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Martha

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In den stürmischen Ostwind, der sich an dem zerzausten Reetdach von Mertens Haus müde heulte, mischte sich Irmis Stöhnen. Wenn die Schmerzen unerträglich wurden, biss sie in einen Zipfel des übergroßen Federkissens, das in ihrem Rücken lag, um dann erschöpft zurückzufallen. Schweißgebadet war sie, aber ohne einen lauten Schrei, obwohl die nicht enden wollenden Wehen sie quälten. „Nun schrei schon, du musst hier keinem etwas beweisen“, schimpfte Martha, „weiß doch jeder im Dorf, dass es bei dir so weit ist.“ Harsch hatte vor Stunden Irmis Vater, der alte Mertens, an die Tür der alteingesessenen Hebamme geklopft. War außer sich, dass seine Tochter ein Kind bekam. Weder er, noch seine Frau, hatten bis zu diesem Zeitpunkt etwas von deren Zustand geahnt.

Und Mertens Hereinplatzen in Marthas gute Stube, zur heiligen Mittagsstunde, stimmte diese nicht gnädig. Ihre Lebensjahre, deren genaue Anzahl sie niemandem verraten wollte, dazu der Jammer der Jahre 1945/46, hatten Marthas fülligen Körper sichtbar zugesetzt. Fluchend dachte sie in diesem Moment an die vielen Entbindungen, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals schleppten sich Frauen aus allen Himmelsrichtungen auf die Insel. Vertriebene, Geflüchtete, Vergewaltigte, manchmal mit einer neuen Last im Bauch, bis Martha sie erlöste. Seit dieser unsäglichen Zeit, wollte sie nicht mehr Hand anlegen. Trotzdem kränkte es sie, dass viele Frauen das Krankenhaus in der Kreisstadt Bergen oder die neumodische junge Hebamme aus dem Nachbarort bevorzugten. In Marthas Augen verhätschelte diese geradezu die Neugeborenen. Legte das Baby sofort nach der Geburt an die Brust der Mutter, und ließ es bei der Wöchnerin im Bett schlafen. Marthas Schule war eine andere gewesen. Bei ihr mussten die Neugeborenen noch vierundzwanzig Stunden nach der Geburt schreien, bekamen nichts zu trinken. Durften nicht die Nähe der Mutter spüren. Der Ernst des Lebens beginnt mit dem ersten Schrei, meinte Martha, das sei hart genug, da könne man sich keine Zimperlichkeit leisten. Im diesem Moment war Zorn in ihr, blies ihren fülligen Körper wie einen Truthahn auf, weil Mertens sie noch einmal in die Pflicht zwang. Er nahm es als selbstverständlich, dass Martha auch sein Enkelkind auf die Welt holen sollte, wie damals vor zwanzig Jahren seine Tochter Irmi.

ein ungeklärter Mord

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