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Der Verdacht

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Nachdem die Kollegen von der Spurensicherung am Tatort eingetroffen waren, verabschiedete sich Susen Peters. Eigentlich wollte sie zurück ins Büro fahren, aber noch während der Autofahrt entschied sie, doch lieber einen Abstecher nach Neklade zu Leander F. machen zu wollen. Sie hatte ihn gestern zu abrupt stehenlassen. Für Susen hätte dieser Abend vielleicht der Beginn einer heißen Affäre werden können. Nun wollte sie es wissen. Die Welt ist voller Verrückter, dachte sie, während sie den Weg nach Neklade suchte. Oft war es eben nur eine Grandwanderung bis zum Verbrechen. Sie musste von einem Profiler mehr über die psychische Struktur dieses Täters erfahren. Eigenartigerweise kam ihr jetzt Ole in den Sinn. War es Zufall, dass er am Tatort aufgetaucht ist? Was ist, wenn er es war? Und er Anneke nachts am Maisfeld erkannt hatte? Wäre er zu so einer Tat fähig? Nur um den Vater zu strafen, quält er die Tochter? Dann war es gar kein Sexualverbrechen? Hatte er das nur vorgetäuscht, und nie die Absicht gehabt Frieda zu vergewaltigen, es sollte nur so aussehen! Er kannte hier jeden Stein und jeden Winkel, war in Götemitz aufgewachsen. Für ihn war es einfach, bei Anneke ins Fenster zu schauen, er wusste, wohin er verschwinden konnte, um nicht entdeckt zu werden. Aber trieb ihn sein Umweltkampf wirklich soweit? Besaß er diese psychopathischen Strukturen? War er nicht eher ein Mann des offenen Kampfes? Hatte er bei der Schlägerei mit dem Waldbesitzer nicht auch gelogen? Susen schüttelte sich, schien von ihren eigenen Gedanken und Vermutungen verwirrt zu sein. Was wusste sie über Oles Verhältnis zu Frauen? Hatte er überhaupt schon mal eine Beziehung? So sehr sie auch nachdachte, ihr fiel dazu nichts ein. Ole war immer nur auffällig, wenn es um ein Umweltprojekt ging. Der Täter hatte Frieda traumatisiert, aber körperlich nicht lebensbedrohlich verletzt. Wollte er damit erreichen, dass Friedas Vater aus dem Ort verschwindet und sein Bauprojekt sausen lässt? Ein Ort, an dem kein Mädchen mehr sicher ist, da will man doch nicht wohnen bleiben, zumal man eine traumatisierte Tochter hat, die bestimmt nicht mehr nach Rügen kommen möchte. Und die Grundstücke lassen sich mit diesem Verbrechen im Hinterkopf wahrscheinlich auch schlechter verkaufen. Ole ist schon ein Hitzkopf. Einer von der Sorte, der der Natur mehr vertraut als den Menschen. Wieso tauchte er ausgerechnet heute am Tatort auf? Wollte er die Kleidung sicherstellen, Spuren verwischen? Und sie hat ihm noch Täter Informationen gegeben! Nun wusste er, was sie wusste. Einen Moment lang beruhigte es sie, dass sie selber noch nicht viel Wissen um diesen Fall hatte, als das Ortsschild Neklade auftauchte. Susen nahm sich vor, alles zu prüfen, und prüfen zu lassen, was Ole Sponholz betraf. Sie parkte ihren Wagen und rief in der Dienststelle an. Ihren Kollegen Uwe Bartels bat sie, alles herauszusuchen, was er über Ole finden konnte. Vorlieben, auch sexueller Natur, Familie, Aktivitäten und Auffälligkeiten, eventuelle Straftaten, begangen in einem anderen Bundesland, die schon verjährt waren, usw. Nachdem sie dieses Gespräch beendet hatte, rief sie Anneke an: »Hier spricht Susen, was machen Sie gerade?« »Ich werde gleich von Ole abgeholt, ich muss hier raus. Vielleicht zum gelben Ufer oder doch lieber in die Schaabe?« Anneke schien Susen um Rat zu fragen, hatte sich noch nicht entschieden. Susen erstarrte. »Anneke, bitte nicht zum gelben Ufer. Der Weg dahin ist einsam, und man kommt so schlecht von dort wieder weg. Die Haupturlaubszeit ist vorbei und ich möchte nicht, dass sie sich in Gefahr begeben, dann doch lieber zur Schaabe, da ist mehr los. Da sind Sie nicht allein.« »Aber ich bin doch nicht allein, Ole und sein Hund sind bei mir, was sollte mir da schon passieren?« Susen hätte ihr gern gesagt, dass gerade das das Problem ist, aber sie hatte nur diesen dünnen Anfangsverdacht, nicht mehr. »Also gut, wir fahren zur Schaabe, warum auch immer Sie das besser finden.« Das ist gut, Anneke. Ich bitte Sie, Ole nichts von meinen Bedenken zu sagen. Versprechen Sie mir das? Und bitte, ich möchte von Ihnen täglich darüber

informiert werden, wo und wann Sie sich außerhalb des Hauses bewegen. Zum Beispiel einkaufen, Strand, Freunde besuchen, oder sonst was.« Anneke war einen Moment irritiert, willigte aber ein.

