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Susen Peters

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Die Kommissarin Susen Peters, besuchte zum Zeitpunkt des Anrufes aus der Bergener Klinik, eine Vernissage in der Orangerie in Putbus. Fluchend eilte sie nach dem Telefonat zum Parkplatz, stieg in ihren Dienstwagen, um nach Bergen zu fahren. Ausgerechnet heute gab es in der Orangerie eine, von diesen seltenen Ausstellungen des Malers Leander F. Der hatte sich als mystisch umwitterter Künstler irgendwo auf Rügen niedergelassen. Niemals nannte er seinen Nachnamen. Er verstand es, sich fast unsichtbar zu machen, Interesse zu wecken, um sich dann wieder zu verkriechen. Susen hatte sich schon eine ganze Weile vorgenommen, seinem Leben auf die Schliche zu kommen.

Als er viel zu spät zur Eröffnung der Vernissage erschien, war ein Raunen im Raum zu hören. Die Damen schienen entzückt, dass er sich doch noch herabließ, irdisch anwesend zu sein. Susen sah ihn das erste Mal, musste sich aber nach kurzer Zeit eingestehen, der Typ hatte etwas. Er war sehr schlank, durchsichtig könnte man es auch nennen, aber nicht durchschaubar. Trotzdem konnte er im Gespräch sein Gegenüber mit Blicken aus dunklen Augen fesseln. Völlig überraschend für sie, pickte er sich Susen aus all den Frauen heraus. Fast war sie geneigt sich geschmeichelt zu fühlen, weil er die vielen Verehrerinnen an sich abperlen ließ, wie Regen- tropfen auf einem Friesennerz. Wie ein Messias nutzte er seine Plattform, um Susen in das Geheimnis seiner Bilder einzuweihen. Geschickt verstand er es, sie zu seiner Mitwisserin zu machen. Erklärte ihr das Dasein der unzähligen Rechtecke, Quadrate und Kreise auf der Leinwand mit einer Begeisterung, wie sie es noch nicht bei grafischen Dingen wahrgenommen hatte. Es kam ihr vor, als ob er zu jedem gemalten Kringel eine magische Beziehung unterhielt. Susen betrachtete ihn aufmerksam, und fand ihn anziehend. Vielleicht auch, weil er sich intensiv ihr zuneigte. Leander F. war gut aussehend, seine dunklen Locken fielen bis zum Hemdkragen, den er geöffnet trug. An seinem Hals baumelte als Schmuck der Zahn eines Tieres, der an einem braunen Lederband hing. Während Susen auf Tiger oder Bär tippte, bewegte sich Leander F. geschmeidig tänzelt vor ihr. Er war sehr gepflegt, blitzsaubere Fingernägel, keine Farbreste, was ihr als Widerspruch zu anderen Malerkollegen angenehm auffiel. Susen kannte sich in der Künstlerszene aus. Ihr Bruder gehörte zu der Gruppe, die nachlässige Kleidung, einen vier Tage Bart, oder angedeutete äußerliche Verwahrlosung als Visitenkarte ihrer Berufung celebrierten. Bei Susens Vater, der aus einer alten Fischerfamilie stammte, wirkte diese Vernachlässigung an Bord seines Kutters, eher archaisch männlich. Susen lächelte, als sie an diesen brummbärigen Mann dachte, der ihr Vater ist. Der nach Fisch und Meer roch, nach Wind und Freisein. Der, wenn es hoch kam, als Zeichen seiner Zuneigung, ihr unbeholfen auf die Schulter klopfte. Plötzlich stand Leander F. nah, sehr nah bei ihr, und riss sie aus ihren Gedanken. Sie schnupperte, weil es aus seinem Hemdkragen, an dem sich die Locken kringelten, nach Moschus duftete. Susen lächelte, weil das überhaupt nicht zu seiner filigranen Erscheinung passte, ausgerechnet Moschus! Vielleicht waren es die vielen Monate des Single Daseins, seit sie sich von David getrennt hatte, die ihr jetzt Lust auf den Maler machten. Das lag sicher auch daran, dass sie schon immer ein neugieriger Mensch gewesen ist. Leander schien für Susen einen Fundus außergewöhnlicher Geschichten in sich zu bergen. Während er eindringlich mit leiser Stimme auf sie einsprach, verspürte sie ein angenehmes Kribbeln im Bauch. Ein untrügliches Zeichen, dass sie es sich durchaus vorstellen konnte, mit ihm einen heißen Flirt anzufangen.

Und nun dieser Anruf! Gerade erst hatte sie den letzten Vergewaltigungsfall erfolglos zur Seite gelegt, da hatte dieser Perverse wieder zugeschlagen. Sie schämte sich ein wenig, dass sie zu diesem Zeitpunkt, als Frieda geschändet wurde, an Sex gedacht hatte. Na, wenigstens hatte das Mädchen den Angriff überlebt. In der Aufregung hatte sie vergessen, Leander F. um seine Telefon- nummer zu bitten. Als sie sich verabschiedete, machte er einen verschnupften Eindruck, erstarrte geradezu in seiner Mimik. Viele der anwesenden Frauen hätte sich seine Aufmerksamkeit gewünscht und ausgerechnet die, die er sich heute ausgewählt hatte, ließ ihn so sang und klanglos stehen. Er konnte ja nicht ahnen, dass Susen längst seine Adresse kannte. Sie hatte recherchiert, aber nicht mehr als seine Anschrift heraus bekommen. Ein Rest Hof am Waldrand des Dorfes Neklade, unweit von Bergen. Dort hatte er sein Atelier. In Künstlerkreisen hieß es, er würde niemanden in sein Haus lassen. Da es ihr an Selbstvertrauen nicht mangelte, war Susen zuversichtlich. Sie würde sich Zugang zu Leander F. verschaffen. Auf welche Weise, darüber musste sie noch nachdenken.

