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Frieda

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Das Mädchen auf dem Beifahrersitz stöhnte laut und presste die Hände auf ihre blutenden Unterarme. Anneke überfielen Angst und Schrecken, das sie nicht durchhalten könnte und gab Gas, aber der Weg zog sich. Entschlossen, doch nicht im Dorf zu halten, ließ sie das Gutshaus rechts liegen und schlug den Weg nach Bergen ein. »Kennst du das Schwein?«, fragte sie, auch, um das Mädchen von ihrem Schmerz abzulenken: »Nein«, war die Antwort, »er trug eine eigenartig lachende Totenmaske. Und er sprach kaum ein Wort mit mir. Aber er muss sich hier gut auskennen, weil er mir im Dorf hinter dem Gutshaus auflauerte, mir dann ein Messer an die Kehle hielt und drohte mich gleich umzubringen, falls ich schreien sollte. Dann ist er mit mir diesen Plattenweg gegangen. Er genoss in aller Ruhe meine panische Todesangst, und zerrte mich irgendwann in das Maisfeld. Bereits auf dem Weg hierher, schnitt er mir mit einem Messer in die Arme. Wenn Sie nicht gekommen wären, ich wäre jetzt wohl schon tot.« Das Mädchen schluchzte, und Anneke wagte nicht zu fragen, ob er sie vergewaltigt hatte, stattdessen sagte sie: »Wer bist du, woher kommst du?«

»Frieda«, flüsterte das Mädchen leise und wischte sich mit einer Hand über das verweinte Gesicht: »Ich bin als Feriengast hier. Oh Gott, meine Eltern werden mich schon vermissen!«, rief sie. »Wir kommen immer in den Schulferien, besitzen ein Haus am Ortsausgang nach Datzow. Ich wollte nur noch ein bisschen spazieren gehen, SMS schreiben, ohne die Kontrolle meiner Eltern im Nacken.« Dann weinte Frieda hemmungslos. Anneke gestand sich ein, dass sie sich nicht mehr darum gekümmert hatte, wer neu zugezogen ist. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass es bald mehr Zugezogene als Einheimische in den Dörfern geben könnte. Rügen war IN, besonders bei den Wohlhabenden. Früher, in ihrer Kindheit, da konnte sie angstfrei abends durch die Felder laufen, gruselte sich nur ein wenig, weil es alle Kinder taten. Und nun musste sie mit allem rechnen. Sie begann, in ihrer Ablage nach Tempotaschentüchern für Frieda zu kramen. Dabei sah sie, dass das Mädchen stark blutverschmiert war: »Soll ich dich vielleicht doch erst zu deinen Eltern bringen? »Gleichzeitig verwarf sie diesen Vorschlag wieder. »Besser wäre es allerdings, sofort ins Krankenhaus zu fahren. Du siehst erbärmlich aus, so sollten deine Eltern dich nicht sehen. Und außerdem ist es wichtig seine DNA sicherzustellen.« Anneke wunderte sich über sich selbst, wie schnell sie sich beruhigt hatte und klare Entscheidungen treffen konnte. Sie war nun hellwach und würde sofort über Datzow und Poseritz Hof nach Bergen durchfahren, bloß keine Zeit mehr verlieren. »Frieda, nimm mein Handy, es liegt unter der Ablage. Ruf deine Eltern an. Sag ihnen, dass ich dich nach Bergen bringe.. Frieda suchte nach dem Telefon und tippte dann mit zitternden Fingern die Nummer ihrer Eltern ein. Als sich ihr Vater meldete, schluchzte sie, schien unfähig einen zusammen hängenden Satz zu sprechen. Entschlossen nahm Anneke ihr das Handy ab und schilderte mit kurzen Worten das Geschehen: »Wir sind beide auf dem Weg ins Krankenhaus nach Bergen und Frieda braucht etwas zum Anziehen, vor allem Unterwäsche.« Um Worte ringend versprach der Vater, dass er und seine Frau sich sofort auf den Weg machen werden. Nach diesem Telefonat raste Anneke über die engen Dorfstraßen, zurück auf die B96 bis nach Bergen. Es war ihr Glück, dass sie jede Kurve kannte, für einen Fremden wäre das leichtsinnig bis tödlich gewesen. Auf dem Parkplatz des Krankenhauses angekommen, kramte Anneke auf der Rückbank in ihrer Reisetasche nach einem Kleid für Frieda. Sie konnte das Mädchen unmöglich in diesem Zustand in die Klinik bringen. Etwas Würde wollte sie ihr zurückgeben, nach alldem, was geschehen war. Zitternd streifte Frieda das Kleid über. Dann schob Anneke ihren Arm unter den von Frieda, und begleitete sie bis zur Notfall Aufnahme. Die erfahrene Dame an der Anmeldung erfasste schnell, dass Frieda dringend medizinisch Hilfe benötigte. Eilig holte sie einen Rollstuhl und funkte den diensthabenden Arzt an. Routiniert erkläre sie Anneke den Weg zum Schockraum und strich zum Abschied flüchtig über das Haar von Frida. Dort angekommen, waren es bange Momente des Wartens, bis der diensthabende Arzt den Raum betrat und sich von Anneke über das vorangegangene Geschehen informiert ließ. „ Bitte haben sie etwas Geduld,“ bat er,“ und griff zum Handy. Anneke hörte, dass er mit einer Kollegin sprach und anschließend mit einer Kommissarin. Als er die Gespräche beendet hatte, erklärte er: »Es ist sinnvoll, dass eine erfahrene Frauenärztin und eine Polizeibeamtin so schnell wie möglich dazu kommen. »Übrigens, mein Name ist Lars Bauer, ich bin der diensthabende Arzt. Darf ich dich noch duzen?« Frieda nickte zustimmend. »Zuerst werde ich die Verletzungen an deinen Armen versorgen. Alles andere wird die Frauenärztin mit dir besprechen.« Ruhig bat er Frieda sich auf die Liege zu legen. Die mühte sich aufzustehen, aber ihre Beine versagten. Ein Weinkrampf schüttelte sie. Wahrscheinlich war es für zu viel, in dem grellen Licht der Lampen, das verkrustete Blut auf ihren verletzten Unterarmen zu sehen? In diesem Moment klopfte es an der Tür des Schockraumes. Ohne auf eine Aufforderung hereinzukommen zu dürfen, betraten Fridas Eltern eilig den Raum. Lars Bauer reagierte etwas ungehalten und bat bestimmt, draußen vor der Tür Platz zu nehmen. Im Moment war es das Wichtigste, Frieda zu versorgen, die noch immer Annekes rechte Hand umklammerte. Deren Anwesenheit schenkte dem Mädchen anscheinend ein wenig Sicherheit. Nach der Erstversorgung bat Lars Bauer Friedas Eltern herein. Er ahnte, dass würde emotional werden. Nun war seine Arbeit getan und die Frauenärztin würde jeden Moment kommen. Er war froh, als seine Kollegin den Raum betrat. Sie war in dieser Situation wohl die bessere Ansprechpartnerin als er. Als die Ärztin Frieda befragte, beteuerte diese, nicht vergewaltigt, aber misshandelt worden zu sein. Anneke war dem Täter wohl in die Quere gekommen.


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