mit dem vergänglicheren Material nicht ganz dieselbe peinliche Mühe gegeben wie mit den dauerhafteren Steinen.

Mit fahrigen Händen wollte er in seine Brusttasche greifen, in der er immer das kleine Buch von Sophie für seine Notizen getragen hatte. Doch seine Finger stießen auf nackte Haut. Ein kleiner, verärgerter Fluch entfuhr ihm. Er hatte bei seiner Neueinkleidung – peinlich genug in Gegenwart mehrerer völlig nackter Frauen, die über seine furchtbar helle Haut kicherten und untereinander Bemerkungen austauschten, die er nicht verstand – nicht genau darauf geachtet, was mit seinen Sachen geschehen war.

Ohne die Möglichkeit, die Übersetzungen der Schriftzeichen aufzunotieren, die sich in seinem Kopf längst begannen zu bilden, fühlte er sich hilflos. Um nichts in der Welt wollte er allerdings das Studium unterbrechen, um sein Notizbuch zu suchen.

Viele Zeichen und Begriffe verstand er nicht; anders als die Inschriften auf den steinernen Stelen handelte es sich hier nicht um die Abschrift eines Handelsvertrages, sondern um einen anscheinend mythischen Text, und vor allem fehlte ihm die beruhigende Anwesenheit weiterer Sprachen, die er beherrschte, um seine Erkenntnisse kontrollieren zu können.

Mühsam entzifferte er, was er konnte, murmelte dabei leise vor sich hin.

»Zu Anfang war die Göttermutter im …« – hier fehlte ihm ein Begriff; er vermutete, es war das Wort Himmel. »Sie bekam zwei Söhne, Niamye und Anangama, und eine Tochter, Idowu.« Er konnte nur hoffen, die Namen richtig gedeutet zu haben. »Sie schuf die Frauen, die Männer, die Tiere und die Geister.«

Ob es wirklich Geister hieß? Er grübelte; im Handelsvertrag war an einer Stelle die Rede davon gewesen, wie eine Handelskarawane vor bösen Geistern zu schützen sei, damit die Waren unbeschadet an ihrem ägyptischen Bestimmungsort eintrafen. Die Zeichen hier schienen ihm ähnlich, ganz sicher war er sich jedoch nicht.

»Die Menschen« – die Darstellung von zwei stilisierten Frauen, gefolgt von zwei stilisierten Männern konnte nur »Menschen« bedeuten – »die Tiere und die Geister vermehrten sich ständig. Irgendwann wurde es im … (Himmel?) zu eng für alle. Darauf schuf die Göttermutter die … (Erde?) und schickte ihre Tochter Idowu auf die … (Erde?). Sie sollte dort … (nach dem Rechten sehen?). Danach machten Niamye und Anangama eine lange Kette. Daran kletterten Menschen, Tiere und Geistern herab zur Erde, wo Idowu bis heute über sie herrscht.«

Aha – daher stammte also der Ursprung der Annahme, die Frauen seien den Männern überlegen; daher also der Anspruch der Frauen, über die Männer zu herrschen.

Was für ein Widerspruch zur christlichen Lehre vom Vorrang des Mannes!

Kein Wunder, daß die Frauenherrschaft im Laufe der Jahrhunderte, mit der zunehmenden Christianisierung, von der auch die Stämme nicht unberührt geblieben waren, die sich dieser Lehre nicht anschlossen, mehr und mehr zurückgedrängt worden war. Heute existierte sie anscheinend allenfalls noch ganz vereinzelt, wie in diesem Stamm.

Das mochte vor einigen Jahrhunderten noch anders gewesen sein, als die steinernen Stelen entstanden waren, deren Alter man noch nicht genau hatte bestimmen können. Aber seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte der Christianisierungseifer der Europäer nach und nach ganze Schwärme an Missionaren nach Afrika gebracht, und es gab sicher kaum noch einen Stamm, der keine Berührung mit dem Christentum gehabt hatte; mochten sie es nun annehmen oder ablehnen.

Wie war es dem Stamm von Adetokumbo bloß gelungen, sich so lange dieser Strömung zu widersetzen?