Als sie nach knapp zwanzig Minuten Autofahrt ihren Wagen parkte, ballte sie die rechte Hand zur Faust. »Ich krieg dich!«, rief sie dem unbekannten Täter in der Dunkelheit zu. Am Bett von Frieda begann Susen Peters, routiniert und einfühlsam das Mädchen, soweit es ihr psychischer Zustand erlaubte, zu befragen. Frieda schilderte den Ablauf so, wie sie ihn bereits Anneke erzählt hatte. Danach gingen Susen vor allem diese Fragen durch den Kopf, was hatte der Täter vor? Sie lange zu quälen, warum so kleine Schnitte, aber keine Vergewaltigung? Trotzdem war sie fast entkleidet. Gott sein Dank war Anneke ihm zuvor gekommen. Die Kommissarin verabschiedete sich mit der Bitte, Morgen wiederkommen zu dürfen. Sie hoffte, wenn Frieda erst einmal geschlafen hat, dass ihr doch noch etwas Verwertbares einfallen könnte. Dieser Fall schien anders zu sein, als die sexuelle Straftat auf Ummanz vor vier Wochen. Damals gab es kein sadistisches Vorspiel, eben nur den sexuellen Übergriff. Auch wenn das Wort NUR, hier unpassend erschien. Allerdings traf es auch dort eine sehr junge Urlauberin. In Susen begann es zu arbeiten. Obwohl es schon spät war, entschloss sie sich ins Büro zu fahren, um den Sachverhalt vor vier Wochen noch einmal genau in den Akten nachzulesen, nach Ähnlichkeiten zu suchen, das Täterprofil zu ergründen. Dort angekommen, erinnerte sie sich. Es handelte sich um eine sechszehnjährige Urlauberin, die etwa um zwei Uhr dreißig in der Frühe die Dorfdisco verlassen hatte, um zu Fuß nach Hause zu gehen. Susen schimpfte vor sich hin; Warum um alles in der Welt, kann sich so ein junges Mädchen nicht vom Vater oder von der Mutter abholen lassen? Susens Vater oder ihr Bruder hätten sie nie zu so später Stunde allein nach Hause gehen lassen. Weiter las sie; Auf dem Weg wurde das Opfer von einem Mopedfahrer überholt. Der dann unvermittelt stoppte und das Mädchen sexistisch anpöbelte. Da er augenscheinlich angetrunken war, beschimpfte das Mädchen ihn ebenfalls. Er fühlte sich provoziert, schmiss sein Moped in den Straßengraben und verging sich anschließend an ihr. Nach der Tat fuhr er mit seinem Moped davon. Das Opfer war so geschockt, dass es sich nicht das Kennzeichen merken konnte. Nein, sagte Susen zu sich selbst, zu dem Tatvorgang vor vier Wochen gab es heute kein Parallel Verhalten. Mit der Erkenntnis, dass es sich um zwei unterschiedliche Täter handeln müsse, fuhr sie endlich, kurz nach Mitternacht, zu ihrer Wohnung. Morgen würde sie, gemeinsam mit einer Psychologin, von der Missbrauch Stelle für misshandelte Kinder und Erwachsene in Bergen, Frieda noch einmal ausführlich befragen. Auch für Anneke wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Lars Bauer hatte den Verbleib zur Beobachtung in der Klinik für Frieda angeordnet, und ihr dann ein Beruhigungsmittel injiziert. Er wusste, er konnte sie der Fürsorge ihrer Eltern, die nicht von ihrer Seite wichen, überlassen.

Anneke hatte er noch ein Schlafmittel in die Hand gedrückt, mit der Bemerkung: »Ich muss nicht hellsichtig sein, um Ihnen zu sagen, dass Sie in den nächsten Nächten Schlafstörungen haben werden. Hier noch die Telefonnummer einer Psychologin, die sich auf Trauma Patienten spezialisiert hat, die sollten Sie aufsuchen. Der eigentliche Schock wird Sie in den nächsten Tagen heimsuchen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, und Danke für Ihren Mut, das hätte nicht jeder getan.« Anneke nickte: »Frieda ist gerettet und in guten Händen. Auch die Kommissarin hat einen einfühlsamen und kompetenten Eindruck hinterlassen. Nun kann ich endlich nach Hause fahren. Ihnen Herr Bauer, wünsche ich eine ruhige Nacht.« »Na, das wünsche ich mir auch.« Im Krankenhaus war es still geworden. Die Dame von der Anmeldung saß immer noch am Empfang, als Anneke mit leisen Schritten die Klinik verließ, und ihr einen ruhigen Dienst wünschte.

Susen Peters ermittelt

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