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BRAUSEPULVER MIT ZITRONENGESCHMACK

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Ich gehe auf das Oasis gegenüber der Windmühle zu. Seine sonnengelben Mauern leuchten. Der Rezeptionist gibt dem Liftboy Anweisung, mir den gelben Läufer auszurollen. Der Boy trägt meinen Koffer ins Zimmer.

Ich öffne das Fenster, lasse das Sonnenlicht ein. Auf dem runden Tischchen auf der Terrasse steht eine große bauchige Vase mit Sonnenblumen. Die Volants am Saum der Markise knattern im Wind. Ich öffne den Koffer, hänge meine Kleider, bunte Farbtupfer im gelben Zimmer, in den Kasten.

Es klopft. Der Zimmerservice. Ein Chinese mit langem schwarzem Zopf bringt einen großen Korb Bananen. Ein Gruß des Hauses. Ich bedanke mich. Davon könnte ich mich die nächsten beiden Tage ernähren.

Mir fällt ein, dass ich nicht gegen Gelbfieber geimpft bin. Müdigkeit überkommt mich. Die Strapazen der Reise oder schon das Fieber? Ich setze mich auf das Bett, schnuppere an der Damastbettwäsche. Zitronenmelisse. Ich werde mich hinlegen und ein bisschen Musik hören. Ich drehe das Radio auf.

Déshabille-moi!, singt Juliette Greco verführerisch. Ich singe mit: Déshabille-moi!

Es klopft abermals. Ein freundlich lächelnder Mann tritt ein und lüftet seinen Strohhut. Er setzt sich zu mir aufs Bett und beginnt behutsam mein Kleid aufzuknöpfen. Er hängt es zu den anderen in den Kasten.

»Sie sind Jungfrau«, sage ich.

»Erraten.«

Die Art, wie er seine Unterwäsche zusammenlegt, weist auf Aszendent Steinbock hin. Na, hoffentlich sorgt Venus im Löwen für ein bisschen Ungestüm. Jetzt knöpft er sein Hemd auf. Blonde Härchen auf seiner Brust. Weich, seidig. Bei meiner Berührung lässt er das Hemd zu Boden fallen. Der Hose entledigt er sich rasch. Jetzt hat er nur noch gelbe Socken an. Ich kichere. Er schaut verunsichert.

»Verzeihung.« Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Dann strecke ich mich auf dem Bett aus. Er legt sich zu mir. Die gelben Socken hat er unter dem Bett versteckt. Ein Zitronenfalter schwebt durchs Zimmer, umkreist uns und lässt sich auf meinem schwarzen Dreieck nieder.

»Man müsste dich malen«, sagt der Mann neben mir. Dann winkt er mit den Armen in Richtung Fenster und macht herbeiholende Gesten wie jemand, der ein Auto in einen Parkplatz einweist und dem Lenker bedeutet, noch rückwärts zu fahren. Eine Wolke von Zitronenfaltern dringt durch das Fenster ein. Die Falter schlüpfen in meinen Bauch. Schnell lasse ich mir eine Teerose zwischen den Pobacken wachsen und reiche sie dem Herrn der Schmetterlinge.

»Wollen wir blödeln oder wollen wir uns lieben?«, sagt er.

Typisch Jungfrau, typisch Steinbock! Immer zielstrebig in medias res. Aber es ist ja keine schlechte Sache, in deren Mitte wir streben.

Nachher essen wir den ganzen Korb Bananen.

Irene Wondratsch

Lippenstift und Notfalltropfen

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