Einen Augenblick sah er die Zukunft dieser Menschen vor sich, eine zunehmende Übernahme dessen, was nun einmal die weit überwiegende Mehrheit der Menschen als richtig ansah. Ein Glaube, der unausweichlich mehr und mehr eindringen mußte auch in das Leben hier; durch die ständige Berührung damit in der gesamten Außenwelt, durch die schleichende Eroberung Afrikas durch die zivilisierte Welt und durch die Abhängigkeit von Kontakten mit anderen für den Lebensunterhalt. Der Glaube daran, daß es den Männern bestimmt war, die Wege der Menschheit zu bestimmen, nicht den Frauen.

Etwas wie Wehmut preßte seine Brust zusammen.

Robertson blinzelte, um besser sehen zu können. Er hatte gar nicht bemerkt, wie es langsam immer dunkler geworden war. Stunden mußten vergangen sein, seit Adetokumbo ihm das Leder so feierlich überreicht hatte.

Gerade straffte er seine Glieder, die durch das lange Sitzen in derselben Haltung schmerzhaft steif geworden waren, um draußen jemanden nach einem Licht zu fragen, als sich der Vorhang hob.

Die Frau, die hereinkam, war von einer so atemberaubenden Schönheit, daß er sie einfach nur anstarren konnte.

Sie war sehr groß, fast so groß wie Adetokumbo, dabei jedoch anders als diese gertenschlank. Ihre jungen, festen Brüste ragten beinahe wie spitze Kegel nach vorne, ihre langen Haare hatte sie zu Zöpfen geflochten, die sie mit bunten Perlen geschmückt hatte, ihre dunkle Haut glänzte wie eingeölt, und sie trug nichts anderes als eine Kette aus Holzperlen mit einer fremdartigen bunten Feder in der Mitte um den Hals, und an den Armen ähnlich geartete Bänder. Davon abgesehen war sie, wie alle Frauen hier, vollständig nackt.

Sie trug in der Hand eine kleine Holzschale mit Früchten und einen Lederbecher. Beides stellte sie nun direkt vor seiner Matte ab.

Dabei näherten ihre straffen Brüste sich seinem Gesicht, und als sie sich wieder aufgerichtet hatte, befand sich direkt in seiner Augenhöhe ihre schwarzbehaarte, völlig unbedeckte Scham.

Robertson spürte ein Prickeln in seinem Unterleib, das sich fortsetzte an den glücklicherweise durch das Lendentuch verdeckten Stellen. Das straff um seine Hoden gebundene Seil schien die Wirkung noch zu verstärken.

Verlegen senkte er den Blick.

Ein tiefes, warmes Lachen der dunklen Schönheit verriet ihm, sie hatte dennoch etwas bemerkt. Doch bevor er etwas sagen konnte, war sie wieder verschwunden.

Wie alt mochte sie wohl sein? Ihr Körper war voll ausgebildet, an der Grenze zur vollständigen Reife, wie eine Knospe, die ganz kurz vor dem Aufbrechen steht. Wäre sie eine Engländerin, hätte er sie auf etwa Mitte 20 geschätzt; aber sie war gewiß jünger.

Und weshalb hatte sie ihm etwas zu essen und zu trinken gebracht, so wie es ihre Rolle als Frau auch in Europa mit sich gebracht hätte? Hätte nicht in einem von Frauen regierten Stamm ein Mann diese Aufgabe übernehmen müssen? Oder hatte reine Neugier sie angetrieben? Er hatte längst bemerkt, wie interessiert man im gesamten Stamm auf seine helle Haut und seinen überschlanken Körper reagierte, der nichts von der muskulösen Kraft der männlichen Schwarzen ausstrahlte.

Die merkwürdigen Zeichen auf dem Leder hatten auf einmal jeden Reiz für ihn verloren. Es pulsierte etwas in ihm, das sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen einfach nicht bescheiden wollte.

Er beschloß, nach draußen zu gehen. Wer weiß, vielleicht sah er sie dort, und vielleicht hatte er sogar die Gelegenheit, mit ihr in Kontakt zu kommen …

African Queen

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