Susen fühlte sich nach dem Gespräch mit Anneke etwas besser. Im Schritttempo fuhr sie durch den kleinen Ort, bis zum Ortsausgangsschild. Danach bog auf der rechten Seite ein kleiner Feldweg ab. Sie schlug diesen Weg ein, in der Hoffnung, den Rest Hof von Lenader F. am entfernten Waldrand zu finden. Die Straße war unbefestigt, ließ sich aber durch die Trockenheit gut befahren. Nur die braune Staubwolke hinter dem Fahrzeug gefiel ihr nicht so recht, weil sie gestern erst durch die Waschanlage gefahren war. Lieber jetzt, als im Winter, dachte sie, wenn die eisigen Nordostwinde über die offene Landschaft fegen, dann sind die Schneewehen sicher unpassierbar. Was macht der smarte Maler dann? Dann käme hier keiner mehr durch. Bei diesem Gedanken fröstelte sie ein wenig. Auf der linken Seite des Weges entdeckte sie in der Spätsommer Sonne ein größeres Feuchtgebiet. Susen ließ die Scheibe herunter und schnupperte. Sie blinzelte gegen die schon tief stehende Sonne, auch weil die Luft vor Hitze flirrte. Es wird bald ein Gewitter geben, dachte sie. Das hier, das ist eine Idylle, wie man sie so unberührt nicht mehr oft findet. Gleichzeitig fiel ihr Friedas Vater ein. Ob das jetzt alles ihm gehört? Eigentlich konnten nur diese Wiesen und der angrenzende Wald das ersteigerte Gebiet sein. Susen ertappte sich, dass sie Oles Wut nachvollziehen konnte. Nur Tempo dreißig fuhr die Kommissarin, bis sie endlich am Waldrand ankam. Dort entdeckte sie, etwas versteckt, einen Rest Hof. Susen überlegte, ob das Leanders Zuhause sein könnte? Es gab zwei Backsteingebäude. Ein verfallener Stall, dem das Dach noch innen gerutscht, und damit abrissreif war und ein Wohnhaus. Vielleicht war das hier einmal eine alte Försterei, wer sonst konnte hier leben, vor allem im Winter? Bei näherer Betrachtung schien das

Wohngebäude noch einigermaßen intakt zu sein. Susen parkte ihren Dienstwagen neben einem nagelneuen A3. Vor Erstaunen pfiff sie leise. »Aber hallo, nix mit armem Künstler! Sie konnte sich keinen so teuren Wagen leisten.« Dabei kramte sie in ihrem Gedächtnis; gab es da nicht eine Geschichte, von einer wohlhabende älteren Dame, die Leander F. ein tüchtiges Sümmchen, zum Ärger der eigentlichen Erben, hinterlassen hatte? Mit diesem Wissen im Hinterkopf war irgendwie die Lust auf ihn erste einmal verschwunden. Stattdessen schlich sie leise um das Haus, um sich ein Bild von den Gegebenheiten zu machen. Als Susen um eine Ecke bog, sah sie, dass in Richtung Feuchtgebiet ein Teil der Hauswand durch ein großes Fenster ersetzen worden war, was einen herrlichen Panorama Blick auf die Wiesen erlaubte. Susen vermutete, dass von dieser Maßnahme mit Sicherheit kein Bauamt etwas wusste. Wo liegt schon Neklade? Werden die sich gedacht haben. Neugierig schaute sie in den Raum, in dem sich augenscheinlich ein Atelier befand, als zwei starke Hände sie von hinten packten und kräftig umdrehten. Susen war zutiefst erschrocken. Weil sie niemanden gehört oder gespürt hatte, irritierte sie dieser Überfall. War sie in eine Falle getappt? Das war unprofessionell. Leander F. sah sie strafend an: »Was machen Sie ohne Erlaubnis in meinem Garten?« Susen schluckte ihre Überraschung erste einmal hinunter. Die Kommissarin war bekannt dafür, dass sie blitzschnell reagieren konnte: »Lassen Sie mich erklären. Ich glaube, ich hatte Sehnsucht«, damit lächelte sie seine Bedenken weg. »Vielleicht möchten Sie erfahren, warum ich gestern so abrupt verschwunden bin?« Ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, plauderte sie weiter: »Verzeihen Sie mir bitte, ich hatte Bereitschaftsdienst. Ich wurde zu einem dringenden Fall in das Bergener Krankenhaus gerufen.« »Also Ärztin?« fragte er kurz angebunden. Susen wunderte sich, dass sie diesen Irrtum nicht aufklärte. Irgendetwas hinderte sie, ihre wahre Identität zu nennen. Stattdessen antwortete sie: »Sozusagen.«

Susen Peters ermittelt

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